Almwirtschaft in Bayern
Die Almen (auch: Alpen) zählen zu den ältesten Kulturlandschaften in Bayern, entstanden durch jahrhundertelange Beweidung alpiner Wiesen. Heute steht die Almwirtschaft an einem Scheideweg: Nutzungsaufgabe oder Intensivierung? Der BN setzt sich für einen dritten, zukunftsfähigen Weg für die Berglandwirtschaft in Bayern ein.
Die Alpen wurden vom Menschen frühzeitig besiedelt und kultiviert. Durch Alm- und Alpwirtschaft (Oberbayern: Alm; Allgäu: Alp), die vielfach noch traditionell erfolgt, sind artenreiche Wiesen und Weiden entstanden. Die Grünlandnutzung in über 30 Prozent der bayerischen Alpen ist der alpenweite Schwerpunkt der Rinderhaltung. Dabei ist der Flächenanteil von Biobetrieben deutlich höher als im bayerischen Durchschnitt.
BN informiert: Alm-/Alpwirtschaft und Naturschutz
› Wann trägt Bewirtschaftung tatsächlich zur Artenvielfalt bei – und wann nicht?Neben den Wiesen und Weiden der Täler prägen rund 1.450 Almen und Alpen mit etwa 37.000 Hektar Weidefläche das Landschaftsbild (Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten). 2020 weideten auf den Almen in Bayern rund 53.000 Rinder, 4.800 Schafe und Ziegen sowie 800 Pferde, in den Alpenlandkreisen wurden zudem rund 800.000 Rinder gehalten. Daneben gibt es Mähflächen, auf denen Heu für den Winter oder die im Tal verbliebenen Tiere geerntet wird.
Almwirtschaft: Landwirtschaft am Scheideweg
Oft wird argumentiert, ohne Almwirtschaft schwinde die Artenvielfalt in den Alpen, dabei lässt sich diese Aussage nicht pauschalisieren. Die landwirtschaftliche Nutzung bietet vielmehr nur in bestimmten Lagen und abhängig von der Bewirtschaftungsform Vorteile für den Naturschutz.
Alpine Rasen (Urrasen) sind natürlicherweise waldfrei und nicht von einer Beweidung abhängig. Sie beherbergen von Natur aus zahlreiche ganz speziell an diese Lebensräume angepasste Tier- und Pflanzenarten. Je nach geologischen und topografischen Bedingungen sowie nach Viehdichte und Weideführung ist die Abnahme der Artenvielfalt durch Beweidung unterschiedlich stark: Auffällig sind ausgedehnte artenarme Lägerfluren rund um die Rastplätze von Weidetieren. Insbesondere in den Kammlagen hält sich Weidevieh gerne auf, durch die Klimakrise und zunehmend auftretende Hitzeperioden werden windige, kühlende Gratlagen wohl noch häufiger aufgesucht.
Besonders starke Biodiversitätsschäden ergeben sich hier durch die Schafbeweidung, in der Schweiz dürfen beispielsweise Gratlagen von Schafen nicht beweidet werden.
Fazit: Der BUND Naturschutz lehnt eine Wiederaufnahme oder Neuaufnahme der Beweidung von Flächen oberhalb der Waldgrenze ab.
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Die Offenlandbereiche in den mittleren Lagen sind ein wichtiger Baustein in diesem Mosaik. Nur in sehr steilen, flachgründigen oder exponierten Lagen sowie Feuchtgebieten würde sich auch ohne Beweidung kein Wald einstellen. In dieser Höhenlage sind die FFH-Lebensraumtypen Naturnahe Kalk-Trockenrasen (LRT 6210) und Montane Borstgrasrasen (LRT 6230) in ihrer aktuellen Ausdehnung von Beweidung abhängig. Alle anderen europäisch geschützten Lebensraumtypen dieser Höhenstufe bedürfen keiner Beweidung. Die Artenvielfalt ist zudem vom Strukturreichtum abhängig, Trieb sollte daher das Entstehen von Lägerfluren (Raststätten des Viehs) verhindern und die gesamte Weidefläche offenhalten.
Fazit: Eine in der Intensität angepasste Beweidung kann lokal zu einer Ausdehnung artenreichen Graslands und damit zum Erhalt der über Jahrhunderte gewachsenen Artenvielfalt führen. In einer guten Behirtung mit gelenkter Weideführung und einer angepassten Koppelung liegt der Schlüssel für eine hohe Biodiversität.
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Derartige Weiden unterscheiden sich oft nicht mehr von Intensivgrünland außerhalb der Alpen. Eine Ausmagerung von überdüngten Wiesen und Weiden dauert meist Jahrzehnte bis Jahrhunderte oder ist unmöglich. Die intensive Bewirtschaftung resultiert aus der guten Erreichbarkeit, denn rund 90 Prozent der Almen/Alpen sind mittlerweile mit Wegen erschlossen.
Fazit: Die Erschließung von Almen und Alpen ist als abgeschlossen zu betrachten. Wo möglich, sollten intensivierte ehemalige Biotope wiederhergestellt werden.
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An Seen fehlt durch Viehtritt die natürliche Uferzonierung oft vollständig. Neben der verarmten Vegetation bieten diese Seen auch Tierarten wie der Alpenmosaikjungfer keinen Lebensraum mehr. Stark beweidete Klarwasserseen und Hochlagentümpel werden durch Viehkot und -tritt entwertet, zum Teil kommt es so zu erheblichem Algenwachstum. Muldenversumpfungen werden inzwischen zwar oft ausgezäunt, dafür entstehen dann massive Gürtel von Trittschäden den Zaun entlang und die Eutrophierung geht weiter.
Die Klimakrise verschärft diese Entwicklung, in Hitzesommern stehen die Rinder dann stundenlang im oder am Wasser. Durch die zunehmenden Trockenzeiten werden Gewässer zudem verstärkt durch Austrocknung, Erwärmung und zunehmende Nutzung für die Versorgung von Weidetieren mit Wasser unter Druck geraten.
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Auf labilen Böden entstehen durch den Viehtritt Schäden und Fäule an den Wurzeln der Waldbäume. Zudem wird die Baumartenzusammensetzung durch den selektiven Verbiss des Weideviehs so verändert, dass hier keine natürliche Waldgesellschaft mehr entsteht – einen deutlich stärkeren Einfluss haben allerdings meist Wildtiere, die ganzjährig im Wald sind. Die Beweidung sollte in jedem Fall extensiv und nicht auf erosionsgefährdeten Böden erfolgen. Behirtetes und getriebenes Vieh verursacht weniger Schäden. Da viele Waldarten ein dauerhaftes Waldinnenklima bevorzugen, sollten zudem immer nur kleinere Teilbereiche beweidet werden, die sich gerade nicht im Verjüngungsstadium befinden. Insbesondere Übergangsbereiche zwischen offenen Alm-/Alpweiden und geschlossenen Wäldern bieten sich hier an.
Bergwaldböden weisen außerdem die höchsten Kohlenstoffvorräte außerhalb von Moorböden auf. Waldweide führt zu starkem Humusschwund dieser Waldböden. Aus Klimaschutzaspekten ist eine Waldweide daher abzulehnen.
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Nur extensive Almwirtschaft naturverträglich
Die Entwicklung der Landwirtschaft ist somit auch in den Alpen nicht frei von Risiken. Sie treibt immer weiter in den Spagat zwischen Intensivnutzung auf ertragreichen, gut zu bewirtschaftenden Standorten und Nutzungsauflassung auf weniger ertragsfähigen oder schwerer nutzbaren Wiesen und Weiden. Die Intensivierung hat in den vergangenen Jahren besonders auf den Talflächen stattgefunden. Die entstandene Intensivgrünlandwirtschaft ist sehr artenarm und bietet zum Beispiel für Insekten kaum noch eine Heimat. Während bei Intensivnutzung die Besonderheiten der Wiesen und Weiden sehr schnell verloren gehen, bleiben nach Nutzungsaufgabe wertvolle Arten häufig lange erhalten. Übernutzte Weiden hingegen führen zu den folgenden Problemen:
- Die Vegetation kann sich in Nutzungspausen nicht ausreichend erholen, außerdem bedrohen zu hohe Nährstoffeinträge das empfindliche Gleichgewicht der Artenvielfalt.
- Es besteht eine größere Gefahr von Erosion, zum einen durch die Tiere selbst, zum anderen durch fehlendes Wurzelwerk der angegriffenen Vegetation.
- Der Verkehr in der Region nimmt allgemein zu, zum Beispiel aufgrund der nötigen Tierpflege. Gebaute Wege zerschneiden die Landschaft und können zusätzlich die Erosion verstärken, weil das Wasser auf ihnen zu Tal rauscht anstatt im Boden zurückgehalten zu werden.
Der BN setzt sich auf verschiedene Weise für die naturverträgliche Landwirtschaft in den Alpen ein, etwa bei den Verhandlungen zur EU-Agrarreform, durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Weiterführung von Vertragsnaturschutz- und Landschaftspflegeprogramm, im Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft sowie bei der Regionalvermarktung.
Unser Leitbild für eine zukunftsfähige Almwirtschaft
- Subventionen für die landwirtschaftliche Produktion werden schrittweise durch die gezielte Finanzierung von gesellschaftlichen Leistungen der Berglandwirtschaft ersetzt.
- Bergbauern werden für Landschaftspflegemaßnahmen und Naturschutzbeiträge gerecht entlohnt.
- Es werden alternative Transportmöglichkeiten (Materialseilbahnen, Tragtiere) genutzt, anstatt neue Erschließungsstraßen zu bauen.
- Der ökologische Landbau wächst stark. Auch die konventionellen Landwirte setzen kein gentechnisch verändertes Material ein.
- Urlaub auf dem Bauernhof bildet ein weiteres wichtiges Standbein vieler Betriebe.
- Bei der Ausweisung und Bewirtschaftung von Naturschutz- und Natura-2000-Gebieten arbeiten Naturschützer, Landwirte und Touristiker eng zusammen.
Das fordert der BN für die bayerische Almwirtschaft
- Zahlungen an die Landwirtschaft sind konsequent am Gemeinwohlprinzip nach dem Grundsatz „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ auszurichten. Dafür sind finanzielle Mittel in ausreichender Höhe bereitzustellen.
- Definition von Mindeststandards der Guten fachlichen Praxis (GfP) und Förderung regionaler, auf der Primärproduktion aufbauende Wertschöpfungsketten
- Deutliche Ausweitung der Definition von „umweltsensiblem“ Dauergrünland, um einen besseren Schutz wertvoller Dauergrünlandbestände zu erreichen: Sie muss mindestens die gesamte Natura 2000-Gebietskulisse sowie die organischen Böden und alle gefährdeten und gesetzlich geschützten Grünlandbiotoptypen sowie Grünlandflächen mit hohem Naturwert umfassen. Erforderlich ist darüber hinaus ein vollständiges Umbruchverbot von Dauergrünland.
- Almen und Alpen dürfen im Vergleich zu Gaststätten im Tal nicht zu gleichwertigen Gastronomiebetrieben mit entsprechenden Erschließungsnotwendigkeiten umfunktioniert werden, etwa im Rahmen des Sennereiausbaus zu „Genussalpen/-almen“ (vgl. Alpenstrategie der Staatsregierung).