Abwasser Bayern: Belastung beenden und Kreislaufwirtschaft einführen
Abwasser entsteht, wenn Wasser aus verschiedenen Quellen zur Kläranlage geführt wird. Die Reinigung ist aufwendig, das Recycling von Nährstoffen schwierig, das führt zur Klärschlammverbrennung. Der BUND Naturschutz plädiert für echte Kreislaufwirtschaft.
Abwasser belastet Gewässer
In den Kläranlagen kommt Wasser aus unterschiedlichsten Quellen an, das auch Schadstoffe beinhaltet. Nach dem Klärprozess enthält das Wasser immer noch viele umweltschädliche Stoffe, die dann in den natürlichen Wasserkreislauf gelangen. Die Folge: Unsere Gewässer sind weiterhin zu stark belastet und weit entfernt von einem guten Zustand.
Wertvolle Stoffe gehen verloren
Bei der heutigen Abwasserbehandlung bleibt zudem Klärschlamm zurück. Auch dieser ist kontaminiert. Da der Schlamm verbrannt wird, gelangen die Schadstoffe in die Luft. Wertvolle organische Stoffe, die man gut wiederverwenden könnte, gehen aber sowohl in den Kläranlagen als auch bei der Klärschlammverbrennung verloren.
Sanitärwende schafft Abhilfe
Aus diesen Gründen brauchen wir ein anderes Sanitärsystem, das Schadstoffe vermeidet oder eliminiert, so dass diese gar nicht erst in den Kläranlagen landen. Die wertvollen Inhaltsstoffe des Abwassers hingegen werden dabei im Sinne der Kreislaufwirtschaft wieder in den Nährstoffkreislauf zurückgeführt. Neue Technologien helfen dabei.
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- document.getElementById('c219542').scrollIntoView({ behavior: 'smooth' }), 10);">4 Sanitärwende: Transformation zum Kreislaufsystem
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- document.getElementById('c221779').scrollIntoView({ behavior: 'smooth' }), 10);">6 Weitere Themen im Bereich Wasser
Woraus unser Abwasser besteht
Abwasser ist Wasser aus Haushalten oder der Industrie oder aber Niederschlagswasser von Straßen und Dächern, das in die Kläranlagen geleitet wird.
Häusliche/gewerbliche Schmutzwasser, Fremdwasser und Niederschlagswasser wurde über Anlagen zur Abwasserbehandlung abgeleitet, das übrige Wasser direkt in Grund- oder Oberflächengewässer geleitet, diese Art der Ableitung wurde ab 2022 nicht mehr erhoben. (Daten: Bayerisches Landesamt für Statistik/Grafik: BN)
Wo das Abwasser-Problem liegt
Geklärtes Abwasser belastet die Seen und Flüsse immer noch zu stark. Auch deshalb sind Bayerns Gewässer weit entfernt von einem guten Zustand.
- Viele Chemikalien und Schadstoffe gelangen in die Umwelt und landen letztlich im Abwasser und in den Kläranlagen.
- In den Kläranlagen kommt Wasser aus unterschiedlichsten Quellen an. Diese Vermischung erschwert es, wertvolle Inhaltsstoffe wiederaufzubereiten, zum Beispiel Pflanzennährstoffe wie Phosphor, Stickstoff und Kalium.
- Verstärkte Siedlungsaktivitäten wie Gebäude- oder Straßenbau belasten die Kläranlagen und Kanalsysteme zusätzlich.
- Die Behandlung von Wasser ist aufwändig. Mit den aktuellen Denkweisen und Vorgehensweisen werden die Abwassergebühren weiter steigen. Die Abwasserentsorgung darf aber nicht zu sozialen Ungerechtigkeiten führen.
- Am Ende der Klärbehandlung wird das gereinigte Wasser in den natürlichen Wasserkreislauf eingeleitet. Doch das geklärte Wasser enthält immer noch viele unerwünschte Stoffe, die nicht oder nur unter sehr großem Aufwand aus dem Abwasser eliminiert werden können. Dabei handelt es sich etwa um Arzneimittelrückstände, Hormone, gelöste Schwermetalle, Mikroplastik oder Chemikalien aus der Industrie.
18%
der bayerischen Gewässer sind in einem guten Zustand
82%
befinden sich in keinem ökologisch guten Zustand
Die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie lauten gemäß dem Landesamt für Umwelt in Bayern: "Der gute oder sehr gute ökologische Zustand beziehungsweise das gute oder bessere ökologische Potenzial von Fließgewässern und Seen soll bis spätestens 2027 durch geeignete Maßnahmen erreicht werden.“ Es gilt generell ein Verschlechterungsverbot und ein Verbesserungsgebot nach §§ 27 und 47 WHG.
Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es noch einiges zu tun: Aktuell erreichen nur knapp zehn Prozent der deutschen Oberflächengewässer den guten ökologischen Zustand. Somit befinden sich 90 Prozent der Gewässer sich in keinem guten oder einem schlechteren Zustand! In Bayern liegt das Verhältnis bei 18 Prozent mit gutem Zustand und 82 Prozent Zielverfehlung.
Natürlich sind längst nicht alle Beeinträchtigungen auf die Einleitungen aus Kläranlagen zurückzuführen. Uferbefestigungen, Wehre und die Stoffeinträge von Verkehr, Landwirtschaft und Industrie sind weitere wichtige Faktoren, die es zu verbessern gilt.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Kläranlagen teilweise auch leistungsfähiger gemacht. Die Menge organischer Stoffe wird nun durch die Abwasserbehandlung stark verringert. Bei vielen anderen Stoffen besteht aber weiter Handlungsbedarf. So entdeckt die Wissenschaft immer neue Folgen von Stoffen menschlichen Ursprungs:
- Flussbarsche etwa reagieren auf geringste Rückstände an Beruhigungsmitteln im Wasser, werden risikofreudig anstatt sich zu verstecken (Spektrum der Wissenschaft).
- Endokrine Stoffe, etwa weibliche Hormone oder ähnlich wirksame Substanzen wie Weichmacher im Mikroplastik, verschieben das Geschlechterverhältnis bei Fischen. Über das Zooplankton gelangen diese Stoffe in die Nahrungskette (BUND Hintergrund "Hormonaktive Substanzen im Wasser", PDF).
- Biozidwirkstoffe, eingesetzt um Pilz- oder Schädlingsbefall zu verhindern, werden von der Abwasserbehandlung gar nicht erfasst. Auch wenn die Konzentrationen gering sind, kann durch die dauerhafte Einleitung die Gewässerökologie negativ beeinflusst werden.
Wohin mit dem Klärschlamm?
Bei der derzeitig üblichen Abwasserbehandlung bleibt zwangsläufig Klärschlamm zurück. Dieser wurde bis vor wenigen Jahrzehnten vielfach deponiert oder von der Landwirtschaft – meist als Dünger – genutzt. Die Deponierung ist seit 2005 untersagt, und in den vergangenen Jahren ging auch die landwirtschaftliche Verwertung zunehmend zurück. Selbstverständlich ist es ein wichtiges Ziel, die Kontamination von Böden zu vermeiden – entsprechend sollten jedoch auch andere belastete Düngemittel die gleichen strengen Regeln zum Schutz des Bodens einhalten müssen.
Klärschlamm enthält sowohl schädliche als auch nützliche Stoffe. Wird er verbrannt, gelangen die schädlichen in die Luft und die nützlichen gehen verloren.
In den vergangenen Jahren wurde der Klärschlamm verbrannt, mit negativen Folgen: Dabei werden Kohlendioxid und Schadstoffe in die Luft oder in verschiedene Stäube und Aschen verlagert. Außerdem werden wertvolle Pflanzennährstoffe wie Stickstoff, Kalium oder Magnesium und weitere Spurenelemente dem Nährstoffkreislauf entzogen. Deshalb stellt das Verbrennen von Klärschlamm aus Sicht des BUND Naturschutz (BN) keine zufriedenstellende Lösung.
Prozentuale Anteile der Behandlungsart von Klärschlamm in Bayern, 1989 bis 2021
Die Grafik zeigt die Entwicklung der Klärschlammbehandlung (anteilig in Prozent) anhand ausgewählter Jahre. Die thermische Behandlung ist hier für spezielle Klärschlammverbrennungsanlagen (sog. Monoverbrennungsanlagen) und die Mitverbrennung etwa in Müllverbrennungsanlagen (MVA) oder Kohlekraft-/Zementwerken zusammen dargestellt. (Quellen: Bayerisches Landesamt für Umwelt/Bayerisches Landesamt für Statistik; Grafik: BN)
Derzeit ist noch keine ökologisch nachhaltige Alternative im Markt etabliert, um die im Klärschlamm enthaltenen Stoffe zu verwerten. Auch die gesetzlich angestrebte Rückgewinnung von Phosphor ist derzeit bei der Verbrennung nicht im großtechnischen Maßstab erprobt und sichergestellt.
Neue EU-Vorgaben für Klärwerke fordern, dass Großanlagen ab 2029 und mittlere Anlagen ab 2032 Phosphor zurückgewinnen müssen. In Bayern wird derzeit propagiert, den Stoff aus der in Klärschlammverbrennungsanlagen (KVA) entstandenen Asche zu recyceln. Dabei gibt es auch Verfahren, die dezentral direkt an den Kläranlagen eingesetzt werden können. Auf diese Weise werden unter anderem der Einsatz von Chemikalien sowie Transporte vermieden, zudem bleiben weitere Mineralien erhalten.
Der BN fordert den Ausstieg aus der Klärschlammverbrennung und lehnt insbesondere den Neubau von Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen ab: Durch diese wird der Weg für nachhaltigere Alternativen schon deswegen verbaut, weil sich die Investitionen auszahlen und die teuren Anlagen ausgelastet sein müssen.
Abhilfe kann nur ein Kreislaufsystem schaffen, das Schadstoffe von vorneherein vermeidet oder eliminiert, so dass diese in den Kläranlagen landen. Die wertvollen Inhaltsstoffe des Abwassers hingegen werden dabei wieder in den Nährstoffkreislauf zurückgeführt.
Sanitärwende: Transformation zum Kreislaufsystem
Unser Abwassersystem muss neu ausgerichtet werden, dafür sprechen insbesondere drei Argumente:
- Unsere Gewässer werden durch die Einleitung von Ablaufwasser der Kläranlagen nach wie vor zu stark belastet.
- Das bestehende Abwassersystem ist nicht in der Lage, die wertvollen Inhaltsstoffe des Abwassers wieder in den Nährstoffkreislauf zurückzuführen.
- Vor dem Hintergrund von Klimawandel und Wasserknappheit muss der Wasserbedarf reduziert werden, unter anderem der Bedarf zum Transport von Fäkalien.
Sanitärwende konkret
Trockentoiletten, Abwasserkomposter und Stoffstromtrennung sorgen dafür, dass Schadstoffe weder im Abwasser noch im Klärschlamm landen. Währenddessen werden wertvolle Inhaltsstoffe des Abwassers wiederverwendet, zum Beispiel als Dünger.
Die Verschmutzung der Gewässer mit Nähr- und Schadstoffen aus dem Abwasser muss beendet werden. Das bestehende, verschwenderische System belastet die Umwelt erheblich, es sollte in ein nachhaltiges Kreislaufsystem transformiert werden.
Anstatt den Fokus auf die Beseitigung unserer Fäkalien zu legen, muss es um die Wiederverwertung der darin enthaltenen Wertstoffe gehen. Menschliche Fäkalien enthalten Nährstoffe, die – korrekt aufbereitet und qualitätsgesichert – als Recyclingdünger das Pflanzenwachstum fördern und in Deutschland bis zu 25 Prozent der konventionellen synthetisch-mineralischen Düngemittel ersetzen können (vgl. Diskussionspapier zur Sanitär- und Nährstoffwende).
Neue Abwasser-Technologien bieten Vorteile
Im Bereich des Abwassers aus privaten Haushalten sind die Ziele mit herkömmlichen Sanitärsystemen nicht zu erreichen. Zu den alternativen Lösungen gehören zum Beispiel:
- Trockentoiletten: Die getrennte und wassersparende Erfassung menschlicher Fäkalien ermöglicht eine spezifische Behandlung der unverdünnten Stoffströme. So können Krankheitserreger leichter abgetötet (Hygienisierung) und Schadstoffe wie Medikamentenrückstände entfernt werden. Eine Ausbreitung in Boden und Wasser wird so verhindert, die Nährstoffe werden sicher recycelt.
- Wohnanlagen mit Stoffstromtrennung: Derzeit entsteht beispielsweise in Hannover eine Wohnanlage mit direkter Verwertung der Inhaltsstoffe menschlicher Ausscheidungen und Grauwassernutzung (weitere Informationen siehe Ecovillage Hannover). In der Schweiz gibt es mehrere realisierte Projekte.
Forderungen des BN für das Abwasser in Bayern
Der BUND Naturschutz (BN) setzt sich dafür ein, das Abwassersystem in ein Kreislaufsystem zu transformieren. Dafür brauchen wir ein anderes Sanitärsystem, in dem umweltschädliche Stoffe vermieden oder eliminiert und die Wertstoffe recycelt werden – anders als bei der Klärschlammverbrennung.
Dafür muss unsere Chemikalien- und Stoffpolitik verändert werden, so dass Schadstoffe nicht mehr in die Umwelt und damit auch nicht mehr in das Abwasser gelangen (siehe auch "Herausforderungen für eine nachhaltige Stoffpolitik"/ BUND-Position 69).
Die Abwasserbehandlung darf kein "Luxus" werden: Es gehört zu den kommunalen Pflichten, Infrastrukturen und Anlagen zur Behandlung, das heißt Reinigung und Wiederverwertung von Abwasser, bereitzustellen.
- Schadstoffe im Abwasserstrom reduzieren, indem bestehende Gesetze und Verordnungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene angewendet werden. Verstöße sind gemäß Umweltschadensgesetz zu ahnden.
- Vorsorgeprinzip für potenziell umweltschädliche Chemikalien bei der Zulassung auf EU-Ebene anwenden.
- Förderung zur Entwicklung umweltfreundlicher Alternativen für ökotoxische Chemikalien, Beachtung der Ermittlungspflicht bei Industriebetrieben: Gefährliche Chemikalien müssen durch weniger gefährliche ersetzt werden.
- Anwendungs- und Einleitungsverbote für nicht abbaubare Stoffe, vergleichbar dem Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) im Jahr 1995.
- Förderung von Forschung und Entwicklung innovativer und nachhaltiger Verfahren zur Abwasser- und Klärschlammbehandlung, mit denen eine möglichst hohe Recyclingquote der im Abwasser enthaltenen Ressourcen verwirklicht werden kann.
- Schaffung der rechtlichen Grundlagen, damit menschliche Ausscheidungen als Ausgangsstoff für Düngemittel wieder zugelassen werden: Getrennt gesammelte menschliche Ausscheidungen sind wesentlich leichter in den Nährstoffkreislauf zurückzuführen als Klärschlamm. Derzeit scheitert das Recycling an gesetzlichen Hürden, auch dann, wenn diese Stoffe einwandfrei hygienisiert werden (siehe auch Positionspapier "Recyclingdünger: warum wir eine Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen brauchen, um Wasser zu sparen, Schadstoffe zu reduzieren und Ressourcen zu schonen").
- Alternative Abwasserbehandlung in neuen Wohngebieten: Bei der Planung neuer reiner Wohngebiete muss eine Abwasserbehandlung installiert werden, bei der im Abwasser enthaltene Wertstoffe im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zurückgewonnen werden.