Energiewende muss auch im Verkehrssektor umgesetzt werden
Um die Ziele der beschlossenen Energiewende zu erreichen, müssen neben Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien auch beim Verkehr die Vermeidung, Verlagerung und die (technische) Verbesserung konsequent vorangebracht werden. Jede eingesparte Kilowattstunde Energie und jeder Liter Benzin, der nicht verbrannt wird, trägt zu einer positiven Gesamtbilanz bei.
Statt dem geplanten Maximalausbau der A 8 zwischen Rosenheim und der Landesgrenze (6+2) könnte durch eine maßvolle Verbesserung mit nur 4 Fahrstreifen, Standspuren und Tempolimit (4+2) dazu ein wichtiger Beitrag geleistet werden. Für eine zukunftsfähige Entwicklung des Straßenverkehrs hätte diese, zur Verkehrsbewältigung ausreichende Lösung auch eine beispielhafte Signalfunktion, weit über den südostbayerischen Raum hinaus.
„Wir kritisieren deshalb, dass für die vom BN und mehreren Bürgerinitiativen vorgeschlagene 4+2-Variante im Rahmen des Planungsdialogs keine genauere Bewertung erfolgte. Sie wurde bereits bei der 2. Arbeitsgruppensitzung per Abstimmung ausgeschlossen, so dass ein Vergleich mit den detailliert untersuchten 6+2 Varianten nicht möglich ist“, erklärte der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner. „Der BN fordert daher ein Moratorium für den Ausbau der A 8 Ost und während dieser Unterbrechung die Prüfung der Auswirkungen und Kosten einer 4+2-Variante um eine objektive Abwägung zu ermöglichen. Dabei ist der im Planungsdialog erarbeitete Kriterienkatalog anzuwenden und ein optimaler Lärmschutz einzuberechnen. Diese Untersuchung muss dann ebenfalls in die Vorlage für das Bundesverkehrsministerium aufgenommen werden“, so Mergner.
Nach insgesamt neun Sitzungen wurde im März 2011 der im Sommer 2009 begonnene Planungsdialog zum Ausbau der A 8 zwischen Rosenheim und Landesgrenze abgeschlossen. Der BN war in den drei Landkreisarbeitsgruppen durch die jeweiligen Vorsitzenden seiner Kreisgruppen vertreten. Geleitet wurden sie von der Autobahndirektion. Die weiteren Teilnehmer waren die Landräte, die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden, Kommunalbeamte sowie Vertreter weiterer Verbände und der Bürgerinitiativen.
Grundsätzlich ist ein Dialogprozess zur Beteiligung der Öffentlichkeit vor der Durchführung der offiziellen Verfahren für ein größeres Eingriffsprojekt auch aus der Sicht des BN positiv zu bewerten. Voraussetzung dafür ist jedoch die Festlegung entsprechender Rahmenbedingungen um eine ergebnisoffene, faire Diskussion und Prüfung zu ermöglichen. Dies war im vorliegenden Fall leider nicht gegeben, sind sich Ernst Böckler und Peter Kasperczyk (Kreisgruppe Rosenheim), sowie Beate Rutkowski (Kreisgruppe Traunstein) und Rita Poser (Kreisgruppe Berchtesgadener Land) in ihrer Bewertung einig. „Unsere sogar mit gutachterlicher Unterstützung vorgetragene Forderung zur Einbeziehung einer Ausbauvariante mit 4 Fahrstreifen und 2 Standspuren in den Bewertungsprozess wurde nicht entsprochen. Kategorisch abgelehnt wurde auch, eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung zur Planungsgrundlage zu machen, wobei Alpenkonvention und Biosphärenreservat im Sinne der Nachhaltigkeit nicht interessierten“, betonten die Kreisvorsitzenden.
Hauptkritikpunkte des Bund Naturschutz:
Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen war von vorneherein so ausgelegt, dass die Befürworter einer 4+2-Variante in der Minderheit waren. Die entscheidenden Abstimmungsergebnisse waren dadurch praktisch vorgegeben. Nicht akzeptabel ist auch, dass die als Moderator fungierende und an entsprechende Vorgaben gebundene Autobahndirektion Südbayern (ABD) ebenfalls stimmberechtigt war.
Eine vorbehaltlose Diskussion war nicht möglich, weil bereits bei der 2. Sitzung eine generelle Entscheidung für die 6+2-Variante gefällt wurde. Ein detaillierter Vergleich der beiden grundsätzlichen Lösungsvorschläge war somit ausgeschlossen, obwohl eine vom BN in Auftrag gegebene Untersuchung die Bewältigung des Verkehrsaufkommens auch mit einer 4+2-Variante und Tempolimit nachgewiesen hat. Bei den weiteren Sitzungen ging es dann im Wesentlichen nur noch um die Ausgestaltung des Kriterienkatalogs für die Prüfung der verschiedenen 6+2-Varianten.
Für einen fairen Dialogprozess wäre auch erforderlich, dass Verbände oder Bürgerinitiativen, vergleichbar der Autobahndirektion, externe Fachberater hinzuziehen können um ihre Vorstellungen fachlich zu untermauern und die Kosten dafür vom Vorhabensträger übernommen werden. Es kann nicht sein, dass Bürgerinitiativen und Verbände ehrenamtlich tätig sind und dann auch noch die Kosten für externen Sachverstand selbst finanzieren müssen, während die ABD allein auf Kosten der Steuerzahler über die Mittel verfügt.
Da Nutzen-Kosten-Analysen nicht Gegenstand des Planungsdialogs waren, entstand bei den Kommunalpolitikern der Eindruck, dass bei einem 6+2-Ausbau auch Maßnahmen finanziert werden könnten die weit über die gesetzlichen Lärmschutzvorgaben hinausgehen (z.B. Tunnel, Einhausungen, Galerien, Tieferlegungen). Fakt ist aber, dass sich die Bürger auch an neuen oder mit zusätzlichen Fahrstreifen erweiterten Autobahnen (A 73/Lichtenfels oder A8-West/Augsburg) über die massive Zunahme der Lärmbelastung beklagen. Ursache sind die hohen Fahrgeschwindigkeiten, die bei der Lärmberechnung nicht berücksichtigt werden.
Abzulehnen ist auch die Durchsetzung einer neuen Trassenführung von Anger über Piding zur Landesgrenze bei Bad Reichenhall. Obwohl der Gemeinderat von Anger einstimmig gegen die Trassenverlegung gestimmt hat, auch die Stadt Bad Reichenhall die sog. Nordumfahrung ablehnt und nur der Pidinger Gemeinderat mit 8:12 Stimmen dafür votierte, wird das als große Zustimmung für die neue Trasse gewertet und diese Variante auch von Bundesverkehrsminister Ramsauer bevorzugt. Wegen des großen Flächenbedarfs sind mehrere Landwirte in ihrer Existenz bedroht, aber das wurde nicht berücksichtigt, sondern auf das Planfeststellungsverfahren verschoben.
Aus den genannten Gründen akzeptiert der BN das Ergebnis des Planungsdialogs nicht. Der Abschlussbericht, der auch der Presse zuging, erweckt dagegen den Eindruck, als ob sich die Dialogteilnehmer über den 6-streifigen Ausbau einig wären und dieser Ausbau endgültig beschlossen sei. Das ist jedoch nicht der Fall.
So ist der Abschnitt östlich des Chiemsees nach wie vor nur im weiteren Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Eine konkrete Planung für diese Strecke wäre aber erst möglich wenn gemäß § 6 Fernstraßenausbaugesetz ein unvorhergesehener Bedarf nachgewiesen wird. Nach den vorliegenden Informationen ist dies bisher aber nicht erfolgt.
Bewertung und Forderungen des Bund Naturschutz
Nach Ansicht des BN diente der Planungsdialog vor allem dem Ziel, eine von vorne herein feststehende Maßnahme durch ein Abstimmungsergebnis zu untermauern und den Anschein einer Öffentlichkeitsbeteiligung zu erwecken. Ein echter Dialog hätte aber nur stattfinden können, wenn die zur Debatte stehenden Ausbauvarianten-Vorschläge aller Dialogteilnehmer hinsichtlich der Kosten, des Flächenverbrauches, der Umweltauswirkungen und des Verkehrsflusses berechnet und miteinander verglichen worden wären.
Angesichts dieser Defizite und der Notwendigkeit auch im Verkehrssektor alle Potentiale zur Energieeinsparung und Verringerung der Kohlendioxidemissionen auszuschöpfen, fordert der BN ein Moratorium für die derzeitigen Ausbauplanungen der A 8-Ost. Stattdessen ist für die Gesamtstrecke eine 4+2-Lösung auf der Grundlage eines generellen Tempolimits zu untersuchen und inklusive einer Nutzen-Kosten-Analyse mit den 6+2-Varianten vergleichend zu bewerten und dem Bundesverkehrsministerium vorzulegen. Erst auf dieser Basis kann dann über den Ausbaustandard entschieden werden.
Der BN ist jedoch grundsätzlich der Auffassung, dass das Leitbild für die künftige Entwicklung der A 8 im Chiemgau die bereist vor Jahren mit 4 Fahrstreifen und Standspuren ausgebaute Strecke südlich des Chiemsees sein muss. Hier ist vorerst kein weiterer Ausbau geplant und wegen der schwierigen Bodenverhältnisse und der naturschutzfachlichen Hochwertigkeit des Raums auch nicht möglich. Für die westlich und östlich anschließenden Bereiche sollte man sich daran orientieren und die A 8 inklusive einen optimalen Lärmschutz so schnell wie möglich entsprechend verbessern.
Als positive Effekte einer 4+2-Lösung mit Tempolimit sind zu erwarten:
- Besserer Verkehrsfluss bei gleichzeitig erhöhtem Fahrzeugdurchsatz.
- Verbesserung der Verkehrssicherheit.
- Erhebliche Verminderung der Lärmbelastung, insbesondere für höher gelegene Gebiete.
- Erhebliche Kosteneinsparung und dadurch mehr Geld für den aktiven Lärmschutz.
- Reduzierung der Unterhaltskosten.
- Verminderung der Abgasbelastung.
- Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und klimaschädlicher CO2-Emissionen.
- Deutlich geringerer Flächenverbrauch.
- Keine Neuzerschneidung von Landschaft und Existenzbedrohung von Landwirten.
- Deutlich weniger Landschaftseingriffe und Heimatzerstörung.
Für Rückfragen:
Kurt Schmid
Regionalreferent
Tel. 089/548298-88
kurt.schmid@bund-naturschutz.de