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Tiere und Pflanzen

Bund Naturschutz fordert von Bayerischer Staatsregierung endlich ein klares Bekenntnis für gentechnikfreien Anbau und Lebensmittelproduktion

Erfahrung aus Kanada zeigt: Agrogentechnik dient Konzerninteressen, Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirtinnen und Landwirte sowie Umwelt werden gefährdet

05.04.2011

Das kanadische Farmer-Ehepaar Percy und Louise Schmeiser  steht für den unermüdlichen Einsatz gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft. Nach über zehn Jahren juristischer Auseinandersetzung bis zum Obersten Gericht Kanadas verwiesen die Schmeisers den Weltkonzern Monsanto in die Schranken, indem sie mit einem Präzedenz-Urteil Monsanto zwangen, bedingungslos die Haftung gentechnischer Verunreinigung zu übernehmen. Für ihren Kampf gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft erhielt das Ehepaar Schmeiser 2007 den Alternativen Nobelpreis, im Vorjahr den Naturschutzpreis des Bund Naturschutz Landesverbands. Percy Schmeiser informiert bei seinen Vorträgen kompetent und authentisch über die Gefahren und Risiken der Gentechnik. Durch den Einsatz der Gentechnik werden sowohl die biologische als auch die konventionelle Landwirtschaft gefährdet und die Wahlmöglichkeiten und Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher auf vielfältige gesunde Lebensmittel massiv eingeschränkt.

Richard Mergner, Landesbeauftragter des  Bundes Naturschutz, fordert von der bayerischen Staatsregierung, „sich angesichts der erdrückenden Fakten endlich aus der Umklammerung der FDP zu lösen und sich von der  Agrogentechnik zu distanzieren. Ein Beitritt Bayerns zum europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen sei mehr als überfällig: Thüringen und  Nordrhein-Westfalen hätten diesen Schritt vor kurzem bereits vollzogen. Bayern könne sich angesichts der vielfachen Ankündigungen für ein gentechnikfreies Bayern nicht länger hinter der FDP verstecken“.

Das „Europäische Netzwerk Gentechnikfreie Regionen“ wurde im November 2003 von zehn europäischen Regionen mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Deklaration gegründet. Ziel des Netzwerks ist es, das Recht zu erreichen, in der eigenen Region über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zu entscheiden. Darüber hinaus ist es eine bedeutende europäische Plattform für den Austausch von Informationen. Jede Region, die dem Netzwerk beitreten möchte, unterzeichnet dazu die „Charta der Gentechnikfreien Regionen“. Mittlerweile gehören dem Netzwerk 53 Regionen aus acht europäischen Ländern an.

 

Aktuelle Entwicklungen

Nach wie vor sind die Forschungen bei der Agrogentechnik weit davon entfernt, Vorteile für Verbraucher oder Landwirte zu bieten. 99% der weltweit angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen erzeugen Pestizide oder werden damit behandelt.

Berichte über resistente Beikräuter in gentechnisch veränderten Sojakulturen, die mit Round-up, einem Herbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat besprüht wurden, häufen sich. Bereits  21 Glyphosatresistente „Unkraut“arten auf Millionen von Hektar in USA und Südamerika sind im Moment bekannt. In den USA hat sich der Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln von 1996 bis 2008 um 174.000 Tonnen erhöht. In der EU und damit auch in Deutschland sind eine ganze Reihe von gentechnisch veränderten Pflanzen für den Import als Futtermittel zugelassen. Diese enthalten auch Rückstände des Herbizids. Darüber hinaus hat die EU vor wenigen Wochen auch Rückstände von in der EU nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen bis zu 0,1% zugelassen.

Der BN hält dies für eine verantwortungslose Politik. Auch das Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen in der EU über die EFSA (European Food Safety Authority) ist höchst umstritten, zumal Mitglieder der Zulassungsbehörde gleichzeitig Mitglieder in Industrieverbänden sind, die an Forschung und Entwicklung von Gentech-pflanzen arbeiten.

Ergebnisse von Fütterungsversuchen untermauern die Zweifel an der Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen für Mensch und Tier. So berichtete eine Arbeitsgruppe der Universität Wien, dass in Langzeitfütterungsversuchen mit dem Gentech-Mais NK603xMON810 Effekte auf die Fortpflanzungsfähigkeit beobachtet wurden. Die damit gefütterten Mäuse hatten weniger und kleinere Nachkommen als Tiere aus der Kontrollgruppe, v. a. in ihrem dritten und vierten Wurf (Velimirov et al. 2008). Eine italienische Arbeitsgruppe fand in Fütterungsversuchen, dass die MON810 Aufnahme signifikante Veränderungen im Immunsystem von Mäusen (in Darm, Milz, Blut) bewirken kann, insbesondere bei Jungtieren (Finamore et al. 2008).

Die seit 1996 zum Import und zur Verarbeitung zu Futter- und Lebensmitteln zugelassene RR-Sojabohne von Monsanto (resistent gegen das Monsanto-Herbizid Roundup) kann nicht als sicher bezeichnet werden. Der Einsatz von herbizidresistenten (HR) Pflanzen führt zu höherem Herbizidverbrauch in den Anbauländern, schädigt das Bodenleben und die Artenvielfalt sowie die Gesundheit. In den RR-Pflanzen ist mit erheblichen Rückständen von Roundup bzw. dessen Wirkstoff Glyphosat zu rechnen. So wurde in verschiedenen Ländern im Zuge der Zulassung von RR-Soja der zulässige Rückstandswert für Glyphosat in Sojabohnen massiv erhöht (Mertens 2007). Mit 20 mg/kg liegt er z.T. um das hundertfache über vergleichbaren Werten für andere Pestizide und Produkte (http://ec.europa.eu/food/plant/protection/resources/mrl_crop.pdf). Das Herbizid Roundup enthält toxische Hilfsstoffe, die die Anwendung erleichtern, die Toxizität des Wirkstoffes Glyphosat aber verstärken.

Eine aktuelle französische Studie zeigt, dass Roundup menschliche Zellen schädigt, ja sogar tötet (Benachour & Seralini 2009). Das Team der Universität Caen fand nach Applikation von verschiedenen Roundup-Produkten, Glyphosat und dessen Hauptabbauprodukt AMPA (Aminomethyl-phosphonsäure) bei Nabelschnur-, Plazenta- und embryonalen Nierenzellen Schäden an Zellmembranen, Mitochondrien (den „Kraftwerken“ der Zelle) und DNA. Roundup war besonders toxisch und führte innerhalb von 24 Stunden zum Zelltod, AMPA war sogar toxischer als Glyphosat. Und all dies bei Konzentrationen, die deutlich unter denen liegen, die für die Praxis empfohlen werden. Auch Leberzellen der Maus zeigten nach Applikation von Roundup Schäden an den Mitochondrien (Malatesta et al. 2008a). Nach zweijähriger Verfütterung von RR-Sojabohnen an Mäuse beobachteten Malatesta et al. (2008b) metabolische und morphologische Veränderungen der Leberzellen, ob dies allein der Toxizität von Herbizidrückständen zuzuschreiben war, ist offen. Trotz dieser gesundheitlichen Risiken genehmigte die EU-Kommission erst kürzlich die zweite RR-Sojalinie (MON89788) zum Import und zur Verarbeitung als Lebens- und Futtermittel (http://www.gmo-compass.org/eng/gmo/db/100.docu.html). Quellen siehe Anlage 2

 

Für Rückfragen: Marion Ruppaner, BN Referentin für Landwirtschaft
Tel. 0911/81 87 8-20

 

Anlage 1: Hintergrundinfos zu Percy Schmeiser

 

Vita

Percy Schmeiser, geboren am 5.Januar 1931, lebt in Bruno, in der Provinz Saskatchewan in Kanada, und betrieb 60 Jahren Landwirtschaft auf der geerbten, 600 Hektar großen Farm. Er spezialisierte sich auf den Anbau und die Zucht von speziell an die regionalen Bedingungen angepassten Rapssorten. Seine Frau Louise (*1931), die er im Oktober 1952 heiratete unterstütze ihn dabei tatkräftig.

Schmeiser war von 1966 bis 1983 Bürgermeister seiner Stadt und auch Abgeordneter im Parlament der Provinz (1967-1971).

Für seinen Einsatz wurde Schmeiser im Oktober 2000 mit dem Mahatma Gandhi Award geehrt.

2007 bekam er zusammen mit seiner Frau den alternativen Nobelpreis verliehen.

 

Monsanto vs. Schmeiser

 Der kanadische Landwirt und Saatgutzüchter Percy Schmeiser baute seit rund 40 Jahren konventionellen Raps an. Doch 1997/98 wurden mehr als 320 Hektar seiner Rapsfelder von dem genveränderten Raps Roundup Ready des US-amerikanischen Saatgut-Konzerns Monsanto kontaminiert.

Der Großkonzern nahm Stichproben von seinen Feldern, wies die patentierte Gensaat nach und bot einen außergerichtlichen Vergleich an, wie er es tausendfach mit Landwirten weltweit tat: Der Großkonzern würde auf Schadensersatzzahlungen verzichten, wenn der Landwirt in Zukunft seine Saat kaufen würde. Die Rechte über das Saatgut blieben per Knebelvertrag bei Monsanto: Das Saatgut dürfe nicht für zukünftige Zwecke aufbewahrt oder weitergegeben werden, sondern müsse jedes Jahr neu gekauft werden. Schmeiser, der nie Saatgut von Monsanto wissentlich genutzt hatte und stattdessen den unkontrollierbaren Pollenflug verantwortlich machte, lehnte ab und wurde wegen Patentverletzung auf eine Gesamtsumme von mehreren hunderttausend Dollar verklagt.

 

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes

Anders als viele Farmer, die sich außergerichtlich dem Konzernriesen gebeugt hatten, kämpfte Schmeiser sich bis zum kanadischen Supreme Court. Doch dieser entschied 2004 gegen ihn. Alle Lebensformen, die die patentierten Gene von Monsanto enthielten, seien Eigentum des Konzerns und von diesem kontrolliert. Damit gingen die Pflanzen und die Arbeit jahrzehntelanger Saatgut-Zucht in den Besitz von Monsanto über. Die Lizenzgebühren an Monsanto wurden ihm erlassen -die Gerichtskosten von rund 250.000 Euro hatte er aber zu tragen.

 

Schmeiser vs. Monsanto

Nachdem die Rapsfelder der Schmeisers abermals mit Monsanto Gen-Raps verunreinigt wurden  ging Schmeiser im Januar 2008 in die Offensive und verklagte den Konzern seinerseits für die Schäden, die ihm durch das genmanipulierte Saatgut entstanden sind  und dies war erfolgreich: Der Konzern muss Schadensersatz zahlen.

"Wer eine Lebensform besitzt und kontrolliert", so Schmeiser, "ist auch für die Schäden verantwortlich, wenn er diese freisetzt. Wir wollten, dass Monsanto dafür die volle Haftung übernimmt" .

 

Weltweiter Appell für eine Landwirtschaft ohne Gentechnik

Percy Schmeiser, inzwischen 80 Jahre alt, kämpft weiter und setzt sich nach wie vor unermüdlich für eine gentechnikfreie Landwirtschaft ein. Dazu nimmt er weltweit Einladungen wahr und hält Vorträge, um über die aggressiven Methoden Monsantos und die

Gefahren der Gentechnik in der Landwirtschaft aufzuklären. Er ist zum Symbol für den Widerstand gegen den Saatgutmulti Monsanto und den Kampf gegen die Agrogentechnik geworden.

 

Unkalkulierbare Risiken für die Umwelt

Die anfänglichen Versprechungen von hocheffizienten Genpflanzen entwickeln sich indes für viele Landwirte zum Albtraum. Die Erträge und der Nährstoffgehalt sinken, während der Pestizideinsatz  zwangsweise zunimmt, vor allem weil die Mittel immer giftiger werden.

Ein verlässlicher Schutz gegen Auskreuzungen und andere ökologische Risiken kann auch durch Monitoringverfahren o. ä. nicht gewährleistet werden. Die Koexistenz von Gentechnik und gentechnikfreier Landwirtschaft erweist sich als unmöglich. Konventionelle Landwirtschaft ohne Gentechnik  und biologischer Anbau werden  so verdrängt.

 

Text Anlage 1: Bernward Geier,

COLABORA
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www.colabora-together.de

 

 

Anlage 2: Quellen

Benachour & Séralini 2009. Glyphosate formulations induce apoptosis and necrosis in human umbilical, embryonic, and placental cells. Chem. Res. Toxicol. in press.

Finamore et al. 2008. Intestinal and peripheral immune response to MON810 maize ingestion in weaning and old mice. J. Agric. Food Chem. in press. www.gentechnikfreie-regionen.de/hintergruende/studien/risikobewertung.html

Malatesta et al. 2008a. Hepatoma tissue culture (HTC) cells as a model for investigating the effects of low concentrations of herbicide on cell structure and function. Toxicology in Vitro 22, 1853-1860.

Malatesta et al. 2008b. A long-term study on female mice fed on a genetically modified soybean: effects on liver aging. Histochem. Cell Biol 130, 967-977.Mertens 2007. RoundupReady Sojabohne – Wiederzulassung in der EU? http://www.gentechnikfreie-regionen.de/hintergruende/studien/risikobewertung.html.

Velimirov et al. 2008. Biological effects of transgenic maize NK603xMON810 fed in long term reproduction studies in maize. www.bmgfj.gv.at.

 

Anlage 3: Karte des Netzwerks gentechnikfreier Regionen

www.gentechnikfreie-regionen.de

www.gmofree-euregions.net