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Neuplanung der Stromtrassen erfordert neues Energiekonzept für Deutschland und Bayern

BUND Naturschutz: dezentrale Stromerzeugung, Stromeinsparung und Windenergie sind kostengünstiger und umweltfreundlicher

23.10.2014

"Die Bayerische Staatsregierung setzt auf die zentralen Stromsysteme der großen Energieversorger, mit zwingender Direktvermarktung und Ausschreibungsmodellen im Erneuerbare-Energien-Gesetz und bremst damit die Bürgerenergie in Bayern aus. Zugleich macht Ministerpräsident Seehofer den Ausbau der Erneuerbaren Energie "Wind" in Bayern mit einer "10H" Abstandsregelung fast unmöglich. Ministerpräsident Seehofer lehnt neue Stromleitungen ab, ohne aber ein neues Energiekonzept im Einklang mit dem Klimaschutz vorzulegen. "Nur dann würde auch ein neuer Energiedialog in Bayern einen Sinn ergeben", stellt Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern, klar. "Es wurde lange genug erörtert, nun müssen endlich konkrete Programme gestartet werden".

"Das Programm des BUND Naturschutz ist die konkrete Alternative zum überzogenen Netzausbau mit neuen Fernleitungen. Auszubauen sind die regionalen Stromnetze und ihre Regelbarkeit. Gegenüber den überzogenen Großprojekten einer zentralistischen und ineffizienten Stromwirtschaft ist die dezentrale Energiewende vor Ort in Bürgerhand die bessere Alternative. Die Frage der Stromtrassen kann nicht mit einem "Dialog" gelöst und dann doch nochmals aufgeschoben werden, sondern nur mit konkreten Maßnahmen vor Ort für Stromeinsparung, Stromerzeugung mit dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung und Windenergie aus den Regionen Bayerns", so Weiger weiter.

Ausgangspunkt ist: Die Bayerische Staatsregierung hatte im Sommer 2013 der Stromnetzplanung des Bundes mit den Gleichstromleitungen Süd-Ost und Südlink zugestimmt. Heute lehnt Ministerpräsident Horst Seehofer diese ab. Nun startete Staatsministerin Aigner einen neuen "Energiedialog". Mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel wurde hingegen eine "Denkpause" ausgehandelt. Diese Verwirrung ist zugleich jedoch auch eine Chance.

Der BUND Naturschutz stellte dazu seine Kern-Forderungen zu einer Neuplanung Stromnetzausbau und Energiekonzept vor. Mit einem auf dezentrale Erzeugung ausgerichteten Energiekonzept kann der Leitungsausbau deutlich reduziert werden. Verbunden mit Kostenvorteilen, Naturschutz und Klimaschutz.

1.Die Stromnetzplanung ist bundesweit grundlegend neu zu überarbeiten. Denn bisher wurden dezentrale Alternativen, Stromeinsparung und weitere technische Konzepte nicht berücksichtigt. Der BUND fordert hierzu eine Strategische Umweltprüfung und hat im Jahr 2013 daher eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt. Ohne eine solche Einbeziehung von Alternativen stehen sämtliche Leitungsplanungen vor dem Risiko durch juristische Schritte gestoppt zu werden. Der BUND Naturschutz kann nur einen Leitungsbau akzeptieren, der tatsächlich der Energiewende dient und für diese auch erforderlich ist. Der erforderliche Leitungsausbau kann deutlich geringer ausfallen, wenn folgende Maßnahmen berücksichtigt werden:

  • a. Einsparung von Strom. Mit Stromeinsparung von 30 Prozent könnte der Neubau von Leitungen um über die Hälfte reduziert werden. Der aktuell geplante Netzausbau dient somit der weiteren Energieverschwendung.
  • b. Kappung von Einspeisespitzen. Kappen von 30 Prozent der Leistung in Spitzenzeiten (Wind-, Solarstrom) würde nur zu einer Minderung der eingespeisten Strommenge von 1 bis 2 Prozent führen. Der Netzausbau sinkt damit deutlich. Der Schutz von Natur und Landschaft muss hier Vorrang haben in einer volkswirtschaftlichen Gesamtschau.
  • c. Der Einsatz von Hochtemperaturseilen bietet doppelt so viel Strom auf einer Leitung. Das Prinzip "Netzoptimierung vor Ausbau" (NOVA) könnte zu einer Minderung des geplanten Netzausbaus um ein Viertel führen (2000 von 8000 km) (Studie im Auftrag von Agora Energiewende)
  • d. Bessere regionale Verteilung der Stromerzeugung. Mehr Strom aus Windenergie im Süden und mehr Sonnen-Strom im Norden Deutschlands werden den Netzausbau deutlich reduzieren können. Anstelle weiter vor allem auf Offshore-Windkraft zu setzen, sollte mehr Windenergie im Süden Deutschlands ausgebaut werden, vor allem auch in Bayern. Das spart Leitungen und Verluste und stärkt die regionale Wirtschaft. Die unsinnige "10H" Abstandsregelung arbeitet daher für den Leitungsausbau!
  • e. Förderung der Eigenerzeugung von Strom. Durch die aktuelle Gesetzeslage im Erneuerbare-Energien-Gesetz werden heute Haushalte, Krankenhäuser oder Gewerbebetriebe für ihre Eigenerzeugung und Netzentlastung durch KWK-Anlagen und PV-Anlagen finanziell durch die EEG-Umlage bestraft. Eigenstromverbrauch von Kohle- und Atomkraftwerken ist hingegen hiervon befreit.
  • f. Neues Strommarktmodell. Das Marktmodell auf dem die aktuelle Netzplanung beruht führt zu einem Vorrang von Kohlestrom, also dem Strom mit den höchsten Umweltschäden (ca. 42 Milliarden Euro Umwelt- und Gesundheitsschäden pro Jahr). Das Klimaschutzziel kann so nicht eingehalten werden. Gesetzlich haben aber Strom aus Wind und Sonne und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen Vorrang. Dies führt zu einem überdimensionierten Stromnetzausbau. Das neue Modell muss den "Ökostrom" wieder den Stromvertrieben zuweisen, die dessen Schwankungen regional ausgleichen (zum Beispiel Modell Dänemark). Ökostrommarktmodelle, die genau diese Integration mit Lieferung von 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bieten, müssen unterstützt und ausgebaut werden.

2. Neue Energiekonzepte und deren rasche Umsetzung in konkrete Energieprogramme sind nun gefordert - in Bayern und in Deutschland. Auf Bundesebene stehen vielfältige Gesetzesänderungen für mehr Energieeffizienz und den Ausbau der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung an. Bayern sollte hier nicht warten und bremsen, sondern muss mit gutem Beispiel vorangehen:

  • a. Umsetzung des 12-Punkte-Maßnahmenkatalogs Stromsparen von 2012 des damaligen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit durch das heute zuständige Staatsministerium für Wirtschaft. Umsetzung in den Haushalten und Hebung der immensen Potenziale im gewerblichen und industriellen Bereich: mittelfristig 20 Prozent weniger Strom, das heißt minus 17 Milliarden Kilowattstunden Strom bis 2020.
  • b. Erstellen und Umsetzen eines bayerischen Programms Windstrom, Streichung der unsinnigen "10H-Regelung" und zielstrebiger Ausbau der Windenergie auf Basis fachlich fundierter Regionalplanung. Ziel: 2500 neue Windkraftanlagen in Bayern. Hierfür ist nur 1 Prozent der Landesfläche Bayerns für Vorranggebiete für Windparks erforderlich. Dies könnte bis zu 17 Milliarden Kilowattstunden Strom liefern, entsprechend ca. 20 Prozent des heutigen Verbrauchs.
  • c. Ein bayerisches Programm für dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen mit 10.000 Blockheizkraftwerken. Die Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen müssen mit Wärmespeichern ausgestattet werden und müssen Strom-geführt zur Unterstützung von Wind- und Sonnenstrom betrieben werden. Wenn Sonne und Wind keinen Strom liefern, dann liefern Blockheizkraftwerke. Dies erhöht die Versorgungssicherheit. Der Mehrverbrauch von Erdgas kann kurzfristig durch Programme der energetischen Sanierung von Gebäuden und Heizungsanlagen mehr als kompensiert werden. Langfristig kann Erdgas aus Strom aus Erneuerbaren Energie über den "Windgas" Prozess geliefert werden.

"Im Unterschied zum inkonsistenten Konzept der bayerischen Staatsregierung, das Autarkie predigt, aber keine Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Einsparung von Strom unternimmt und den Erneuerbaren-Energien-Strom aus Bayern ausgrenzen will, bietet das Konzept des BUND Naturschutz reale Perspektiven. Es ist machbar und rasch umsetzbar. Es bietet kostengünstige Stromerzeugung und Kostensenkung durch Stromeinsparung. Die Kohlendioxid-Emissionen werden wirksam reduziert, zum Beispiel im Bereich Strom um ca. 50 Prozent. Auch der bislang vernachlässigte Bereich der Wärme wird in die Energiewende mit der Kraft-Wärme-Kopplung einbezogen. Und die regionale Wirtschaft wird gestärkt - die erforderlichen Projekte können gut von Stadtwerken und Bürgergenossenschaften umgesetzt werden", so Dr. Herbert Barthel, Referat für Energie und Klimaschutz beim BUND Naturschutz in Bayern.

Für Rückfragen:
Dr. Herbert Barthel Referent für Energie und Klimaschutz
Tel: 0151-50489963
herbert.barthel@bund-naturschutz.de