Paar: Zähes Ringen um das Wasser und die Aue
In den siebziger Jahren galt die untere Paar als eines der am stärksten verschmutzten Gewässer in ganz Oberbayern. Wie das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt damals feststellte, führte sie durch die Einleitungen der Papierfabrik Schrobenhausen fäulnisfähige Bestandteile mit sich. Heute ist der Zustand des Flüsschens wesentlich besser. Es wurde renaturiert und gilt über weite Strecken als naturnah, auch wenn das Paartal unter hohem Flächenverbrauch vor allem für Industriebauten ächzt.
Die Paar wird bei der Aufzählung der Nebenflüsse der Donau normalerweise übergangen, denn mit den Wassermengen von Iller, Lech, Isar und Inn kann sie bei Weitem nicht mithalten. Aber immerhin durchquert sie auf ihrem 134 km langen Lauf von Schloss Kaltenberg am Ammersee bis zu ihrer Mündung bei Vohburg fünf Landkreise – von Landsberg/Lech über Aichach-Friedberg und Neuburg-Schrobenhausen bis Pfaffenhofen an der Ilm. Und kurz vor der Mündung durchfließt sie auch noch für wenige Kilometer den südlichsten Zipfel des Landkreises Eichstätt.
Der dreckigste Fluss in ganz Oberbayern
Und sie beschäftigt den BN und vor allem seine Ortsgruppe Schrobenhausen schon seit Jahrzehnten. Anfänglich ging es dabei vor allem um die Wasserqualität, die in früheren Jahrzehnten katastrophal war. Sowohl die Papierfabrik Schrobenhausen als auch örtliche Brauereien und andere Betriebe leiteten bis in die achtziger Jahre ihre Abwässer ungeklärt in die Paar ein, was nicht nur zu einer völligen Hypertrophierung führte, sondern in unregelmäßigen Abständen auch zu Fischsterben – von den unsichtbaren Katastrophen unter Wasser ganz abgesehen, wie sterbenden Kleinlebewesen und zerstörten Laichplätzen.
Doch zumindest gelang es zu verhindern, dass der Unterlauf der Paar, wie ursprünglich geplant, zwangsbegradigt wurde, um den ganzen Dreck möglichst rasch in die Donau zu spülen. Stattdessen nahm das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt mit Rückendeckung des BN einen für die damalige Zeit mustergültigen naturnahen Wasserbau vor: Man erhielt die vielen Mäander, Schleifen und Verzweigungen und sorgte nur für eine bessere Durchgängigkeit des Flusses, der wegen der vielen Einträge zur Verschlammung und damit zu schnell ausufernden Hochwässern neigte.
Diesen naturnahen Flussbau zwischen Schrobenhausen und Hohenwarth wollte man auch der Politik und Öffentlichkeit vorführen, und zwar mittels einer Schlauchbootfahrt, die der BN im Sommer 1971 gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt veranstaltete. Leider gingen dabei mehrere Teilnehmer unfreiwillig baden: Eines der Schlauchboote verfing sich im üppigen Ufergestrüpp, richtete sich auf und entledigte sich kurzerhand einiger Mitfahrer.
Unfreiwillige Demonstration der schlechten Wasserqualität
Die unfreiwilligen Badegäste büßten dabei nicht nur Brillen, Schlüssel und Kleidungsstücke ein, sie bekamen die miserable Wasserqualität der Paar am eigenen Leib zu spüren. Schwimmend und im tiefen Schlamm watend mussten sie sich durch die stinkende Brühe ans versumpfte Ufer kämpfen, wo Schilf, Gestrüpp und Brennnesselwiesen von ungeahntem Ausmaß auf sie warteten. "Noch Stunden nach der Wässerung verspürten sie ein Hautbrennen wie nach einer Verätzung", berichtet die N+U in Heft 3/1971 beeindruckt.
Für den damaligen Leiter des Ingolstädter Wasserwirtschaftsamt Hermann Trier, der sich mit großem Engagement für einen naturnahen Wasserbau einsetzte, war das keine Überraschung; das war leider typisch für die Paar: "Sie ist vor allem durch die Einleitung der Sulfit-Zellstoffablaugen der Papierfabrik Schrobenhausen sehr stark verschmutzt und überdüngt. Die Folge: Üppige Weiden-Brennnesselflora, das Flussbett wächst zu, das Paartal versumpft und die Hochwässer häufen sich."
Dennoch war es dem hochangesehenen Hermann Trier ausgesprochen peinlich, was für eine Brühe da durch sein Vorzeigeprojekt floss, das er 1966 begonnen und 1971 mit Kosten von rund 1 Million DM für acht Kilometer Flussstrecke abgeschlossen hatte. Doch zumindest der alte Flussverlauf war gerettet: "Kaum eine der landschaftlich so reizvollen Mäanderwindungen wurde begradigt", berichtete er stolz.
Auch ansonsten war Erich Seydel, der Autor des N+U-Berichts, angetan von dem, was er sah: "Verwirklicht wurde auch eine alte Forderung der Naturschützer, die Uferstreifen asymmetrisch zu bepflanzen, also Gehölze an den Außenkurven des Flusses, die Röhrichte an der Innenseite, die Schutzpflanzungen dabei möglichst nahe ans Wasser heruntergezogen. Bei Mittelwasser sind die Steine der Uferbefestigung kaum noch zu sehen."
Höhere Wasserqualität, aber viel zu wenig Wasser
Seit 1974 ging es auch mit der Wasserqualität bergauf: Da traten endlich Auflagen für die Papierfabrik in Kraft und zwangen sie, ihr Abwasser zu reinigen, bevor sie es in das Flüsschen einleitete. In dieser Zeit vollzog die Papierfabrik auch den Schwenk zum Recycling: Altpapier ersetzte nun die Zellulose als Rohstoff.
Völlig zufrieden ist Brigitte Streber, die langjährige Vorsitzende der BN-Ortsgruppe Schrobenhausen (Stand 2024), dennoch nicht mit dem Umweltverhalten der LEIPA Papierfabrik. Auf ihrer Website rühmt sich die Firma, die ihren Hauptsitz inzwischen in der Uckermark hat, zwar des sparsamen Umgangs mit Wasser: "Die LEIPA reduziert an allen Standorten den Frischwasserverbrauch so maximal wie möglich. Dazu wird Prozesswasser in engen oder geschlossenen Wasserkreisläufen gehalten und mehrmals verwendet."
LEIPA hat sich sogar selbst auf die Qualität ihrer Abwässer verpflichtet: "Unsere Produktionsstätten in Schrobenhausen und Schwedt liegen unmittelbar in der Nähe von Schutzgebieten bzw. eines Nationalparks. Im Rahmen einer Selbstverpflichtung legen wir seit Jahrzehnten hohen Wert auf eine hohe Qualität und Reinheit des zurückgeführten Wassers."
Doch was nützt die hohe Qualität des Wassers, wenn der Fluss fast keines davon hat? Bei Hörzhausen, rund fünf Kilometer oberhalb von Schrobenhausen, wird der überwiegende Teil des Wassers der Paar von LEIPA in einen Kanal ausgeleitet und erst zwei Kilometer unterhalb der Fabrik an den Fluss zurückgegeben. Auf den sieben Kilometern dazwischen ist die Paar kein Fluss, sondern ein stehendes Gewässer, auf dem Teichrosen wachsen, ein Gewässer das zunehmend verlandet.
Rein formal mag die Firma im Recht sein, wenn sie darauf beharrt, wegen ihrer alten Verträge nicht verpflichtet zu sein, dem Fluss mehr von seinem Wasser zu überlassen, stellt Brigitte Streber fest, doch mit ihrem vollmundigen Bekenntnis zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Schutzgebiet, das die Paaraue darstellt, passt das nicht zusammen.
Deshalb fordert der BN die Firma LEIPA dazu auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Sie muss nicht nur das entnommene Wasser sauber zurückgeben, vor allem muss sie ihre Wasserentnahme so beschränken, dass die Durchgängigkeit des Flusses nicht gefährdet wird und die Paar im Bereich des Kanals mit der gleichen Fließgeschwindigkeit von Wasser durchströmt wird wie oberhalb und unterhalb der Ausleitung.
Kein Argument ist für Streber, dass der Kraftwerkskanal inzwischen nicht mehr von LEIPA selbst betrieben wird, sondern verkauft oder verpachtet wurde: "Das wäre ja noch schöner", meint sie, "wenn man sich seiner Umweltverantwortung und seiner hehren Selbstverpflichtungen einfach dadurch entledigen könnte, dass man sich von den Betriebsteilen trennt, die den Fluss und seine Aue schädigen. Was man angerichtet hat, muss man auch in Ordnung bringen."
"Rettet das Goachat!"
Aber das ist keineswegs der einzige Kampf, den die Ortsgruppe Schrobenhausen um ihre Paar führt. Seit Jahren kämpft sie gemeinsam mit der örtlichen Bürgerinitiative "Rettet das Goachat" auch darum, das sogenannte Goachat, die Flussaue oberhalb der Stadt, zu erhalten und sie vor der Durchschneidung durch eine Umgehungsstraße zu bewahren. Der ungewöhnliche Name kommt wohl von Eichen, er bedeutet, etwas unelegant ins Hochdeutsche übersetzt, "das Geeiche".
Im Jahr 2023 sind die BN-Ortsgruppe und die BI ganz zuversichtlich, was die Erfolgsaussichten ihres Kampfes betrifft, denn es spricht sich herum, dass die stadtferne Straße für den Durchgangsverkehr in der Stadt kaum eine Entlastung brächte, das beliebte Naherholungsgebiet aber völlig zerstören würde. Denn um den geltenden Vorschriften zu entsprechen, müssten die Auwälder des Flusstals mit einer gigantischen Brücke überspannt werden, was wiederum riesige Rampen für die Auf- und Abfahrt erfordern würde.
Was als Protest einer Gruppe von Oberstufenschülern des Schrobenhausener Gymnasiums in den achtziger Jahren begann, der von der BN-Ortsgruppe vom ersten Tag an nachdrücklich unterstützt wurde, hat mittlerweile nach Einschätzung von Brigitte Streber weite Teile der Öffentlichkeit und Politik überzeugt. Nur einige, die gehofft haben, ihre Grundstücke beim Bau der Umgehung vergolden zu können, machten hinter den Kulissen noch Stimmung für den verschwenderischen Straßenbau.
"Natürlich hoffen wir, dass der Stadtrat das Vorhaben endgültig aufgibt", meint Streber. "Wenn nicht, lassen wir es auch auf ein Bürgerbegehren ankommen. Die notwendigen Unterschriften haben wir in ein paar Tagen beisammen, und den Bürgerentscheid gewinnen wir auch."
Paarweise Erkundung per Rad und per pedes
Wer das Paartal und seine Aue kennenlernen will, dem steht inzwischen ein gut ausgebauter Radweg zu Verfügung, der der Paar von der Quelle bis zur Mündung folgt (https://www.radlland-bayern.de/routen/paartaltour/).
Wer sich speziell für die Gegend rund um Schrobenhausen interessiert, beginnt am besten am Ende der Hans-Sachs-Straße am südlichen Stadtrand. Dort einfach der Verlängerung dieser Straße folgen bis zu der Brücke über den Kanal – und dort einen genauen Blick hinein werfen: All dieses Wasser wurde der Paar entzogen, die mit einem kärglichen Rest auskommen muss, der gerade reicht, ihr Bett zu befeuchten.
Jenseits der Brücke können wir entweder dem Weg weiter folgen oder bei trockenem Wetter in einen Trampelpfad über die Wiesen einbiegen, der später nach links schwenkt und dort nach einer Weile auf einen Weg trifft, der uns zu der Brücke zurückführt. Dieser Trampelpfad erreicht die "Rest-Paar" nicht ganz, aber man kann aus einiger Entfernung die Teichrosen sehen, die in dem fast stehenden Wasser gedeihen.