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Biber – unverzichtbar für Bayerns Biodiversität!

Wegen der überragenden Bedeutung des Bibers für die Biodiversität in Bayern und den kostenlosen Renaturierungsleistungen, die er für die Gesellschaft erbringt fordert der Bund Naturschutz (BN) die Staatsregierung auf, dem Wunsch einzelner CSU-Politiker und Vertreter des Bauernverbandes nach einer pauschalen Biberverordnung mit „biberfreien Zonen“ an 60.000 km bayerischer Fließgewässer eine klare Absage zu erteilen.

17.04.2008

BN-Vorsitzender Hubert Weiger: „An einem Tag die bayerische Biodiversitätsstrategie zur Erhaltung der Artenvielfalt verabschieden, am nächsten Tag den Biber zum Abschuss frei geben – das passt nicht zusammen. Der Biber hat wie alle heimischen Tierarten Recht auf Leben in den bayerischen Regionen, so haben es auch alle Parteien im Landtag beschlossen. Gerade der Biber verdient den Schutz, denn es gibt in Bayern keine zweite Tierart, die so viel Artenvielfalt in den Auen und für einen natürlichen Hochwasserschutz schafft wie der Biber.“

 

Die Einführung eines staatlichen Härtefall-Fonds zur Regulierung der Schäden in der Landwirtschaft und ein Uferstreifenprogramm sind für den Bund Naturschutz die notwendigen Begleitmaßnahmen. Der im Hochwasserschutzgesetz geforderte dezentrale Hochwasserschutz bietet dem Biber gleichzeitig den notwendigen Lebensraum in den Auen. Ein landesweites Förderprogramm für dezentrale Hochwasserrückhaltung, das die positiven Wirkungen des Bibers integriert, ist überfällig.

 

Eine pauschale Biberverordnung, die den Biber von seinem natürlichen Lebensraum an allen Bächen Bayerns („Gewässer 3. Ordnung“) ausschließt, bedeutet die regionale Ausrottung dieser Tierart, da ihm dann sein Hauptlebensraum genommen würde. Von 70.000 km Fließgewässern in Bayern, die von Quellbächen bis zu den großen Flüssen wie Main und Donau reichen, sind 60.000 km oder 85 % der Fließgewässer als Gewässer 3. Ordnung eingestuft. Nach der Verlagerung der Biber-Zuständigkeit auf die Landratsämter und einer von Bayern wegen dem Biber betriebenen Schwächung des Bundesnaturschutzgesetzes stellt die angedachte Pauschalverordnung die dritte Stufe dar, den Schutzstatus des Bibers in Bayern entscheidend zu schwächen. Anstatt wie bisher im Einzelfall, würde dann der Biber pauschal aus den Gewässern 3. Ordnung entfernt werden. In über 85 % der bayerischen Fließgewässer könnte so ohne Kontrolle Jagd auf den Biber gemacht werden. Dies könnte zum zweiten Mal die regionale Ausrottung des Ökobaumeisters bedeuten.

 

Damit drohen pauschale Bibertötungen, ohne wie bisher im Einzelfall vor Ort erst die Problemlage zu prüfen. Die Initiatoren verschweigen, dass 70% der bayerischen Biberreviere völlig konfliktfrei sind und dass es im Freistaat Bayern seit über 10 Jahren ein landesweites Bibermanagement gibt. Zwei landesweite hauptamtliche Biberberater zusammen mit ca. 220 ausgebildeten ehrenamtlichen Biberberatern, überwiegend örtliche Landwirte, Naturschützer und Jäger, führen konkrete Konfliktlösungen vor Ort durch. Wenn es keine anderen Möglichkeiten in besonderen Konfliktsituationen gibt z.B. bei Kläranlagen oder an Fischteichen, erfolgt als ultima ratio wenn nötig innerhalb von Stunden der Abfang mit Lebendfallen und auch die Tötung. Seit 2001 sind bei einem Gesamtbestand von aktuell ca. 10.000 Exemplaren aus Rücksicht auf Landnutzer über 2.000 Biber in Bayern an Konfliktpunkten gefangen und davon über 1.000 getötet worden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Abgeordnete vor diesem Hintergrund noch „eine Lockerung des strengen Tötungsverbotes“ verlangen.

 

Da wo die CSU-Abgeordneten auf bayerischer Ebene sinnvoll handeln könnten, nämlich beim Einsatz für verstärkte Mittelbereitstellung staatlicher Naturschutzförderprogramme z.B. für Pufferzonen zwischen Fließgewässer und landwirtschaftlicher Nutzung und der Schaffung eines staatlich gespeisten Entschädigungsfonds bei Biberschäden – einer langjährigen gemeinsamen Forderung von Bayerischem Bauernverband und BN – blieben sie bislang untätig.

 

Die Bayerische Staatsregierung hat erst in der Kabinettssitzung vom 1.4.2008 eine „Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Bayern“ beschlossen. Danach sollen der Artenrückgang gestoppt werden und die Anzahl gefährdeter Arten deutlich verringert werden. Die biologische Vielfalt Bayerns soll erhalten und Maßnahmen zu ihrer Sicherung in allen relevanten Politikbereichen fest verankert sein. Im Bereich der Fließgewässer ist aber gerade der Biber der Motor der Artenvielfalt! Ein behördlich verordneter Ausschluss aus seinen wichtigsten Lebensräumen würde die Ziele der bayerischen Biodiversitätsstrategie ad absurdum führen.

 

Der Biber schafft mit seiner Bautätigkeit wertvollste neue Feuchtgebiete. Der fleißige Handwerker zimmert mit seiner Bautätigkeit Lebensraum für Hunderte bedrohte Arten, vom Stichling über die Ringelnatter bis zum Weißstorch. Und der Biber schafft Hochwasserschutz: als einziger Wasserbauer im Tierreich hält er Wasser in der Landschaft und verzögert den Abfluss bis um das Hundertsechzigfache. Hubert Weiger, BN-Landesvorsitzender: „In Zeiten des Klimawandels mit immer stärkeren, plötzlichen Niederschlägen und sommerlichen Dürreperioden brauchen wir alles, was den Wasserabfluss verzögert oder dämpft!“.

 

An Gewässern dritter Ordnung im Bereich der Mittelgebirge und des Hügellandes können vom Biber mit Dämmen angestaute Bereiche gezielt als Hochwasserbremsen und Wasserrückhalt genutzt werden. Da die Staue sich oft in landwirtschaftlich genutzten Lagen befinden, sollten im Rahmen kommunaler Möglichkeiten oder mit der Flurneuordnung Flächentausche erfolgen. Der BN fordert daher statt verbaler Biberhetze ein vom Freistaat gefördertes Programm zur dezentralen Wasserrückhaltung im kommunalen Bereich unter gezieltem Einbezug der positiven Hochwasserwirkung des Bibers – das wäre ein konkreter Beitrag zur Umsetzung der bayerischen Biodiversitätsstrategie !

 

gez.                                                    gez.

Prof. Dr. Hubert Weiger                     Dr. Kai Frobel

Landesvorsitzender                           Referatsleiter Arten- und Biotopschutz

                                                           Tel. 0911 / 81878-18

 

Anhang 1: Bibermanagement

 

Nach Vorläuferprojekten in der Region Ingolstadt besteht seit 1998 ein landesweites Bibermanagement, in dem zwei landesweite hauptamtliche Biberberater zusammen mit ca. 220 ausgebildeten ehrenamtlichen Biberberatern, überwiegend örtlichen Landwirten, Naturschützern und Jägern, die konkrete Konfliktlösungen vor Ort durchführen. Allein die beiden landesweiten Biberberater nehmen jährlich ca. 500 Ortstermine mit über 60.000 Fahrtkilometer wahr. Dies erfolgt unter der Trägerschaft des Bund Naturschutz (BN) und wird finanziert vom Bayerischen Naturschutzfonds und vom BN (jährlicher Aufwand 154.000 €) und erfolgt in engster Abstimmung mit dem StMUGV und allen bayerischen Naturschutzfachbehörden.

 

Die Spannweite von der individuellen Beratung vor Ort über ein Bündel wirkungsvoller Präventivmaßnahmen (z.B. Einsatz von staatlichen Fördermitteln, Verbissschutz, Elektrozäunen, Ankauf) bietet alle erdenklichen Maßnahmen, um Einzelkonflikte mit einer Erfolgsquote von über 90% (!) vor Ort zu lösen. Zusätzlich stellt der Bund Naturschutz einen allein aus Verbandsmitteln gespeisten landesweiten Härtefonds für besonders von Schäden betroffene Land- und Teichwirte zur Verfügung, aus dem von 1997 bis 2007 Zahlungen an 389 Landwirte in Höhe von 151.000 € erfolgten.

 

Das bayerische Biberberatersystem hat sich als modernes, höchst effizientes Wildtier-Managementsystem bestens bewährt. Es hat die klassischen Konflikte Biber / Landwirtschaft inzwischen deutlich reduziert. Es fehlt jedoch noch ein staatlich gespeister Entschädigungsfonds bei Biberschäden – eine langjährige gemeinsame Forderung von Bayerischem Bauernverband und BN!

 

Ohne Kenntnis der tatsächlichen landesweiten Zahlen und Fakten werden wenige örtliche und keinesfalls aus dem üblichen Rahmen fallende Probleme, die in anderen bayerischen Landkreisen positiv ohne öffentliche Resonanz gelöst werden, von einzelnen Politikern aufgebauscht. Dabei wird auch verschwiegen, dass in gut 2/3 der knapp 3.000 bayerischen Biberreviere es zu gar keinen Konflikten mit der menschlichen Landnutzung kommt!

 

 

Anhang 2: Klimawandel

In Zeiten des Klimawandels sind wegen immer stärkerer Niederschlagsereignisse und sommerlicher Dürreperioden alle Maßnahmen entscheidend, die den Wasserabfluss verzögern oder dämpfen. Biberdämme und Rückstaue halten dezentral Wasser an den Oberläufen der Bäche zurück und tragen dazu bei, Hochwasserspitzen zu kappen. Der Biber als einziger Wasserbauer im Tierreich hält Wasser in der Landschaft. An Gewässern dritter Ordnung im Bereich der Mittelgebirge und des Hügellandes können vom Biber mit Dämmen angestaute Bereiche gezielt als Hochwasserbremsen und Wasserrückhalt genutzt werden. Diese wasserwirtschaftlichen Effekte des Bibers werden künftig eine besonders positive und zwingend notwendige Funktion haben. Es wäre grotesk, Biberdämme im Oberlauf zu beseitigen und gleichzeitig ebenfalls mit Steuermitteln neue großtechnische Dämme im Unterlauf zu bauen.

 

Da die Staue sich oft in landwirtschaftlich genutzten Lagen befinden, sollten im Rahmen kommunaler Möglichkeiten oder mit der Flurneuordnung Flächentausche erfolgen. Der Freistaat darf die zuständigen Kommunen bei diesen dezentralen Ansätzen wie sie z.B. im Bereich der Gemeinde Scheinfeld, Lkr. Neustadt/Aisch bereits modellhaft laufen, aber nicht alleine lassen. Der BN fordert, ein vom Freistaat gefördertes Programm zur dezentralen Wasserrückhaltung im kommunalen Bereich von ca. 3 Mio. € unter gezieltem Einbezug der positiven Hochwasserwirkung des Bibers!

 

Anhang 3: Biber und Artenvielfalt

 

Mit dem Biber kehrt eine ökologische „Schlüsselart“ der Feuchtgebiete zurück. Der Landschaftsarchitekt Biber kann als Motor der Auendynamik wie keine zweite heimische Tierart seinen Lebensraum aktiv gestalten. Vom Biber angelegte Lebensräume sind natürliche, dynamische und damit artenreiche Biotope für viele andere Arten, darunter wie neue Untersuchungen auch aus Bayern eindrucksvoll belegen, für eine Fülle von Arten der Roten Liste. Der fleißige Handwerker zimmert mit seiner Bautätigkeit Lebensraum für andere bedrohte Arten, vom Stichling über die Ringelnatter bis zum Schwarzstorch. Seine kostenlosen Renaturierungsleistungen sind für die Förderung der Biodiversität in der Kulturlandschaft unverzichtbar.

 

Neue Untersuchungen in Mittelfranken belegen eindrucksvoll die unverzichtbare Rolle des Bibers für den Artenreichtum in Bayern. Zur Dokumentation der biberbedingten Einflüsse auf die Landschaft und die Tier- und Pflanzenwelt werden seit 1999 turnusmäßige Erhebungen in insgesamt acht Bibergebieten um Treuchtlingen, bei Triesdorf und an der Wieseth durchgeführt. Hierbei erfolgt eine flächige Vegetationskartierung, eine Dauerbeobachtung der Vegetation auf fest eingerichteten Flächen sowie eine Bestandserhebung wertgebender Pflanzenarten und ausgewählter Tiergruppen.

 

Durch die Stautätigkeit der Biber sind in fünf von acht untersuchten Gebieten innerhalb weniger Jahre ausgedehnte Sumpfgebiete mit hohem Naturschutzwert entstehen. Sie umfassen neu entstandene Staugewässer mit großen Flachwasserzonen und mosaikartigen Röhrichtbeständen sowie ein dichtes Netz von Gräben, Bächen und Tümpeln. Die Tier- und Pflanzenwelt profitiert in auffälliger Weise von der Gewässer- und Auenrevitalisierung:

 

·               Positive Bestandsentwicklungen oder Neuansiedlungen von 29 gefährdeten Pflanzenarten auf fünf Probeflächen sind auf Bibereffekte zurückzuführen.

·               Kleinfische sind um die Biberburgen und ins Wasser hinein gefällte Gehölze auffällig zahlreicher und oft in großen Schwärmen vertreten.

·               In mehreren Gebieten mit flachen Biberteichen haben sich in kurzer Zeit große Laichgemeinschaften des Grasfrosches mit teils mehreren Tausend Tieren gebildet. Auch Laubfrosch und Knoblauchkröte haben sich angesiedelt.

·               Seit 1999 wurden auf den acht Probeflächen insgesamt 105 Vogelarten registriert, darunter 49 seltene Arten wie Wasserralle, Eisvogel und Blaukehlchen und elf hochgradig gefährdete bayerische Brutvogelarten wie Bekassine, Kiebitz, Krickente, Rohrdommel und Wachtelkönig. Vom hervorragenden Nahrungsangebot profitieren v.a. Vögel, die sich von Kleinfischen und Amphibien ernähren. Außerdem Röhrichtbrüter wie der Teichrohrsänger, die ihren Bestand seit Beginn des Monitorings nahezu verdoppeln konnten.

·               Unter den 34 bisher registrierten Libellenarten sind 14 seltene Arten mit unterschiedlichsten Lebensraumansprüchen (Pioniere, Fliess- und Stillgewässerbewohner, Arten von instabilen Gewässern). Die Artenzahl ist seit der Biberbesiedlung deutlich angestiegen und bleibt seither zumindest stabil, auf vier Probeflächen sogar weiter ansteigend.

 

Besonders eindrucksvoll zeigt sich ein fortgesetzt positiver Effekt der Biber auf konkurrenzschwache Arten, die auf noch unbewachsene Gewässerufer angewiesen sind. Während künstlich angelegte Flachgewässer i.d.R. schnell verlanden, halten Biber durch ihre Stau-, Fraß- und Grabtätigkeit Gewässer teilweise offen und schaffen kleinflächig immer wieder neue vegetationsfreie Bereiche. Pionierbesiedler wie Kleine Pechlibelle, Südlicher Blaupfeil und Grasfrosch können deshalb dauerhaft in den Biberrevieren leben und dort teils besonders große Bestände bilden. In durch Menschen "gemanagten" Naturschutzgewässern wären zu dieser Leistung immer wieder aufwändige, kostenträchtige und vor allem die Tierwelt massiv störende Gestaltungsmaßnahmen erforderlich.

 

Biber sind hier eindeutig billiger und effektiver als (für den Naturschutz eingesetzte) Bagger. Kein von Menschen künstlich angelegtes Feuchtgebiet kann die Naturschutz-Qualität und Artenfülle erreichen, die ein vom Biber geschaffenes Feuchtbiotop bietet.

 

Andere Untersuchungen belegen ausgesprochen positive Effekte des Bibers auf die Fischfauna:

Vom Biber gefällte Äste und Bäume bilden im Wasser liegend eine Struktur, an die Fische ihren Laich anheften, hier findet die Fischbrut Verstecke vor ihren Feinden und auf seiner Oberfläche wachsen Algenrasen, die von Schnecken und Fischen abgeweidet werden. Auch Köcher- und Steinfliegenlarven nutzen dieses Element als Lebensraum.

 

Totholz führt außerdem im Wasser zu Verwirbelungen, wodurch sich Sauerstoff anreichert. Im strömungsärmeren Kehrwasser der Stämme stehen bevorzugt die Äschen. Im direkten Umfeld des Ast-Dschungels einer Biberburg findet man Fischdichten, die bis 80 mal so hoch sind wie sonst. Vom Biber gefällte, im Fluss liegende Bäume und Äste sind die besten Unterstände für hoch bedrohte Fischarten. Die Bedeutung derartiger Totholzstrukturen in Fließgewässern wurde erst im Juni 2005 durch eine Dokumentation „Totholz bringt Leben in Flüsse und Bäche“ des Landesfischereiverbandes und des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft belegt.

Totholz ist sogar so bedeutend für vielfältige und fischreiche Gewässer, dass die Wasserwirtschaft ebenso wie manche Fischereivereine dieses Element inzwischen künstlich in die Gewässer einbringen, wo diese Strukturen fehlen. An der Isar bei München wurde dies erfolgreich praktiziert und wissenschaftlich begleitet. Bayerische Fischereivereine bringen also extra Totholz wieder in Fließgewässer ein – der Biber macht dies kostenlos und garantiert damit artenreiche Fischbestände!