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Tiere und Pflanzen

Artenvielfalt und Landwirtschaft: Den Artenschwund beenden!

Der Abwärtstrend bei der Artenvielfalt ist ungebrochen. Ein wesentlicher Grund dafür ist die intensive Landwirtschaft. Sie macht unsere Landschaft immer einheitlicher – und ärmer. Höchste Zeit gegenzusteuern!

Viele Tiere – Säugetiere ebenso wie Vögel und Insekten – die früher als „Allerweltsarten“ landwirtschaftliche Flächen wie Äcker und Wiesen bevölkerten, teilen heute ein Schicksal: Sie werden immer weniger. Die Artenvielfalt schwindet, je mehr die industrielle Landwirtschaft an Fläche gewinnt. Der Feldhamster etwa: Früher war er so häufig, dass er mancherorts noch bis 1990 gejagt werden durfte. Heute ist er vom Aussterben bedroht. Ähnlich ergeht es dem Kiebitz, der 80 Prozent seiner Artgenossen zwischen 1990 und 2013 verlor. Auch 48 Prozent der Wildbienenarten Deutschlands – immens wichtig für die Bestäubung unserer Nahrungspflanzen – sind gefährdet.

Nicht viel anders sieht es bei den Pflanzen aus: Die bunte Vielfalt früherer Tage hat sich längst vom Acker gemacht. Von den reichblühenden Ackerwildkräutern, die einst die bayrischen Felder zum Leuchten brachten, ist ein Großteil bedroht oder gar ausgestorben.

Zurückzuführen sind diese Entwicklungen zu großen Teilen auf die Landwirtschaft, die sich durch eine verfehlte Agrarpolitik massiv verändert hat: Immer mehr und größere Maschinen, mehr Ackergifte und Dünger, neue Hochleistungssorten und mehr Ernten pro Jahr haben zu einer Agrarlandschaft geführt, die immer eintöniger wird. Die Felder und Äcker werden immer größer, für Tiere und Pflanzen wertvolle Strukturen wie Feldgehölze, Hecken und Feldraine verschwinden – und mit ihnen Nahrung, Brut- und Lebensräume. Wiesen werden immer öfter gemäht und stark gedüngt, um hochwertiges Eiweißfutter zu erzeugen. Wildblumen werden bereits vor der Blüte abgeschnitten, können sich so nicht mehr aussamen und verschwinden nach und nach aus den Wiesen.

Jedes Tier und jede Pflanze hat eine Funktion in der Natur und damit einen Wert an sich. Abgesehen davon profitieren wir von zahlreichen Pflanzen und Tieren unserer Kulturlandschaft, ohne es überhaupt wahrzunehmen: Insekten bestäuben unsere Nahrungspflanzen und sorgen so für unsere Ernährung, Nützlinge fressen „Schädlinge“, Würmer und Millionen anderer Bodenlebewesen sorgen für fruchtbaren Boden, Wildkräuter bieten Nahrung und Lebensraum für viele dieser Lebewesen. Dieses „Naturkapital“ ist also ein zentraler Teil unserer Lebensgrundlagen.

Mit bis zu 89 verschiedenen Pflanzenarten auf einem Quadratmeter gehört extensives Grünland zu den artenreichsten Biotopen weltweit. Auch für Tiere hat es eine große Bedeutung. Dort sind Vertreter fast aller landlebenden Tiergruppen zu finden, von den Säugetieren bis hin zu den Einzellern. Wiesen und Weiden liefern Nahrung für Pflanzenfresser, räuberische Tierarten finden dort ihre Beute. Auf blütenreichem Grünland finden sich außerdem eine Vielzahl von Insekten wie Wildbienen und Schmetterlinge.

Äcker hingegen zählen zu den Ökosystemen die am stärksten von uns Menschen geprägt und sehr stark vom Artenschwund betroffen sind. So sind durch die intensive Landwirtschaft und ihre hohen Dünger- und Pestizidgaben Kornblume, Mohn & Co. von den Äckern längst verschwunden. Mehr als 30 Prozent der etwa 350 typischen Ackerwildkrautarten Deutschlands sind deshalb gefährdet. Dabei stellt die Mehrzahl von ihnen für die Bewirtschaftung kein großes Problem dar, weil es sich um konkurrenzschwache Arten handelt, die den Ernteertrag kaum schmälern.

Das Problem: In Bayern gingen seit den 1970er-Jahren 500.000 Hektar Grünland verloren. Das entspricht mehr als neunmal der Fläche des Bodensees. Sie wurden bebaut oder in artenarme Äcker umgewandelt. Allein von 2003 bis 2012 betrug der Verlust mehr als 60.000 Hektar, sodass heute nur noch circa 1,1 Millionen Hektar Wiesen und Weiden existieren.

Artenreiche, also selten gedüngte und gemähte Wiesen werden immer seltener. Im Zuge der Intensivierung wurden leistungsstarke Gräser eingesät, die langsamer wachsende Wildkräuter verdrängen. Statt Heu zu machen, wird das Schnittgut leicht angetrocknet in Plastikballen verpackt, sodass früher und öfter gemäht werden kann. Solche Wiesen werden stark gedüngt und statt wie früher zwei- oder dreimal pro Jahr heute je nach Niederschlag und Bodengüte bis zu fünfmal oder öfter geschnitten. So kommt es zu schnell wachsenden, einheitsgrünen und artenarmen Wiesen, die oft schon Ende April das erste Mal gemäht werden. Viele Kräuter kommen so gar nicht mehr dazu zu blühen und sich auszusamen. Sie verschwinden nach und nach.

Die Randflächen von Äckern können viele Wildpflanzen beherbergen und sind wichtiger Brut- und Lebensraum für Vögel und Kleinsäuger. Weil viele kleine Ackerflächen in Summe mehr Ackerrandfläche aufweisen als wenige große, sind sie aus Naturschutzsicht wünschenswert. Außerdem werden auf vielen kleinen Flächen meist unterschiedliche Feldfrüchte angebaut, die zeitlich versetzt genutzt werden. Dadurch bleiben Nahrungs- und Rückzugsräume für Wildtiere immer vorhanden.

Das Problem: Die Felder in Bayern werden immer größer. Der Anteil an Feldern mit mehr als fünf Hektar machte 2014 bereits mehr als 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Bayerns aus. Auf Feldstücke unter zwei Hektar Größe entfielen nur noch 33 Prozent der Fläche.

Intensive Landwirtschaft – abnehmende Artenvielfalt

Grundsätzlich gilt: Eine vielfältige Landschaft ist die Voraussetzung für Artenvielfalt. Und so hatten sich viele Tiere über Jahrhunderte hinweg gut an die abwechslungsreiche bäuerliche Kulturlandschaft angepasst: Feldhasen beispielsweise lieben mosaikartig angeordnete Äcker, Wiesen und Weiden, die nicht zu intensiv genutzt werden und mit Hecken und Baumgruppen durchsetzt sind. Von extensiv genutzten Feldrändern profitieren Kleinsäuger und Amphibien wie Feldhamster und Grasfrosch.

Mit der intensiven Landwirtschaft sind viele Strukturen wie Hecken und Baumgruppen verschwunden: Äcker ziehen sich bis an die Straßenränder, Feldgehölze wurden für maschinengerechte Flächen gerodet, statt vieler kleiner Felder dominieren riesige Äcker mit ein und derselben Feldfrucht. Die Artenvielfalt nimmt ab.

7 Millionen

Brutpaare weniger in Deutschland

Die intensive Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen lässt auch Vögeln immer weniger Raum zum Brüten: Hecken verschwinden, kleine Feuchtgebiete werden trockengelegt, Wiesen wurden zu Ackerland umgepflügt. So hat laut Bundesamt für Naturschutz (2020) zwischen 1992 und 2016 der Bestand an Brutvögeln in Deutschland um etwa acht Prozent abgenommen. Heute leben also etwa sieben Millionen Brutpaare weniger in Deutschland. Vor allem in der Agrarlandschaft halten die Rückgänge an. So haben die Bestände von Rebhuhn und Kiebitz seit 1992 um fast 90 Prozent abgenommen. Ähnlich dramatisch ist die Entwicklung bei Uferschnepfe, Bekassine und Braunkehlchen, die als Lebensraum Feuchtwiesen und extensiv genutzte Weiden benötigen.

Auffällig ist, dass es immer noch artenreiche Vogelgemeinschaften auf Bauernland gibt. Nämlich überall dort, wo noch genügend Strukturen mit hohem Wert für Vögel und Insekten vorzufinden sind, wie mageres Grünland, Brachen, breite Ackerrandstreifen, nicht asphaltierter Feldwege und ungenutzte Wegsäume, etwa im Nordosten Deutschlands. Im dicht besiedelten Westen und vielen Regionen Süddeutschlands hingegen haben die typischen Vogelarten der Wiesen und Äcker, wie etwa die Grauammer, „das Feld längst geräumt“. Eine Tendenz, die sich EU-weit zeigt.

Bedrohte Vögel der Agrarlandschaft


Insekten: Artensterben auf Äckern und Wiesen

Verschiedene Untersuchungen in Deutschland und Europ a haben in den letzten Jahren gezeigt, dass es heute viel weniger Insekten gibt als noch vor einigen Jahrzehnten. Inzwischen ist vom Insektensterben die Rede.

Vom Schwund betroffen sind Arten der unterschiedlichsten Lebensräume. Mit Abstand am höchsten sind die Verluste in unseren Breiten in den offenen Gebieten der Landschaft, also zum Beispiel auf Äckern und Wiesen. Einem internationalen Forscherteam unter Leitung der Technischen Universität München zufolge hat sich die Insektenbiomasse auf Grünland zwischen 2008 und 2017 um zwei Drittel verringert. Woran liegt das?

Der massenhafte Einsatz von Pflanzenvernichtungsmitteln (Herbiziden) wie Glyphosat in der Landwirtschaft hat den Wildpflanzen arg zugesetzt, insbesondere den konkurrenzschwachen und seltenen Ackerwildkräutern. Mit ihnen hat auch das Nahrungsangebot für viele unserer Insekten stark abgenommen. Das Verschwinden blütenreicher, vielfältiger Wiesen betrifft vor allem die blütenbesuchenden und auf Wildkräuter spezialisierten Insekten, wie beispielsweise Wildbienen und Schmetterlinge. So belegen Untersuchungen in Bayern einen Rückgang von Schmetterlingen zwischen 55 und 75 Prozent innerhalb von 30 Jahren.

Artenvielfalt und Landwirtschaft: Was die Politik jetzt tun muss

  • Die Landwirtschaft insgesamt extensivieren und die Verwendung von Ackergiften und Düngemitteln drastisch verringern!
  • Den ökologischen Landbau fördern und ausbauen! Nachweislich sind biologisch bewirtschaftete Flächen artenreicher als konventionell bewirtschaftete.
  • Artenreiche Wiesen und Weiden noch besser fördern und Landwirte aktiv beraten, wie sie ihre Wiese mit Arten wieder anreichern können.
  • Artenarme Wiesen durch Mähgutübertragung wieder aufwerten! Übertragung von Mähgut kann helfen, artenarme Wiesen wieder mit Wildkräutern anzureichern. Zu dieser Technik braucht es ein eigenes Förderprogramm.
  • Den Schutz von Ackerwildkräutern verbessern! Zum Beispiel durch Ausbau des Vertragsnaturschutzprogramms Acker und des nationalen 100-Äcker-Programms, ein neues Ackerrandstreifenprogramm sowie mehr Aufklärung von Kommunen und Landwirten.
  • Eine Biodiversitätsprämie einführen! Eine Biodiversitätsprämie in Höhe von 500 Euro pro Hektar und Jahr soll kleinere landwirtschaftliche Betriebe in reich strukturierten Landschaften mit kleinen Feldern, hohem Anteil an Grünland, Streuobst, Hecken oder Feldrainen die Existenz sichern und kann auch an Betriebe ausgezahlt werden, die besonders schutzwürdige Biotope und Arten sichern.
  • Ein „Investitionsprogramm Naturschutz“ auflegen! Damit sollen neue Biotopverbundstrukturen in der offenen Agrarlandschaft Bayerns geschaffen werden.
  • Ausbau der „grünen Infrastruktur“ fördern! Landwirtschaftlicher Wegebau bei der Flurneuordnung (Stichwort Kernwegenetz) sollte künftig nicht ohne begleitenden Ausbau der grünen Infrastruktur (z. B. Hecken, Brachestreifen etc.) stattfinden.

BN-Wettbewerb: Mehr Natur in Hof und Flur

Beim Wettbewerb „Mehr Natur in Hof und Flur“ können landwirtschaftliche Betriebe der Öffentlichkeit zeigen, was sie leisten, um eine artenreiche und attraktive Kulturlandschaft zu erhalten. 200 landwirtschaftliche Familienbetriebe haben sich bereits an dem Wettbewerb beteiligt, der in unregelmäßigen Abständen in verschiedenen bayerischen Landkreisen stattfindet.

Eine Jury aus Landwirtschafts- und Naturschutzvertretern besichtigt die Höfe und bewertet und die Umwelt- und Naturschutzleistungen der Landwirte. Das Augenmerk liegt dabei auf stark gefährdeten Natur- und Kulturschätzen, die in besonderer Weise Heimat und Identität verkörpern: blühende Wiesen, kräuterreiche Viehweiden, „Farbtupfer“ in den Feldern und bunte Ackerraine. Neben der Flur wird auch die Hofstelle als „Visitenkarte“ der Bauernfamilie mit berücksichtigt. Zudem gibt es für Umweltschutzmaßnahmen, wie etwa die Nutzung regenerativer Energien, eine Reihe von Zusatzpunkten.

Mit dem Wettbewerb möchte der BN bei den Landwirten für die Erhaltung von Lebensräumen für Tier- und Pflanzenarten, eine landschaftstypische Bauweise und Hofgestaltung sowie eine umweltschonende Wirtschaftsweise werben. Die Leistungen, die die Landwirtschaft für den Naturschutz erbringt, sollen gewürdigt und im Dialog auch gängige Vorurteile gegenüber Naturschutzmaßnahmen abgebaut werden.

Ein neu gebauter – asphaltierter – Kernweg (Foto: Karin Eigenthaler)

Kernwege

Der BN hält die sogenannten Kernwege, die in vielen Gemeinden als landwirtschaftliche Wege geplant werden für einen Irrweg auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft

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