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Können wir uns als Exportnation strengere Umweltauflagen leisten?

Dieses Argument müssen sich Umweltschützer wohl am häufigsten anhören: „Wir würden ja gerne strengere Umweltauflagen machen. Aber als 'Exportnation' können wir es uns nicht leisten, dass unsere Produkte auf dem Weltmarkt teurer werden.“ Klingt erst mal einleuchtend. Bei genauerem Hinschauen erkennt man jedoch: Selbst wenn durch steigende Umweltkosten unser Exportüberschuss geringer würde, wäre dies alles andere als eine Katastrophe.

Das Totschlagargument: Strenger Umweltschutz gefährdet unseren Export

Die Arbeitsplätze in Deutschland und erst recht in Bayern, sind ganz besonders stark vom Export abhängig. Die  Konkurrenz mit dem Ausland erlaube es deshalb nicht, dass unsere Güter und Dienstleistungen durch wirksame Umweltschutzgesetze teurer würden. Auch von Menschen, die durchaus ökologisch denken, kann man dieses Argument gegen Umweltauflagen hören. Oft mit dem Zusatz: Als rohstoffarmes Land müssten wir eben die Devisen erwirtschaften, um Gas, Öl und die nötigen Metalle einführen zu können. Klingt erst mal einleuchtend – die Realität sieht jedoch ganz anders aus.

Die Wirklichkeit: Deutschland ist Exportüberschuss-Weltmeister!

So schön ein Weltmeistertitel im Fußball sein mag – einen riesigen Überschuss des Exports über den Import zu erzielen, ist volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Doch genau dies praktiziert Deutschland schon seit Jahrzehnten. 1993 betrug der deutsche Exportüberschuss bereits 31 Milliarden Euro. Und er nahm immer weiter zu, in den letzten Jahren lag er stets zwischen 200 und 250 Mrd. (!) Euro. Auf Dauer jedoch können wir nicht mehr Güter und Dienstleistungen an das Ausland liefern, als wir im Gegenzug von dort einführen. Man stelle sich nur vor, alle Länder würden diesem deutschen Modell des Exportüberschusses folgen – man müsste die Sachen an den Mond liefern. Oder den Mars.

Auch unsere Rohstoffarmut ist kein Problem

Natürlich müssen wir exportieren, um genügend Devisen zu erwirtschaften. Mit diesen Devisen können wir dann auf dem Weltmarkt das einkaufen, was es bei uns nicht gibt. Oder was nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand herzustellen wäre. Also Erdöl/Erdgas, wichtige Metalle, Kaffee, Bananen und anderes mehr. Aber schauen wir uns die Zahlen an. Insgesamt importierte Deutschland 2019 Waren und Dienstleistungen für 1104 Mrd. Der Anteil des für uns so wichtigen Erdöls und Erdgases lag in den letzten Jahren, je nach Preis, zwischen 60 und 100 Mrd. Selbst wenn man für andere unbedingt notwendige Güter nochmals eine ähnliche Größenordnung ansetzt, wären das nicht mehr als 200 Mrd. Das heißt, um diese unbedingt nötigen Importe finanzieren zu können, würde es genügen, Güter im Wert von rund 200 Milliarden zu exportieren. Tatsächlich jedoch hat Deutschland 2019 für sage und schreibe 1328 Mrd. exportiert.

Wir haben also genügend Devisen

An dieser Stelle geht es nicht darum, über Sinn und Grenzen des Außenhandels zu diskutieren. (Was angesichts der hohen CO2-Belastung durch Transporte zu Wasser, Land und in der Luft allerdings dringend geschehen müsste.) Hier soll – wie eingangs gesagt – das Märchen von der „verwundbaren Exportnation“ widerlegt werden. Denn selbst wenn unser Export wegen strenger Umweltauflagen teurer würde und damit tendenziell zurückginge, wären wir immer noch meilenweit von dem Punkt entfernt, an dem wir keine Devisen mehr hätten, um notwendige Güter zu importieren.

Auch volkswirtschaftlich sind dauerhafte Exportüberschüsse schädlich

Eine strengere Umweltpolitik hätte neben dem ökologischen Nutzen sogar noch einen sehr erwünschten makroökonomischen Effekt. Sollte die Nachfrage nach manchen deutschen Produkten spürbar zurückgehen, dann würde sich der ungesund hohe deutsche Exportüberschuss wenigstens ein Stück weit verringern. Schon seit 1967 schreibt das deutsche Stabilitätsgesetz einen – mittelfristig gesehen – ausgeglichenen Außenhandel vor. Der IWF kritisiert immer wieder, dass Exportüberschüsse für die globalen Finanz- und Schuldenkrisen mitverantwortlich seien. Die EU-Kommission droht bereits Bußgelder an, da Deutschland den obersten Grenzwert von 6 Prozent des BIP seit Jahren überschreitet. In den letzten Jahren lag der Exportüberschuss bei 7 bis 8 Prozent.

Fazit: Exportgefährdung ist ein Märchen

Die Behauptung, wir könnten uns strenge Umweltauflagen nicht leisten, da die deutsche Wirtschaft sonst nicht mehr konkurrenzfähig wäre, ist also falsch. Wer seit Jahren – wie Deutschland – für weit über 200 Mrd. (!) mehr in den Rest der Welt exportiert, als er von dort importiert, der ist extrem leistungsfähig, der kann vor Kraft kaum laufen. Wir können also in Deutschland wirksame Umweltgesetze beschließen. Sollten dadurch manche Exportartikel teurer werden und deshalb der deutsche Exportüberschuss etwas sinken, wäre dies kein Problem für unseren Wirtschaftsstandort. Im Gegenteil, wir würden endlich den Forderungen anderer Länder und Organisationen sowie den Vorschriften des deutschen Stabilitätsgesetzes wenigstens etwas näher kommen.

Text und Redaktion: Heiner Müller-Ermann (Sprecher BN-Arbeitskreis Wirtschaft)