Was interessiert Sie besonders?

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

ALLES VERSUCHT UND WENIG FALSCH GEMACHT

Im Interview: Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz.

Trotz jahrelangem Widerstand konnte der Bau der A 73 durch den Gottesgarten nicht verhindert werden. Woran lag’s?

Mergner: Politisch standen wir einer starken Befürworterschaft aus praktisch allen Parteien mit Ausnahme von Bündnis 90/Die Grünen und wenigen aufrichtigen SPD-Abgeordneten gegenüber. Vor allem die Stadt Coburg unter ihrem SPD-Oberbürgermeister Norbert Kastner, aber auch die Landräte Karl Zeitler (SPD) und Reinhard Leutner (CSU) sowie etliche Landtags- und Bundestagsabgeordnete, darunter der spätere Staatssekretär Jürgen W. Heike (CSU) und Bernd Protzner (CSU) stilisierten die Realisierung der Autobahn zu einem Projekt, ohne das die Region sterben würde. Weil die A 73 zusammen mit der A 71 als Verkehrsprojekt Deutsche Einheit geplant wurde, konnten die Befürworter in Teilen der Bevölkerung auf das Argument „Nachholeffekt nach der Grenzöffnung“ setzen. Wir hatten zwar Recht mit unseren Einschätzungen, dass die Einwohnerzahl im Raum Coburg auch mit Autobahn weiter sinken würde, das ist aber ein schwacher Trost. Leider hatten wir auch Recht mit den unerträglichen Lärmfolgen, was viele Anwohner*innen erst nach dem Bau der A 73 feststellten und uns nun um Unterstützung beim Kampf um Lärmschutz bitten. 

Warum scheiterte der BN vor Gericht?

Rechtlich scheiterten wir mit unserer Klage gegen die A 73 im Abschnitt bei Lichtenfels vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig, weil die Richter vor Ort wegen des Gewerbegebietes am Westrand von Lichtenfels eine Vorschädigung des Landschaftsbildes im Gottesgarten konstatierten. Zudem kam das Landesamt für Umweltschutz den Autobahnplanern zu Hilfe und behauptete, dass das Europäische Vogelschutzgebiet im Maintal „fachlich korrekt“ eine Lücke genau an der Stelle aufweise, wo die Autobahn das Tal kreuze. Dies zeigt die skandalöse Verbiegung der bayerischen Umweltverwaltung zu Gunsten von Straßenbauinteressen.

Schmerzt diese Niederlage heute noch?

Natürlich. Es blutet mir jedes Mal das Herz, wenn ich die enormen Landschaftseingriffe sehe, egal ob im Gottesgarten oder im Lichtenfelser Forst, im Banzer Hügelland oder auf den Langen Bergen bei Coburg. Am schlimmsten ist es nördlich von Coburg, wo neben den gigantischen Viadukten der A 73 und B 4 auch ein Gewerbegebiet „Lauterer Höhe“ an den Autobahnanschluss geklotzt wurde. Dort ist das Land nicht mehr zu erkennen und erinnert an die hässlichsten Auswüchse US-amerikanischer Stadtränder.

Haben Sie sich die Frage gestellt, was man hätte besser machen können?

Wir haben eigentlich alles versucht und wenig falsch gemacht. Das ist auch das Tröstliche, dass wir sagen können, wir haben alle mit hohem persönlichen Einsatz bis zuletzt, sogar mit hohem finanziellen Aufwand vor Gericht gerungen und brauchen uns nichts vorzuwerfen. Besonders die Aktiven unserer BN-Kreisgruppen Lichtenfels und Coburg waren bewundernswert mutig in dieser Auseinandersetzung. Als Konsequenz haben wir unsere Aktivitäten im Rahmen des BUND verstärkt, damit die Beurteilungskriterien für Projekte im Bundesverkehrswegeplan stärker auf ihre ökologischen Auswirkungen betrachtet werden und haben dabei auch etwas erreicht, leider aber noch nicht genug.

Worin sehen Sie dennoch Ansatzpunkte, damit die Menschen, die in nächster Nähe zur Autobahn wohnen, künftig mit der A 73 leben können?

Unser Ziel muss sein, den KFZ-Verkehr zu reduzieren und zu vermeiden. Hier geht es vor allem um die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, das Beieinanderhalten kompakter Städte und Dörfer, die Verlagerung  des Verkehrs auf die Bahn und um Entschleunigung, vor allem durch Geschwindigkeitsbegrenzungen. An der A 73 wird es auch um Flüsterasphalt und besseren Lärmschutz gehen. Außerdem hoffen wir, die unnötige und Fläche fressende Rastanlage auf den Langen Bergen noch verhindern zu können.

Was wünschen Sie sich für den Einsatz der vielen ehrenamtlichen Helfer bei weiteren Großprojekten?

Dass ihr Engagement letztlich von Erfolg gekrönt ist. Und dass sie in ihrem uneigennützigen Einsatz für das Allgemeinwohl nicht auch noch persönlich und unter der Gürtellinie angegriffen werden. Hier haben die Lichtenfelser und Coburger Aktiven unter der unerschütterlichen Führung von Anton Reinhardt und Rita Poser extrem viel bis hin zu Morddrohungen aushalten müssen. Und trotzdem haben sie auch nach dem Bau der A 73 den Mut nicht verloren und setzen sich gegen weitere unnötige Verkehrsprojekte ein. Dass ihnen das zunehmend gelingt, ist ihrer starken Überzeugung in der Sache und der großen innerverbandlichen Solidarität zu verdanken.