Keine Reduktion des Artenschutzes bei der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes
Der Bund Naturschutz in Bayern e.V: (BN) und der Landesbund für Vogelschutz e.V. (LBV) haben die bayerischen Minister Schnappauf, Miller, Huber und Beckstein aufgefordert, den Entwurf der so genannten „kleinen Novelle“ des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) nachzubessern. Die Novelle wird am 14.3. im Verkehrs- und am 15.03 im Umweltausschuss des Bundesrates beraten.
Die beiden Naturschutzverbände sehen den Entwurf mit großer Sorge. Nach übereinstimmender Meinung der deutschen Naturschutzverbände wird dadurch der Artenschutz im deutschen Naturschutzrecht materiell stark abgebaut.
„Diese `kleine` Gesetzesnovelle des Bundesnaturschutzgesetzes führt zu noch weniger Artenschutz als bisher.“ kritisiert Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN. „Das steht in krassem Gegensatz zu den vielfältigen Anstrengungen, Versprechungen und Verpflichtungen für den Erhalt bedrohter Tiere und Pflanzen in Europa gerade im Jahr der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.“ ergänzt Ludwig Sothmann, Vorsitzender des LBV. Beide Verbandschefs fordern Ministerpräsident Stoiber und Umweltminister Schnappauf dringend auf, einer Schwächung des Artenschutzes entschieden entgegenzutreten.
Deutschland war mit dem EuGH-Urteil zur Neufassung seines Naturschutzgesetzes verurteilt worden, weil es die Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Richtlinie zum Schutz seltener Arten nicht umfassend genug berücksichtigt. Der Gerichtshof hatte zu viele Schlupflöcher beanstandet, die verhinderten, bestimmte Agrarmaßnahmen oder Bauvorhaben auf ihre Verträglichkeit mit schützenswerten Lebensräumen oder Arten zu prüfen und wenn nötig auch zu verbieten.
Mit der kleinen Novelle entfällt der Schutz für die nur nach nationalem Recht geschützten Arten weitestgehend. Bisher musste für Fang und Tötung geschützter Tiere und Pflanzen auch bei Eingriffen und im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung eine Befreiung nach § 62 (1) erteilt werden – eine Regelung die sicher zumindest bei der Landwirtschaft in der Tat über das Sinnvolle hinausging.
Der neue Gesetzentwurf geht nun aber in die andere Richtung und schafft den Schutz der nationalen Arten im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft und bei Eingriffen komplett ab. Damit entfällt auf einmal für 2000 von 2600 (77%) der in der Bundesrepublik geschützten Arten der Schutz gegenüber ihren Hauptgefährdungen. Es wäre dann z.B. legal, den Lebensraum von Schwalbenschwanz oder Hirschkäfer zu zerstören, Wiesen mit Schachbrettblumen zu überdüngen oder Teiche, in denen Erdkröte oder Fadenmolch vorkommen, zuzuschütten, wenn diese einem Neubaugebiet im Weg sind.
Ebenso bedenklich ist die an anderen Stellen im Gesetzentwurf verankerte Generalannahme, die Land- und Forstwirtschaft führe nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen von FFH- Gebieten oder Arten des Anhangs IV – dabei ist die gute fachliche Praxis der Land- und Forstwirtschaft auch nach Auffassung EU Kommission (vgl. Mitteilung KOM(2006) 216 „Eindämmung des Verlustes der Biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 und darüber hinaus vom 22.5.2006) einer der Hauptgründe für deren Rückgang, wie ganz aktuell das Aussterben des Haselhuhns in Baden-Württemberg illustriert.
· Maßnahmen der Land- und Forstwirtschaft – zu denen z.B. auch eine intensive Düngung, Grünlandumbruch oder Waldwegebau gehören - gelten nicht als Projekte und dürfen deshalb ohne jede Prüfung durchgeführt werden, auch wenn dabei europarechtlich geschützte Lebensräume oder Vorkommen vom Aussterben bedrohter Arten zerstört werden.
· Die Erhaltung der Arten im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung soll im Wesentlichen durch vertragliche Vereinbarungen und Artenschutzprogramme erfolgen. Wenn das nicht funktioniert, gibt es keine rechtliche Handhabe, um gegenzusteuern – wenn man das überhaupt feststellen kann, denn es ist keine Kontrolle oder Sanktionsmöglichkeit vorgesehen.
Ähnlich kritisch sehen wir die Befreiung von den artenschutzrechtlichen Regelungen für den Fall, dass sie im Zuge von Eingriffen entstehen.
· Eingriffe dürfen künftig durchgeführt werden, ohne dass sichergestellt ist, dass die betroffenen Populationen der europarechtlich geschützten Arten erhalten bleiben – obwohl eigentlich bereits die Tötung einzelner Exemplare verboten ist.
Diese Regelungen zur Land- und Forstwirtschaft und zur Eingriffsregelung sind nach Ansicht von BN und LBV nicht mit der FFH-Richtlinie vereinbar. Das von der Bundesregierung ausdrücklich verfolgte Ziel, das EuGH-Urteil vom vergangenen Januar umzusetzen, wird damit verfehlt. Ohne eine Änderung der jetzt vorgeschlagenen Fassung der §§10, 42 (4) und 42 (5) BNatSchG, die wirklich ausnahmslos jeden Sachverhalt einer Verträglichkeitsprüfung zuführt, der geeignet ist, erhebliche Beeinträchtigungen von Natura 2000-Gebieten und nach Anhang IV geschützten Arten zu verursachen, läuft das Gesetz Gefahr, eine erneute Verurteilung durch den EuGH hervorzurufen.
Es geht den Verbänden nicht darum, die Landwirtschaft zu gängeln oder unnötig Bürokratie zu erzeugen. BN und LBV wollen nur einen angemessenen Artenschutz sicherstellen.
Die Verbände haben daher in einem Schreiben eindringlich an die Minister appelliert, dem derzeitigen Entwurf in den Bundesrats-Verhandlungen der laufenden Woche nicht zuzustimmen. Es gäbe ein schlechtes Bild ab, wenn die Bundesrepublik ausgerechnet während Ihrer EU-Ratspräsidentschaft ihrem selbst propagierten Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, auf diese Weise entgegen wirkte. Von diesem Ziel sind wir auch in Deutschland weit entfernt, wie der beachtliche Umfang der Roten Listen und der Rückgang von Arten wie dem Großen Brachvogel oder dem Bodensee-Vergissmeinnicht klar belegen.
Für Rückfragen:
Dr. Christine Margraf
Artenschutzreferat BN
089/548298-89
christine.margraf@bund-naturschutz.de
Dr. Andreas von Lindeiner
Artenschutzreferent LBV
09174/4774-30
Die detaillierte Kritik und Änderungsvorschläge sind den Stellungnahmen der Bundesverbände von LBV (NABU) und BN (BUND, siehe Anlage) zu entnehmen.