Aktion des Bundes Naturschutz
Mit einer spektakulären Aktion machten Aktive der BN-Kreisgruppe Forchheim, der Ortsgruppe Neunkirchen am Brand auf den anhaltenden Arten- und Lebensraumverlust in Bayern aufmerksam. Dazu stellten sie über 30 große Hinweisschilder gefährdeter Pflanzen- und Tierarten in Form einer Landkarte Bayerns auf.
"Wir haben uns das Feuchtbiotop ’Neuntagwerk’ am Brandbachsystem, einem Gewässer III. Ordnung, in Neunkirchen ausgesucht, weil hier noch in den 90ern die für die Anzeige eines intakten Lebensraums ’Sandiger Bachbereich im Übergang zur Nördlichen Frankenalb’ typische Amphibien-Leitart, die Knoblauchkröte, in großer Zahl vorkam“, so Dr. Ulrich Buchholz, Vorstandsmitglied der Kreisgruppe Forchheim.
„Und vor wenigen Jahren wurde das Feuchtbiotop trotz des Schutzes nach Bayerischem Naturschutzgesetz und sogar nach Europarecht teilweise zugeschüttet. Die Dezimierung des Laichgewässers hat dem Brandbachsystem auf Neunkirchener Gemarkung fast den Naturlebensraum gekostet – aber noch sind seltenen Arten der Roten Liste Bayerns und hier voran diese Kröten nicht verschwunden", erläuterte Bernhard Birnfeld, Vorsitzender der Ortsgruppe Neunkirchen am Brand: "Kein weiteres Feuchtgebiet darf zukünftig vorschnell zerstört werden. Hier ist der Markt gefordert, nicht nur den Schutz zu gewährleisten, sondern vorrangig dafür zu sorgen, dass schnell Ersatzgewässer bereitgestellt werden."
Von ehemals rund 13,6 Hektar Feuchtflächen im Gebiet des Marktes Neunkirchen a. Br. um das Jahr 1900 sind über 80 % vernichtet worden. Gerade 2,3 ha sind noch übrig. Proportional mit diesem Feuchtflächenschwund gingen die Verluste an wertvollen Lebensräumen und intakter Natur einher. Dies verdeutlicht, dass nicht nur ein Absichern verbliebener Naturbereiche überfällig, sondern auch ein Neuaufbau von Feuchtgebieten oberstes Gebot ist. Somit ist es von enormer Bedeutung mit dem unvermehrbaren Gut Boden sorgsam umzugehen, was für alle Vorhaben auf Neunkirchener Gemarkung gilt.
Dr. Ulrich Buchholz: "Im ganzen Landkreis Forchheim zeigen wir ehrenamtlich seit vielen Jahren auf, dass es gilt, Kleinode der Landschaft zum Erhalt der Heimat und ihrer gefährdeten Arten zu schützen, ob im Wiesenttal, auf Feuchtwiesen, in Tümpeln, bei der Anlage von Hecken oder am Walberla und vielem mehr. Wir signalisieren damit, dass vor allem der Flächenverbrauch der Gemeinden gestoppt werden muss. Das müssen diese auch ernst nehmen."
"2010 ist das von der UNO-Generalversammlung ausgerufene Jahr der Biodiversität. Wir alle sind aufgerufen, die Lebensvielfalt zu erhalten. Alle 10 Jahre werden aber die Roten Listen gefährdeter Pflanzen und Tiere auch in Bayern tatsächlich immer länger. Heute sind schon frühere Allerweltsarten, wie der Feldhase, die Feldlerche oder der Laubfrosch, gefährdet. Kanzlerin Angela Merkel hat erst im Januar die Lebensraumbedrohung in Deutschland als gleichwertig mit der Klimaproblematik eingestuft",so Tom Konopka, Regionalreferent des BN.
Situation in Neunkirchen am Brand
Auf Initiative des Bundes Naturschutz, Ortsgruppe Neunkirchen a. Br. fanden am 24.03. und 15.04.2010 Gespräche über Indikatoren einer intakten Natur auf der Gemarkung von Neunkirchen am Brand im Rathaus statt. Bewertet wurden u.a. spezielle Leitarten, wie sie in Feuchtgebieten vorkommen. Bürgermeister Heinz Richter, Jochen Cervik, Bauamtsleiter der Marktgemeinde, und Bernhard Birnfeld betrachteten dabei schwerpunktmäßig die Feuchtflächen im Einzugsgebiet des Brandbachsystems, zu dem auch seine Zuläufe, wie der Ebersbach, zählen.
Man war sich einig, dass es notwendig ist, den Bestand der Arten und Lebensräume zu erhalten. Als ein wichtiges Mittel wurde die Erstellung eines Gewässerentwicklungskonzepts und die Neuanlage von Feuchtflächen angesehen. In allen Belangen möchte der Markt zukünftig aktiv tätig werden, so der Bürgermeister. Der Bund Naturschutz bot hierzu seine ehrenamtliche Unterstützung an und wartet derzeit auf eine Vorgehensplanung des Marktes. All zu lange kann allerdings beim allmählichen Verlöschen des Lebens bei Fauna und Flora nicht mehr zugesehen werden.
Beim Gewässerentwicklungskonzept stehen Renaturierungen des Brand- und Ebersbachs im Vordergrund. Ein Interesse ist es auch, in deren Umfeld Entwicklungsgebiete zum Aufbau geeigneter Feuchtflächen zu finden, um Ersatz für Biotope zu schaffen, die der gewachsene Markt wie am Brandbach mittlerweile umklammert und wohin ggf. wertvolle Populationen übersiedelt werden könnten. Auf gemeindeeigenen Flächen, etwa am Gries, wären neue Feuchtflächen möglich.
Der Erhalt des noch intakten Feuchtbiotops "Neuntagwerk" am Brandbach muss zunächst bis auf weiteres sichergestellt werden. Auch die Höhere Naturschutzbehörde in Bayreuth hat hierauf ein wachsames Auge geworfen, und die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt spricht vom höchstwertigen Biotop im gesamten Umfeld - zumal noch heute die Amphibien-Leitart Knoblauchkröte anzutreffen ist.
Immer wieder wird allerdings darauf gedrängt, das Gebiet für Baumaßnahmen freizumachen. Die Verpflichtung, das ca. 8.400 m2 große Feuchtbiotop bereits im Zuge des nahe liegenden Gewerbegebietes “Zu den Heuwiesen“ an anderer Stelle zu ersetzen, wurde von der Kommune mit die Natur belastenden Schachzügen aber bislang ausgesetzt. Eine erfolgreiche Verlagerung solch spezieller Arten, wie der Knoblauchkröte, erfordert aufwändige, sensible Maßnahmen. Erst wenn diese nachweislich gelungen ist, kann weitergeplant werden.
Den daraus resultierenden Wartezeiten überdrüssig haben Grundstückseigner, so etwa die Kirchenstiftung, unlängst Rodungen von Buschwerk und andere sogar illegale Verfüllungen vorgenommen, was lobenswerter Weise von Naturschutzbehörde und Markt umgehend gestoppt wurde.
"Es ist ein bedeutsames Vorhaben mit dem Baustein ’Feuchtkomplex am Brandbach’ die Biodiversität hier vor Ort in Neunkirchen abzusichern und wieder ausbauen, wobei die Qualität des Naturlebensraums durch die Leitamphibie Knoblauchkröte angezeigt wird“, so Tom Konopka.
Der Bund Naturschutz lobte den erklärten Willen des Marktes, das Problem zu lösen. "Es gibt ein ’Bündnis zum Flächensparen der Staatsregierung’ und die Kommunen sind nach Gesetz oder auch nach Artikel 141 der Bayerischen Verfassung verpflichtet, die Natur zu schützen. Somit dürften, selbst bei aller Kommerzialisierung, Appelle, um Wege zu finden, geeignete Flächen verfügbar zu machen, nicht verhallen. Hier schlummert auch über ein Ökokonto eine Chance für Neunkirchen, ein intaktes Naturumfeld zu schaffen. Das erfordert natürlich ein Zusammenwirken aber auch ein Erreichen der Herzen aller Beteiligten, nicht zuletzt von Grundstückseigner und Landwirten“, so Ulrich Buchholz.
Situation in Bayern
Trotz der am 1.4.2008 beschlossenen „Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Bayern“ der Bayerischen Staatsregierung geht das Artensterben weiter. Wirksame Maßnahmen bleiben aus, weil die konkrete Politik und die Mittelbereitstellung in Bayern im Gegensatz zur Beschlusslage stehen. So macht der staatliche Mitteleinsatz im Naturschutz mit 40 Mio. €/Jahr gerade mal 1,2 % der Ausgaben aus, die öffentliche Haushalte in Bayern für den Agrarsektor (ca. 3,4 Mrd. €) ausgeben.
Trotz zahlreicher regionaler Erfolge – insbesondere auch Dank des ehrenamtlichen Einsatzes der Arten- und Biotopschützer im BN – und der Rückkehr prominenter Arten wie Biber, Luchs oder Großvogelarten konnte der landesweite Rückgang der Mehrheit der Arten nicht gestoppt werden. Nach wie vor gehen wertvolle, teils unersetzliche Lebensräume verloren, setzen sich Habitat-Fragmentierung und Isolation von Vorkommen fort.
Die Biodiversität ist auch durch den Klimawandel bedroht. Bereits jetzt ist eine klimabedingte Verarmung des Artenspektrums zu verzeichnen. Aus diesem Grund müssen Klimaschutzmaßnahmen und die Förderung von Energieeinsparung, Energieeffizienz und naturverträglichen erneuerbaren Energien auf allen Ebenen konsequent umgesetzt und gefördert werden.
Internationales Jahr der Biodiversität 2010
Die UNO-Generalversammlung hat 2010 zum Internationalen Jahr der Biodiversität erklärt.
Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens. Die Vielfalt des Lebens lässt sich auf drei Ebenen beschreiben: Vielfalt der Ökosysteme (Lebensräume wie Wasser, Wald), Vielfalt der Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen), Vielfalt der Gene (Rassen oder Sorten von wildlebenden und genutzten Arten).
Bundeskanzlerin Merkel zum Internationalen Jahr der Biodiversität
„Die Frage der Erhaltung der biologischen Vielfalt hat dieselbe Dimension und Bedeutung wie die Frage des Klimaschutzes. ... Wir brauchen eine Trendwende. ... Wir brauchen sie jetzt - unmittelbar und nicht irgendwann.“ so die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede zum Auftakt des internationalen Jahrs der biologischen Vielfalt am 11.01.2010.
Für Rückfragen:
Bernhard Birnfeld, Vorsitzender BN- Ortsgruppe Neunkirchen a. Brand,
Fon 09134 5934, Mail: birnfeld-neunkirchen(at)t-online.de
Heinrich Kattenbeck, 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Forchheim,
Fon 09191 94 727, Mail: Heinrich.Kattenbeck(at)t-online.de
Tom Konopka, BN-Regionalreferent für Oberfranken, Fon 0911/81878-14,
Fax 0911/869568, Mail: tom.konopka(at)bund-naturschutz.de