- Home ›
- Themen ›
- Wirtschaft und Umwelt ›
- Abwasser-Abgabengesetz
Abwasser-Abgabengesetz
Fast niemand weiß mehr, dass die erste Ökosteuer-Regelung in Deutschland fast 50 Jahre alt ist. Es wurde, gegen den erbitterten Widerstand der Wirtschaft, von der SPD-FDP-Koalition durchgesetzt. Flüsse und Seen waren damals durch Abwasser dermaßen verschmutzt, dass auch die FDP den Handlungsbedarf anerkannte. Diese brachte mit dem Abwasserabgabengesetz ein marktwirtschaftliches Instrument ein. Dabei wurde das Einleiten von Schmutzwasser jedes Jahr teurer.
Ziel: Flüsse und Seen müssen wieder sauber werden
Anfang der 1970er Jahre hatten sich die meisten Gewässer in einem bedrohlichen Zustand befunden. Immer mehr Fischarten waren gefährdet, das Baden war in fast allen größeren Flüssen nicht mehr möglich. Durch eine steigende Abgabe sollte die Verschmutzung systematisch reduziert werden.
Maßnahme: Das Verschmutzen wird Jahr für Jahr teurer
Nach mehrjährigen, schwierigen Verhandlungen verabschiedete die SPD-FDP-Koalition im Deutschen Bundestag 1976 das „Abwasserabgabengesetz“. Es hatte einen fünfjährigen Vorlauf, so dass sich die Betroffenen darauf einstellen konnten. Die Wirkungsweise: Industrie aber auch Kommunen mussten bei quantitativ genau festgelegten Schmutzfrachten steigende Abgaben zahlen: 1981: 12 DM, 1982: 18 DM, in den folgenden Jahren stieg die Abgabe jeweils um weitere 6 DM, bis zur Endstufe von 40 DM im Jahr 1986. Die Gebühren waren so bemessen, dass es kostengünstiger war, bessere Kläranlagen oder Filter zu installieren, als jährlich die immer höheren Abgabe zu zahlen. Die Einnahmen aus der Abwasserabgabe wurden - als Zuschüsse für die Kommunen oder Abwasserzweckverbände - wieder in die Verbesserung der Wasserqualität investiert.
Bilanz: Es hat hervorragend funktioniert
Die Flüsse sind wesentlich sauberer geworden. In vielen Flüssen kann wieder gebadet werden. Auch verwaltungstechnisch hat es gut funktioniert. Trotz erbitterter Gegenwehr der Industrielobby im Vorfeld, gibt es keinen einzigen Fall von Arbeitsplatzverlusten. Im Gegenteil sind im Anlagenbau Arbeitsplätze entstanden. Für den Export gibt es zwar keine direkte Zurechnung; es ist jedoch anzunehmen, dass es durch den „erzwungenen“ technischen Fortschritt auch zu einer Ausweitung des Exports derartiger Filteranlagen mit entsprechenden positiven Arbeitsplatzeffekten gekommen ist.
Unter Kohl wurde das Abwasserabgabengesetz verwässert
Allerdings bleiben zwei Problemfelder. Erstens wurde die Abgabe nach 1986 nur noch schwach erhöht, bis zum heute noch gültigen Satz von 35 Euro (DM 70). Dazu kommt, dass die Kohl-Regierung die Tür für Länderzuständigkeiten, und damit für Schlupflöcher, weit geöffnet hat. Dass eine andere Regierungsmehrheit später der Wirtschaft wieder viele Zugeständnisse machte und die Regelung entschärfte, ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Richtigkeit dieses Gesetzes.
Zum zweiten sind mittlerweile viele Gewässer wegen der immer industrieähnlicheren Landwirtschaft wieder in einem problematischen Zustand. Pestizide und synthetischer Dünger gelangen - oft wegen fehlender Schutzstreifen - in die Bäche und Flüsse. Gegen diese diffusen Schadstoffeinträge kann das Abwasserabgabengesetz keine Wirkung zeigen. Hier sind in erster Linie das Ordnungsrecht und eine strengere Überwachung notwendig.
Ideal für den rationalen Unternehmer
Ungeachtet dieser Probleme war das Abwasserabgabengesetz erfolgreich als die erste deutsche Ökosteuer. Erstmals wurden die externen Kosten nicht einfach der Umwelt (in diesem Fall den Gewässern) aufgebürdet. Sie wurden vielmehr "internalisiert", also den Verursachern in Rechnung gestellt. Dabei gab es einen langen Anpassungsraum von der Verabschiedung1976 bis zum ersten Abgabeschritt 1981. Und auch in den darauf folgenden fünf Jahren wurden die Daumenschrauben nur schrittweise angezogen, so dass der rationale Unternehmer lange genug Zeit hatte, sich auf die neue Umweltgesetzgebung einzustellen. Denn nur ein betriebswirtschaftlicher Dummkopf wird auf Dauer lieber steigende Strafen zahlen als die niedrigeren Kosten für die Reinigung aufbringen.
Fazit: Die Panikmache der Wirtschaft lief ins Leere
Es ist völlig unverständlich, warum dieses Gesetz bis heute von keiner Partei als vorbildliches und wirkungsvolles Instrument hervorgehoben wird. Nach seinem Vorbild ließen sich viele Bereiche differenziert und wirkungsvoll regeln. Denn Ökosteuern sind für die Unternehmen langfristig kalkulierbar und sie lassen sich durch ökologisch erwünschtes Verhalten reduzieren oder gänzlich vermeiden. Außerdem lassen sie sich, wegen ihrer schrittweisen Verschärfung, perfekt justieren. Im Notfall könnten sie sogar wieder ganz oder teilweise zurückgeholt werden, sollten unerwünschte Effekte dominieren. Zudem könnte am Beispiel "Abwasserabgabengesetz" sehr präzise gezeigt werden, dass man der reflexhaften Panikmache der Wirtschaft mit gut durchdachten, aber entschlossenen Gesetzen entgegentreten kann. Denn letztlich gilt auch hier: Was ökologisch richtig ist, erweist sich langfristig auch als ökonomisch sinnvoll.
Text und Redaktion: Heiner Müller-Ermann (Sprecher BN-Arbeitskreis Wirtschaft)