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Den Kiebitz in Bayern retten
Die Zahlen sprechen für sich: 80 Prozent der bayerischen Kiebitz-Brutpaare gingen in den vergangenen 20 Jahren verloren. Wie andere Wiesenbrüter auch, leidet der Vogel extrem unter der intensiven Landwirtschaft und findet kaum noch passenden Lebensraum. Der BUND Naturschutz setzt alles daran, den Kiebitz im Freistaat zu erhalten.
"Ki-witt, ki-witt" – wann haben Sie das zuletzt in den Feldern draußen gehört? Bei vielen Menschen in Bayern dürfte das lange her sein. Und manch Jüngerer unter uns hat vielleicht noch nie die Freude gehabt, den Wiesenbrüter in natura zu beobachten. Denn der Vogel mit dem auffälligen Federschmuck auf dem Kopf – früher ein Allerweltsvogel – ist in Bayern inzwischen stark gefährdet. In vielen Regionen Deutschlands ist er bereits ganz verschwunden.
2500
Brutpaare in Bayern
Circa 1/3
brütet im Landkreis Dingolfing-Landau
80 %
Bestandsabnahme
Bei einer bayernweiten Erfassung haben Vogelschützer 2015 nur noch 2.500 Kiebitz-Brutpaare finden können. Das bestätigt den seit Jahrzehnten beobachteten traurigen Abwärtstrend: In den letzten 20 Jahren haben die Kiebitzbestände in Bayern um 80 Prozent, in Deutschland zwischen 1992 und 2016 sogar um 88 Prozent abgenommen.
Steckbrief Kiebitz: Wissenswertes in aller Kürze
Der etwa taubengroße Kiebitz (Vanellus vanellus) gehört zur Familie der Regenpfeifer (Charadriidae). Sein auffälligstes Merkmal ist sicher die sogenannte Federholle auf dem Kopf. Bekannt ist der Vogel mit den breiten, paddelförmigen Flügeln aber auch für die spektakulären Balzflüge der Männchen. Diese fliegen bei der "Brautwerbung" zuerst steil auf, um sich dann kopfüber in die Tiefe fallen zu lassen. Erst kurz vor dem Boden stoppen sie ihren Sturzflug, wobei die Flügel ein klatschendes Geräusch erzeugen. Manchmal rollen sie sich im Flug sogar auf den Rücken oder werfen sich von einer Seite auf die andere, sodass abwechselnd die dunkle Oberseite beziehungsweise die weiße Unterseite sichtbar wird. Dabei erschallt weithin der bekannte Ruf: "Kiii-wiiitt, Kii-wiiitt“. Diese Flugkünste haben dem Kiebitz auch den Spitznamen "Gaukler der Lüfte" eingebracht.
Steckbrief
Kiebitz
Der Kiebitz ist ein stattlicher Vogel mit auffälligen Kennzeichen:
- etwa 30 cm lang, über 70 cm Flügelspanne
- schwarzer Schnabel, große, dunkle Augen
- schwarze, nach hinten abstehende Federholle
- weißer Bauch, weiße Spitzen an den Handschwingen, helle Wangenpartie
- dunkle Oberseite, grünlich schillernd
- rote Beine
Kiebitze bevorzugen zur Brut offene flache Landschaften mit wenig Bewuchs, die sie gut überblicken können. Ursprünglich waren sie meist an Gewässerrändern oder auf feuchten Wiesen und Weiden zu finden. Weil dieser natürliche Lebensraum in den vergangenen Jahrzehnten immer seltener geworden ist, weicht der Kiebitz heute zunehmend auf ackerbaulich genutzte Flächen aus und beginnt im Frühjahr auf Feldern ohne Bewuchs mit der Brut.
Leider gibt es auf solchen Äckern oft wenig Nahrung für die Küken. Ideal ist es daher, wenn Wiesen und Äcker eng und kleinteilig nebeneinander liegen, weil die Eltern ihren Nachwuchs dann zur Nahrungssuche ins Grünland führen können. Kiebitze brüten oft in Kolonien und verteidigen nur die Umgebung des Nestes gegenüber Artgenossen. Feinde können dann gemeinsam abgewehrt werden.
Kiebitze halten sich gerne in der Nähe von Wasserstellen oder feuchten Senken auf, wo die Altvögel Bodenorganismen wie Regenwürmer finden. Die Jungvögel müssen von Anfang an selbst für ihre Nahrung sorgen. Sie erbeuten beispielsweise Insekten und Spinnen.
Die in Deutschland brütenden Kiebitze sind Zugvögel, die aber oft nur kurze Strecken ziehen. Sie überwintern in West- und Südeuropa sowie Nordafrika. In milderen Wintern bleiben viele Kiebitze in Mitteleuropa.
Von West nach Ost erstreckt sich das Verbreitungsgebiet des Kiebitzes von der iberischen Halbinsel bis zur Pazifikküste Russlands. Von Süd nach Nord kommt der Vogel vom nördlichen Mittelmeerraum bis nach Nordskandinavien vor.
In Bayern brütet der Kiebitz laut Bayerischem Landesamt für Umwelt schwerpunktmäßig in den großen Flussniederungen (v. a. Donau, Isar, Altmühl) mit ihren Niedermoorgebieten sowie Beckenlandschaften und Niederungen (z. B. Aischgrund, Ries, Isar-Inn-Schotterplatten). Größere Verbreitungslücken gibt es auf der Frankenalb, in den höheren bewaldeten Mittelgebirgen Ostbayerns und Unterfrankens sowie auf großräumig bewaldeten Flächen Südbayerns.
Ja, der Kiebitz ist laut Roter Liste (2016) in Bayern und ganz Deutschland stark gefährdet (RL 2). Er zählt zudem nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 BNatSchG) zu den streng geschützten Arten. Es gilt damit – wie für alle europäischen Vogelarten – das Verbot, den Kiebitz, seine Eier, Küken, Brut- und Ruhestätten zu schädigen, zu töten bzw. zu zerstören. Außerdem sind erhebliche Störungen verboten, etwa während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderzeit.
Die Männchen tragen während der Brutzeit, also im Prachtkleid, eine längere Federholle auf dem Kopf als die Weibchen. Auch Jungvögel haben zu Beginn nur eine kurze Federholle.
Das Kiebitzweibchen legt meist vier extrem gut getarnte Eier in ein Bodennest. Es brütet dann etwa 26 Tage lang und wird dabei vom Männchen gut bewacht. Bei Störungen wird das Nest umgehend verlassen.
Kiebitze sind Nestflüchter. Wenn die Jungen geschlüpft sind, suchen sie schon nach kurzer Zeit eigenständig nach Nahrung. Sie kehren aber immer wieder unter das wärmende Gefieder der Mutter zurück und werden dort "gehudert". In dieser Phase sind die Jungen – vor allem auf Äckern – sehr gefährdet, weil sie durch ihr Tarnkleid kaum zu erkennen sind. Außerdem flüchten sie bei Gefahr (z. B. durch Traktoren) nicht, sondern ducken sich weg.
Nach ca. vier Wochen können die Jungen fliegen und sind kurz darauf selbstständig. Kiebitze können bis zu 24 Jahre alt werden.
Warum gibt es immer weniger Kiebitze in Bayern?
Der Kiebitz leidet durch den Verlust und die Verschlechterung seiner Lebensräume durch:
- hohen Flächenverbrauch
- Zerschneidung von Lebensräumen (z. B. für Verkehrswege wie Straßen)
- Störungen durch menschliche Freizeitaktivitäten
Am meisten setzt dem Kiebitz aber die immer intensivere Landwirtschaft zu. Da ergeht es ihm nicht anders als den übrigen Wiesenbrütern, deren Bestände größtenteils ebenfalls stark gefährdet sind. Denn die Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten komplett verändert. Das zeigt sich sehr stark am Grünland. Ehemals schlecht nutzbare, magere nasse Wiesen und Weiden wurden im großen Stil trockengelegt und durch häufiges Düngen in artenarmes Einheitsgrün umgewandelt, das viele Male pro Sommer gemäht wird.
Oft wurde das Grünland gleich in Äcker umgewandelt oder bebaut. Allein in Bayern gingen zwischen 2003 und 2012 mehr als fünf Prozent der Wiesen und Weiden verloren. Feuchtwiesen – die natürlichen Bruträume von Kiebitzen – sind besonders selten geworden. Die Kiebitze weichen deshalb zur Brut immer öfter auf noch unbestellte Äcker aus. Wenn die Bauern dann Mitte April mit der Bodenbearbeitung und Aussaat beginnen, ist das ein Desaster für Eier und Küken: Bis zu 90 Prozent der wichtigen ersten Brut im bedeutendsten bayerischen Kiebitzbrutgebiet im Landkreis Dingolfing-Landau sterben durch landwirtschaftliche Maschinen.
Wo der BN für Kiebitz & Co. aktiv ist
Neben dem wichtigen Kiebitzprojekt in Dingolfing-Landau ist der BUND Naturschutz in Bayern e. V. (BN) ebenso im Mertinger Ried aktiv, auch Mertinger Höll genannt. Es liegt zwischen Donauwörth, Mertingen und Oberthürheim und ist eines der letzten ursprünglichen Wiesengebiete im Schwäbischen Donauried. Wegen seines offenen Charakters hat es gerade für die Wiesenbrüter eine große Bedeutung. Vogelarten wie Kiebitz, Großer Brachvogel und Wachtelkönig nutzen das Östliche Donauried als letztes Rückzugsgebiet. Jahr für Jahr ziehen sie in die etwa 25 Quadratkilometer große Region zwischen Donau, Schmutter und Zusam, um ihre Jungen großzuziehen.
Der Bruterfolg von Großem Brachvogel und Kiebitz spielt im Östlichen Donauried eine besondere Rolle. Und auch hier geht nichts ohne die Landwirte. Deshalb finanziert der BN seit 2015 die Gebietsbetreuung durch Michael Oblinger. Der Forstwissenschaftler erfasst die Revier- und Neststandorte der Wiesenbrüter. Hat er ein Gelege ausfindig gemacht, ermittelt und kontaktiert er den bewirtschaftenden Landwirt und versucht eine Maßnahme zum Gelegeschutz zu vereinbaren.