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Riedberger Horn: Achterbahnfahrt um Alpenplan

Die Entwicklungen rund um das Riedberger Horn gleichen einem Krimi: Mitten in der höchsten Schutzzone der Alpen wollte das bayerische Kabinett den Bau einer heftig kritisierten Skischaukel ermöglichen und änderte dafür eigens den Alpenplan, das wichtigste Naturschutzinstrument in den Alpen. Ein skandalöses Vorgehen, gegen das sich der BUND Naturschutz mit aller Kraft einsetzte. Mit Erfolg: Die Skischaukel wird nicht gebaut.

Achterbahnfahrt statt Skischaukel – so muss sich mancher angesichts der Entwicklungen rund um den Ausbau des Skigebiets am Riedberger Horn im Oberallgäu fühlen. Am 30. April 2019 hat das bayerische Kabinett das Riedberger Horn wieder in die höchste Schutzzone C des Alpenplans gestuft (siehe auch Pressemitteilung). Vorausgegangen war ein politischer Skandal mit bayernweiter Bedeutung.

Die Chronologie: Am 9. November 2017 war mit den Stimmen der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag eine Reform des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP) mehrheitlich angenommen worden. Darin enthalten ist eine Änderung des Alpenplans, der den Bau eines Skigebiets am Riedberger Horn erlaubt, obwohl der Berg in der strengsten Alpen-Schutzzone C liegt. Anfang April 2018 erklärte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder jedoch den Verzicht auf die Skischaukel für mindestens zehn Jahre – ein erster Erfolg, eine Woche nachdem die Novelle des LEP in Kraft getreten war. Und im November 2018 musste die CSU in der neuen Regierungskoalition mit den Freien Wählern nachgeben: Dort wurde eine Rücknahme der Veränderungen am Alpenplan vereinbart, was BN und Landesbund für Vogelschutz e.V. (LBV) nun dazu bewogen hat, ihre Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen die Änderung des Alpenplans ruhen zu lassen.

Denn um die Skischaukel dauerhaft zu verhindern, hatten die beiden – unterstützt von einem breiten Bündnis aus Alpin- und Umweltverbänden – im Frühjahr 2018 eine Normenkontrollklage  eingelegt. Sie stützt sich unter anderem auf ein neues geologisches Gutachten von März 2018 im Auftrag des BN. Danach ist die Geologie am Riedberger Horn so labil, dass ein Ausbauvorhaben nach der internationalen Alpenkonvention nicht genehmigungsfähig wäre.

Keine Skischaukel am Riedberger Horn – dann eben mehr Kunstschnee?

Mit dem Moratorium zum Bau der Skischaukel vom April 2018 war längst nicht alles gut: Im August hatte das Landratsamt Oberallgäu für viele überraschend den Bau eines neuen Speicherbeckens zur Kunstschneeproduktion sowie die Neuerschließung des Grasgehrenkessels mit einer Sesselbahn und Pisten genehmigt.

Der Ausbau des Skigebiets Grasgehren am Riedberger Horn sollte also weitergehen, obwohl der geplante Schneiteich in einem Moor liegt. Dies stand in krassem Gegensatz zur von der Staatsregierung angekündigten Förderung des naturverträglichen Tourismus in der Region, die mithilfe eines 5-Punkte-Plans zum „Natur-Meilenstein mit enormer Strahlkraft“ – so der ehemalige Umweltminister Marcel Huber im April – ausgebaut werden sollte. Doch auch hier zeigt das Engagement des BN erste Erfolge. Es konnte ein Moratorium für den Ausbau vereinbart werden. Nun soll gemeinsam nach echten naturverträglichen Lösungen gesucht werden.

„Die Bewahrung dieses einzigartigen Naturraums ist ein großer Erfolg für Natur und Artenvielfalt und der bayerischen Naturschutzverbände, die sich jahrelang gegen den Pistenbau gewehrt haben.“
Richard Mergner, Vorsitzender des BUND Naturschutz

Rutschgefahr für das Horn

Nach dem Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention sind der Bau und die Planierung von Pisten in geologisch labilem Gelände verboten. Der BN hatte auf die hohe Rutschungsgefährdung am Riedberger Horn, für die das dortige Flyschgestein beziehungsweise eine Wechselfolge von harten und weichen Gesteinen verantwortlich ist, immer wieder hingewiesen. Fachlich untermauert wurde die Befürchtung durch ein geowissenschaftliches Gutachten. Demnach ist „nahezu der gesamte Hangbereich im Gebiet der geplanten Piste als labil im Sinne von § 14 des Bodenschutzprotokolls der Alpenkonvention zu bezeichnen“. Darüber hinaus verweisen die Experten auf zunehmende Extremwetterereignisse infolge des Klimawandels: Starke Niederschläge und länger anhaltende Nässeperioden begünstigen Hangrutschungen generell, und die Gemeinde Balderschwang gehört zu den niederschlagsreichsten Deutschlands.

Riedberger Horn: Skischaukel oder Balztanz

Die Natur am Riedberger Horn ist so intakt und vielfältig wie nur an wenigen anderen Orten in den Alpen; so hat hier zum Beispiel das vom Aussterben bedrohte Birkhuhn einen seiner letzten Rückzugsräume. Und auch für den Menschen hat das Riedberger Horn mit seiner herrlichen Natur viel zu bieten. Der Berg steht für sanften Tourismus, eine Ruhe-Oase zum Durchatmen und Wandern. Deshalb liegt der Berg in der strengsten Schutzzone der Alpen, der Schutzzone C des Alpenplans.
Doch um die beiden Skigebiete Balderschwang und Grasgehren durch eine sogenannte Skischaukel verbinden zu können, stufte die Regierung 2017 erstmals nach bald 45 Jahren eine Alpenplan-Ruhezone am Riedberger Horn herab. Konkret wurden 80 Hektar geschützter Fläche, die für den Liftbau benötigt werden, aus der Schutzzone C herausgenommen. Mit einer 304 Hektar großen Ersatzfläche, die im Gegenzug neu in die Schutzzone C aufgenommen wird, wollte die Landesregierung einen Ausgleich schaffen – und Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Doch wer Schutzgebiete immer dorthin verschiebt, wo sie gerade keinen Eingriff stören, hat den Sinn und Zweck von Schutzgebieten nicht verstanden. Naturschützer und Experten befürchteten durch dieses Vorgehen einen Präzedenzfall mit unabsehbaren Folgen für den gesamten bayerischen Alpenraum.

Die Folgen für das Riedberger Horn und seine seltenen Tiere und Pflanzen wären fatal. Als ob die Alpen nicht ohnehin schon übererschlossen wären, es nicht schon genug Massentourismus gäbe und der hiesige Skitourismus in Zeiten der Klimaerwärmung nicht vor dem Aus stünde. Die Politik mischt kräftig mit: Um die „Skischaukel“ am Riedberger Horn zu ermöglichen, hatte die Regierung eine Änderung des LEP beschlossen, die sich unter anderem negativ auf den Flächenverbrauch in Bayern auswirkt (siehe auch Flächenschutz).

Natur am Riedberger Horn und Schutz durch den Alpenplan

Das Riedberger Horn im Allgäu ist eines der ökologisch wertvollsten und zugleich labilsten Gebiete des bayerischen Alpenraums. Es beherbergt mit fünf Prozent des nationalen Bestands eines der größten Vorkommen des Birkhuhns, das Horn gilt als einer der schönsten Wanderberge in Bayern.
In den intensiv genutzten Allgäuer Alpen ist es einer der Rückzugsräume für Rote-Liste-Arten, aber auch für Menschen, die nicht den Rummel, sondern die Ruhe suchen und daher abseits der Hauptstraßen des Tourismus auf eigenen Füßen unterwegs sind, statt sich von Seilbahnen zum Gipfelglück tragen zu lassen.

Lebensräume wie dieser sind im Allgäu sehr selten geworden. Die reichlich mit Weiden, Alpenrosen und anderen Zwergsträuchern bestandenen Übergangsbereiche zwischen lichtem Bergwald und baumfreien Matten sind wegen der intensiven Alpwirtschaft vielerorts verschwunden.

Als „Zone C“ ist das Riedberger Horn im Bayerischen Alpenplan eingestuft: es genießt damit den höchsten Schutzstatus. Diese Ruhezone ist dem Naturschutz und der naturnahen Erholung vorbehalten. Zone C ist grundsätzlich tabu für Erschließungspläne und mehr als 40 Jahre lang hat sich jede Staatsregierung im Alpenraum daran gehalten.

Die Vorstellung, dass dieser schöne, ruhige, noch nicht vom Massentourismus überschwemmte Berg in eine Großbaustelle für einen Skigebietszusammenschluss verwandelt werden sollte, war bedrückend.

Es gehört großes Glück dazu, einen Blick auf einen Auer- oder Birkhahn zu erhaschen. Fast unverschämtes Glück muss man schon haben, um einen beim Balztanz zu beobachten. Die sogenannten Raufußhühner sind selten geworden in Bayern, das Birkhuhn ist vom Aussterben bedroht. Umso vehementer verteidigt der BN die letzten intakten Lebensräume, gerade am Riedberger Horn.

Raufußhühner sind menschenscheu und äußerst störungsempfindlich. Die großen Hühnervögel müssen regelmäßig Nahrung aufnehmen, um ihren Organismus zu erhalten. Im Winter stehen ihnen dafür hauptsächlich Nadeln von Fichten, Tannen und Kiefern sowie Knospen zur Verfügung. Eine schwer verdauliche und recht nährstoffarme Kost. Um damit einen harten Winter im Hochgebirge zu überleben, müssen Raufußhühner extrem gut mit ihren Kräften haushalten. Jede noch so kurze Flucht stört die Energiebilanz der Tiere, schwächt sie und kann zum Verhungern führen.

Die neuen Lifte und Pisten sollten zu wesentlichen Teilen in der für das vom Aussterben bedrohte Birkhuhn so wichtigen Zone C des Alpenplans entstehen. Ein Desaster für das Birkhuhn: Bisher produziert die Population am Riedberger Horn so viel Nachwuchs, dass auch benachbarte Bestände davon profitieren. Würden die Ausbaupläne Wirklichkeit, beträfe dies das Überleben des Birkhuhns in der ganzen Region.

Die ortsansässigen Liftbetreiber träumten von einer – mit Mitteln des Bayerischen Wirtschaftsministeriums geförderten – sogenannten Skischaukel, die die Skigebiete von Balderschwang und Grasgehren verbindet und auch im Sommerbetrieb laufen soll. Dabei sollten die neuen Lifte und Pisten nach den Vorstellungen der Liftbetreiber ausgerechnet in einem Gebiet entstehen, das zur strengsten Schutzzone der Alpen gehört. Die CSU-geführte Staatregierung sprang den Profiteuren bei und änderte dafür eigens Gesetze.

Das Riedberger Horn genoss bis zu seiner Herausnahme im bayerischen Alpenplan den höchsten Schutzstatus, es gehörte – und gehört seit 2019 wieder – zur Zone C. Die Staatsregierung hatte dem Riedberger Horn seinen Schutzstatus entzogen, damit dort die Skischaukel errichtet werden könnte – was die Zerstörung des ökologischen Kleinods bedeutet hätte. Die bisherige Schutzzone wurde einfach „verschoben“ – ein skandalöses Vorgehen: Wenn eine Schutzzone immer dorthin verlegt wird, wo sie gerade keine Erschließung stört, ist ihr Sinn und Zweck völlig verfehlt. Der Freistaat machte sich beim Alpenschutz lächerlich.

Zudem hebelte die Regierung mit ihrem Vorgehen den über 40 Jahre unverändert gültigen Alpenplan aus, dem wirkungsvollsten Instrument des Naturschutzes im Alpenbereich, und sie schuf einen Präzedenzfall. Es drohte ein Dammbruch mit unabsehbaren Folgen für den gesamten bayerischen Alpenraum, denn eine ganze Reihe von Gemeinden wartete nur auf diese verhängnisvolle Möglichkeit, Schutzgebiete verschieben zu können.

 

Im Juli 2016 beschloss das bayerische Kabinett mit der Änderung des Alpenplans ernst zu machen, sofern die Bürger vor Ort bei einem Bürgerbegehren beschließen, dem Riedberger Horn seinen Schutzstatus zu entziehen und damit den Bau einer Skischaukel zu ermöglichen.

Im September 2016 stimmte die Bevölkerung von Obermaiselstein und Balderschwang ab. Viele der Stimmberechtigten würden von dem Projekt direkt wirtschaftlich profitieren. Wenig überraschend also, dass sich die Mehrheit für das Projekt ausgesprochen hat. Insgesamt gab es bei der Wahl eine Zustimmung von 72 Prozent zum Projekt, dennoch wird argumentiert, dass die Gemeindebürger das Projekt geschlossen befürworten würden.

Das Ergebnis zeigte, dass vor Ort weniger Bürger hinter dem Liftprojekt stehen, als behauptet wurde. Zum anderen betrifft der Alpenplan deutlich mehr Menschen als die wenigen abstimmungsberechtigten Bürger von Obermaiselstein und Balderschwang. Sinn und Zweck des Alpenplans und seiner Ruhezonen ist es ja gerade, attraktive Wanderberge lokalwirtschaftlichen Verwertungsinteressen zu entziehen. Nur deshalb sind heute noch Berge wie der Watzmann, der Hochgern oder die Rotwand nicht erschlossen. Daher hätte das Bauvorhaben nicht nur gegen die ursprüngliche Fassung des Alpenplans verstoßen, sondern auch gegen die Alpenschutzkonvention und eine Vielzahl einschlägiger Rechtsvorschriften. Zwölf schwerwiegende Rechtsverstöße zählte der BUND Naturschutz – daran ändert auch ein Bürgerbegehren nichts.

Einen Rüffel für die Pläne gab es auch aus Berlin: Die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks warnte die bayerische Regierung davor, am Riedberger Horn internationale Verträge zu brechen. Ebenso sprachen sich das bayerische Landesamt für Umwelt und sogar der CSU-Umweltarbeitskreis gegen eine Änderung des Alpenplans aus. 

Der BUND Naturschutz hatte dann gemeinsam mit anderen Alpin- und Umweltverbänden eine Befragung der Wanderer rund um das Riedberger Horn durchgeführt: Knapp 80 Prozent von ihnen sprachen sich gegen einen Skigebietszusammenschluss aus. Sogar unter den Wanderern, die im Winter selbst Ski fahren, fand sich eine Mehrheit von 75 Prozent gegen den weiteren Ausbau. Die Gäste kommen vor allem wegen des Natur- und Landschaftserlebnisses und wegen der Ruhe in die Allgäuer Berge.

Ergebnisse der Wanderer-Befragung am Riedberger Horn im Einzelnen (PDF)

Mit der Klage von BN und LBV bekräftigten die Umweltverbände, dass sie den Skigebietszusammenschluss wegen der labilen Hänge, der geplanten Bergwaldrodung und den Eingriffen in die Natur generell als nicht genehmigungsfähig ansehen – auch nach der von Ministerpräsident Markus Söder eingeräumten zehnjährigen Karenzzeit. Zudem gehören die Zeiten der schneesicheren Abfahrten auch im bayerischen Alpenraum aufgrund der Klimaerwärmung der Vergangenheit an. Die Umweltverbände boten den Gemeinden Balderschwang und Obermaiselstein deshalb an, gemeinsam einen naturverträglichen Tourismus zu entwickeln. 

Auch der BUND Naturschutz leistet einen Beitrag zum naturverträglichen Tourismus im Allgäu, unter anderem mit seinem BN-Naturerlebniszentrum Allgäu. Infos und Programm finden Sie hier www.nez-allgaeu.de

Der BUND Naturschutz stellte sich schützend vor das Riedberger Horn und trat Profitgier und Bauwut in den Alpen entschieden in den Weg.

  • Wir informieren die Öffentlichkeit in ganz Bayern über den Skandal am Riedberger Horn und seine Folgen.
  • Wir sammeln Unterschriften, um die Politik unter Druck zu setzen und ihr zu zeigen, dass Bayerns Bürger gegen die Skischaukel am Riedberger Horn sind.
  • Wir protestieren vor Ort auf dem Riedberger Horn für den Schutz dieses wunderbaren Wanderberges und seiner intakten Natur.
  • Wir erstellen Gutachten zu Geologie, Flora und Fauna, um den Irrweg am Riedberger Horn und seine Folgen in Planungsverfahren und Fachgremien zu belegen.
  • Die geplante Skischaukel am Riedberger Horn verstößt massiv gegen internationales Recht. Wir werden mit allen legalen Mitteln auch vor Gericht für den Schutz des Riedberger Horns kämpfen, um den drohenden Bergrutsch der Landesplanung zu stoppen.
  • Wir sammeln Spenden, um unsere Aktivitäten für das Riedberger Horn finanzieren zu können und den Berg zu retten.
  • Wir arbeiten an einer Lösung für eine naturverträgliche Modernisierung des Skigebiets Grasgehren mit.

Der BUND Naturschutz fordert die Staatsregierung und die Abgeordneten im bayerischen Landtag auf, die Ruhezonen im bayerischen Alpenplan vollumfänglich zu erhalten und den Alpenplan als Hüter der Erholungs- und Naturlandschaft der bayerischen Alpen anzuerkennen. Wir fordern:

  • Die Schutzzone C (Ruhezone) des Alpenplans muss vollständig erhalten werden.
  • Das Konzept des bayerischen Alpenplans sollte im gesamten Alpenraum umgesetzt werden, um den ruinösen touristischen Wettbewerb und weitere Erschließungen insgesamt zu begrenzen.
  • Keine Steuermittel und keine staatlichen Subventionen mehr für Schneekanonen und Neuerschließungen mit Seilbahnen.
  • Verlagerung der öffentlichen Fördermittel auf naturnahe Tourismusangebote.

Helfen Sie mit, das Riedberger Horn zu retten: Bitte unterstützen Sie uns mit einer Spende!