Lebensmittel: Näher ist besser für Bauern, Verbraucher und Umwelt
Drei Viertel der Lebensmittel eines deutschen Verbrauchers können theoretisch aus der jeweiligen Region im Umkreis von 100 km stammen. Noch vor fünfzig Jahren war das die Regel. Heute liegt der Anteil im Schnitt deutlich unter 5 Prozent. Die aus den weiten Lebensmitteltransporten resultierenden Belastungen für die Umwelt und die Schadenskosten trägt die Gesellschaft. Neben Treibhausgasen verursachen weite Transportwege Lärm und einen hohen Flächenverbrauch für Verkehrswege und schädigen über Abgase und Feinstaub die Gesundheit.
„Der Klimaschutz und die nachvollziehbare Herkunft der Lebensmittel bleiben auf der Strecke, wenn Waren kreuz und quer durch Europa befördert werden“, so Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern. Für Unternehmen ist es betriebswirtschaftlich oft günstiger, weite Transporte zu Standorten mit geringen Arbeitskosten zu tätigen, und in großen Einheiten billiger zu produzieren. Großunternehmen wie das Fleischunternehmen VION schließen regionale Schlachthöfe, um sich Kosten zu sparen, die Allgemeinheit trägt die Folgekosten der längeren Transportwege. „Werden regionale Verarbeitungsstandorte von Firmen geschlossen, wie aktuell z.B. der Schlachthof in Würzburg, der am 30.April seine Tore zusperrte, sei das auch das Ende für kurze Wege für Tiere und bringt das regionale Metzgerhandwerk in weitere Abhängigkeiten“, so Weiger weiter, und: „Die Verbraucher bekommen das an der Ladentheke oft gar nicht mit“. Eine Zahl aus Großbritannien zeigt den „Irrsinn mit Methode“: Dort wurden beispielsweise im Jahr 2000 ca.200.000 Tonnen Schweinefleisch exportiert und gleichzeitig 250.000 Tonnen vom selben Produkt importiert. In Bayern wurden 2007 Güter der Land- und Ernährungswirtschaft im Wert von 6,55 Milliarden Euro ausgeführt und Ware im Wert von 6,1 Milliarden Euro eingeführt.
Es geht auch anders, wie Dr. Martin Demmeler vom Projektbüro mareg in Augsburg in seiner aktuellen Studie zeigt. In seiner Doktorarbeit an der TU München hat Demmeler regionale Vermarktungsstrukturen untersucht. Er hat herausgefunden, dass der Klimaschutz der kurzen Wege ein großes und unausgeschöpftes Potenzial hat – jedoch in einigen Beispielen in der Praxis bereits sehr gut funktioniert: Etwa beim „Von Hier“- Regionalvermarktungsprojekt der Firma Feneberg im Allgäu. Dass sich regionales Engagement auch wirtschaftlich bezahlt macht, kann Hannes Feneberg für das Von Hier- Projekt bestätigen: „Der Jahresumsatz mit „von Hier“ regionalen Lebensmitteln liegt derzeit bei 15,8 Millionen Euro.“ Und Firmeninhaber Feneberg fügt hinzu:
„Unsere Wachstumsraten im regionalen Segment liegen bei jährlich über 20 Prozent.“
Auch verschiedene Regionalinitiativen, die im Bundesverband der Regionalbewegung zusammenarbeiten, haben ein regionales Lebensmittelangebot aufgebaut. Federführend in Bayern sind die Regionalvermarktungsinitiativen „Unser Land“ und „Tagwerk“ im Umkreis von München, sowie die Regionaltheken im Raum Mittelfranken.
Demmeler fasst sein Ergebnis zusammen: „Greifen die Verbraucher konsequent zu Lebensmitteln aus der regionalen Vermarktungsschiene, lassen sich die aus den Transporten entstehenden Belastungen um bis zu zwei Drittel senken“. Das heißt, neben einem verringerten CO2-Ausstoss auch weniger Lärm, weniger Abgase, weniger Flächenversiegelung. Weitere Vorteile liegen auf der Hand: „Verbraucher können gezielt mit ihrem Einkaufsverhalten die Wirtschaftskraft in der Region stärken und zum Erhalt bäuerlicher Betriebe und eines eigenständigen Handwerks beitragen“, erläutert Demmeler.
Unnötige Transporte lassen sich einsparen
Ein Großteil unserer Lebensmittel hat bereits eine weite Reise quer durch Europa oder den ganzen Globus hinter sich, bevor Sie auf unserem Teller landen. Das bleibt nicht ohne Folgen: Ökobilanzen offenbaren Belastungen für die Umwelt und das Klima. Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist dramatisch: Im Zeitraum von nur fünf Jahren haben in Deutschland die Transporte von Lebens- und Futtermitteln um 30% zugenommen, der grenzüberschreitende Verkehr ist um 40% gestiegen und der Transitverkehr hat sich nahezu verdoppelt.
Die Variante Lebensmittel aus der Region verursacht um ein Vielfaches weniger Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen. Wenn ein Verbraucher ein Kilo luftverfrachteten argentinischen Spargel kauft, belastet er sein Klimakonto mit knapp 17 Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalent. Entscheidet er sich für spanischen Spargel, der mit LKW geliefert wurde, reduziert sich die Belastung auf knapp 400 Gramm. Noch positiver fällt die Klimabilanz für das regionale Pendant aus, das lediglich mit 60 Gramm Kohlendioxid-Äquivalent pro Kilogramm Spargel zu Buche schlägt. Die Belastung der argentinischen Variante mit dem Flugzeug transportiert, fällt demzufolge 280 Mal höher aus als bei dem regionalen Produkt. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Äpfel oder Rindfleisch.
Treibhausgasemissionen in Abhängigkeit von Transportentfernung und Transportmittel (Bezug München, g CO2-Äquivalente/kg Lebensmittel)
Quelle: Demmeler, M. (2009): Klimaschutz auf kurzen Wegen. Welchen Beitrag leisten regionale Lebensmittel für Umwelt und Verbraucher. Informationsbroschüre.
Umweltfolgekosten soll der Verursacher tragen
Der Aufbau regionaler Vermarktungsstrukturen ist mühsam und benötigt überdurchschnittliches und häufig ehrenamtliches Engagement, wie auch Marianne Wagner von der Regionalinitiative Unser Land bestätigt.
Würde es gelingen, für die Umweltfolgekosten die Verursacher in die Pflicht zu nehmen, und in den Produktpreis einzurechnen, dann würden umwelt- und sozialverträglichere Produkte an Konkurrenzkraft gewinnen, da sie mit geringerer Steuerlast produziert werden könnten. Die Folgekosten der Lebensmittel- und Futtermitteltransporte in Deutschland belaufen sich nach Berechnungen der EU nach Angaben von Demmeler auf jährlich mehr als zehn Milliarden Euro.
BN Forderungen
Der Bund Naturschutz fordert von der Bayerischen Staatsregierung und dem
Lebensmittelhandel einen Politikwechsel und die Förderung regionaler
Vermarktungskonzepte. Die Bewusstseinsbildung bei den Verbrauchern für regionale
Wirtschaftszusammenhänge muss weit stärker als bisher ausgebaut werden.
Der BN fordert daher:
- Klare Kennzeichnung für regionale Herkünfte
- Verursacherhaftung für Umweltschäden durch Transporte durch höhere LKW-Maut auf allen Straßen
- Stärkere Förderung für Regionalinitiativen, wie z.B. den Bundesverband der Regionalbewegung und Errichtung von Kompetenzzentren für Regionalvermarktung
- Marktförderungen auch für Kleininvestitionen
- Keine Überregulierung von EU Hygienestandards in Bayern, wie derzeit im Fleischverarbeitungssektor praktiziert (siehe BN PM Nr. 36 vom 24.3.09).
- Staatliche und firmenbezogene Verbraucheraufklärung für regionale und saisonale Lebensmittel
Für Rückfragen:
Marion Ruppaner, e-mail: marion.ruppaner@bund-naturschutz.de,
Telefon: 0911 8187820
Dr. Martin Demmeler, Projektbüro mareg – Markt+Region
e-mail: demmeler@markt-region.de; Tel. 089-890 668-89 bzw. 0821-4481565
Die Studie
Sie wollen mehr über die Herkunft Ihrer Lebensmittel und Klimaschutz erfahren? Zum Thema gibt es beim Landwirtschaftsreferat eine umfassende Broschüre, und auf Wusch auch die Doktorarbeit von Herrn Demmeler