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Tiere und Pflanzen

Ökobaumeister Biber in Gefahr !

Bund Naturschutz fordert Schutz für eine ökologisch unverzichtbare Tierart

03.05.2007

Nach einer völlig unnötigen Verwaltungsänderung, die seit Herbst letzten Jahres die Zuständigkeit für Wegfang und Tötung von Bibern von den bewährten Höheren Naturschutzbehörden auf die oft überforderten Landratsämter delegierte, fordern nun enttäuschte Abgeordnete der CSU die Schaffung „biberfreier Zonen“, pauschale Bibertötung und die Abschwächung des Schutzstatus. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund Naturschutz (BN): „Der Biber braucht den Schutz und er verdient ihn, denn es gibt in Bayern keine zweite Tierart, die so viel Artenvielfalt und Hochwasserschutz schafft wie der Biber. In Zeiten sommerlicher Dürreperioden brauchen wir seine Wasserrückhaltewirkung mehr denn je!“

Der BN wird für den Biberschutz kämpfen und fordert die Stärkung des erfolgreichen Bibermanagements in Bayern, die Einführung eines staatlichen Härtefall-Fonds und ein landesweites Förderprogramm für dezentrale Hochwasserrückhaltung, das die positiven Wirkungen des Biber integriert.

 

Ausgelöst durch Beschlüsse des Bayerischen Landtags 2004, des Bayerischen Landkreistages 2005 und auf Druck der CSU-Landtagsfraktion sind seit 1. September 2006 die Landratsämter zuständig für Abfang und Tötung des Bibers. Die Zuständigkeitsverlagerung von den bisher zuständigen sieben Bezirksregierungen auf die zehnfache Anzahl von Landkreisen führte zu einem erheblichen Mehraufwand. Viele Landkreise, die sich bislang auf die extrem rasche Bearbeitung (1-3 Arbeitstage) durch die Höheren Naturschutzbehörden verlassen haben, müssen nun selbst für ihren Landkreis neue Bearbeitungsstrukturen und Fachkompetenz aufbauen. Der BN hatte massiv davor gewarnt, dass diese ausschließlich politisch motivierte Delegation an die Landratsämter nichts bringt außer bürokratischem und finanziellem Mehraufwand. Dies ist eingetreten und nun fordern enttäuschte CSU-Abgeordnete insbesondere aus Westmittelfranken und Niederbayern „biberfrei Zonen“ und eine Änderung des Schutzes des Bibers nach Anhang IV der europäischen FFH-Richtlinie und als besonders und streng geschützte Art nach dem Bundesnaturschutzgesetz.

 

Damit drohen pauschale Bibertötungen ohne wie bisher im Einzelfall vor Ort erst die Problemlage zu prüfen. Die Abgeordneten verschweigen, dass es im Freistaat Bayern seit über 10 Jahren ein konfliktlösungsorientiertes landesweites Bibermanagement gibt, das so erfolgreich ist, dass mehrere Nachbarländer und andere Staaten wie Österreich, Schweiz, Belgien und Norwegen es übernommen haben.

Nach Vorläuferprojekten in der Region Ingolstadt besteht seit 1998 ein landesweites Bibermanagement, in dem zwei landesweite hauptamtliche Biberberater zusammen mit ca. 220 ausgebildeten ehrenamtlichen Biberberatern, überwiegend örtlichen Landwirten, Naturschützern und Jägern, die konkrete Konfliktlösungen vor Ort durchführen. Allein die beiden landesweiten Biberberater nehmen jährlich ca. 500 Ortstermine mit über 60.000 Fahrtkilometer wahr. Dies erfolgt unter der Trägerschaft des Bund Naturschutz (BN) und wird finanziert vom Bayerischen Naturschutzfonds und vom BN (jährlicher Aufwand 154.000 €) und erfolgt in engster Abstimmung mit dem StMUGV und allen bayerischen Naturschutzfachbehörden.

 

Die Spannweite von der individuellen Beratung vor Ort über ein Bündel wirkungsvoller Präventivmaßnahmen (z.B. Einsatz von staatlichen Fördermitteln, Verbissschutz, Elektrozäunen, Ankauf) bietet alle erdenklichen Maßnahmen, um Einzelkonflikte mit einer Erfolgsquote von über 90% (!) vor Ort zu lösen. Zusätzlich stellt der Bund Naturschutz einen allein aus Verbandsmitteln gespeisten landesweiten Härtefonds für besonders von Schäden betroffene Land- und Teichwirte zur Verfügung, aus dem von 1997 bis 2006 Zahlungen an 354 Landwirte in Höhe von 140.470 € erfolgten.

 

Wenn es keine anderen Möglichkeiten in besonderen Konfliktsituationen gibt z.B. bei Kläranlagen oder an Fischteichen, erfolgt als ultima ratio durch sehr rasche behördliche Einzelgenehmigungen der Abfang mit Lebendfallen und auch die Tötung. Von 2001 bis Mitte 2006 wurden 1.600 Biber in Bayern gefangen, davon wurden 600 getötet. Rechnet man die voraussichtlichen Zahlen des Winters 2006/2007 dazu, sind in den letzten Jahren bei einem Gesamtbestand von aktuell ca. 9.500 Exemplaren aus Rücksicht auf Landnutzer über 2.000 Biber in Bayern an Konfliktpunkten gefangen und davon über 1.000 getötet worden.

 

MdB Ernst Hinsken (CSU) fordert z.B. eine Situation und Bejagung wie in den baltischen Staaten. Wie unsinnig das ist, zeigt ein Vergleich: im Baltikum (Estland, Lettland und Litauen) leben 185.000 Biber (Bayern 9.500), umgerechnet auf die Landesfläche ist der Biberbestand dort 10 mal höher als in Bayern. Die freizeit- und nicht problemorientierte Bejagung im Baltikum - die keine Wirkung auf dort auch wachsende Bestände hatte - entnimmt jährlich 8 % des Bestandes, bayerische Behörden im Rahmen des Bibermanagement über 6 % - bei allerdings weitaus niedrigeren Biberbeständen. Es wird damit etwas gefordert, was es schon längst gibt.

 

Das bayerische Biberberatersystem hat sich als modernes, höchst effizientes Wildtier-Managementsystem bestens bewährt. Es hat die klassischen Konflikte Biber / Landwirtschaft inzwischen deutlich reduziert. Dies wird von den Abgeordneten bewusst nicht zur Kenntnis genommen. Da wo die Abgeordneten auf bayerischer Ebene sinnvoll handeln könnten, nämlich beim Einsatz für verstärkte Mittelbereitstellung staatlicher Naturschutzförderprogramme und der Schaffung eines staatlich gespeisten Entschädigungsfonds bei Biberschäden – einer langjährigen gemeinsamen Forderung von Bayerischem Bauernverband und BN – bleiben sie untätig.

 

Ohne Kenntnis der tatsächlichen landesweiten Zahlen und Fakten werden wenige örtliche und keinesfalls aus dem üblichen Rahmen fallende Probleme, die in anderen bayerischen Landkreisen positiv ohne öffentliche Resonanz gelöst werden, von einzelnen Politikern aufgebauscht. Dabei wird auch verschwiegen, dass in gut 2/3 der ca. 2.500 bayerischen Biberreviere es zu gar keinen Konflikten mit der menschlichen Landnutzung kommt!

 

Mit dem Biber kehrt eine ökologische „Schlüsselart“ der Feuchtgebiete zurück. Der Landschaftsarchitekt Biber kann als Motor der Auendynamik wie keine zweite heimische Tierart seinen Lebensraum aktiv gestalten. Vom Biber angelegte Lebensräume sind natürliche, dynamische und damit artenreiche Biotope für viele andere Arten, darunter wie neue Untersuchungen auch aus Bayern eindrucksvoll belegen, für eine Fülle von Arten der Roten Liste. Der fleißige Handwerker zimmert mit seiner Bautätigkeit Lebensraum für andere bedrohte Arten, vom Stichling über die Ringelnatter bis zum Schwarzstorch. Seine kostenlosen Renaturierungsleistungen sind für die Förderung der Biodiversität in der Kulturlandschaft unverzichtbar.

 

In Zeiten des Klimawandels sind wegen immer stärkerer Niederschlagsereignisse und sommerlicher Dürreperioden alle Maßnahmen entscheidend, die den Wasserabfluss verzögern oder dämpfen. Biberdämme und Rückstaue halten dezentral Wasser an den Oberläufen der Bäche zurück und tragen dazu bei, Hochwasserspitzen zu kappen. Der Biber als einziger Wasserbauer im Tierreich hält Wasser in der Landschaft. An Gewässern dritter Ordnung im Bereich der Mittelgebirge und des Hügellandes können vom Biber mit Dämmen angestaute Bereiche gezielt als Hochwasserbremsen und Wasserrückhalt genutzt werden. Diese wasserwirtschaftlichen Effekte des Bibers werden künftig eine besonders positive und zwingend notwendige Funktion haben. Es wäre grotesk, Biberdämme im Oberlauf zu beseitigen und gleichzeitig
ebenfalls mit Steuermitteln neue großtechnische Dämme im Unterlauf zu bauen.

 

Da die Staue sich oft in landwirtschaftlich genutzten Lagen befinden, sollten im Rahmen kommunaler Möglichkeiten oder mit der Flurneuordnung Flächentausche erfolgen. Der Freistaat darf die zuständigen Kommunen bei diesen dezentralen Ansätzen wie sie z.B. im Bereich der Gemeinde Scheinfeld, Lkr. Neustadt/Aisch bereits modellhaft laufen, aber nicht alleine lassen. Der BN fordert, ein vom Freistaat gefördertes Programm zur dezentralen Wasserrückhaltung im kommunalen Bereich von ca. 3 Mio. € unter gezieltem Einbezug der positiven Hochwasserwirkung des Bibers!

 

Die 172.000 Mitglieder des BN und die weit überwiegend grundsätzlich positiv zum Biber eingestellte bayerische Bevölkerung werden keine Aufweichung des Schutzstatus des Bibers auf nationaler wie europäischer Ebene zuzulassen. Es darf insbesondere nicht dazu kommen, dass bei der anstehenden Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes der Vorstoß des Bundeslandes Bayern im Bundesrat, bei den streng geschützten Arten statt Einzelfallgenehmigungen auch pauschale Verordnungen zuzulassen, Erfolg hat. Dann wären neben dem Biber auch andere Arten wie z.B. Fischotter von flächigen Verfolgungen bedroht, die den Artenschutz in Deutschland dramatisch und um viele Jahrzehnte zurückwerfen würden!

 

gez. Prof. Dr. Hubert Weiger                  Dr. Kai Frobel                                      

Vorsitzender                                         Referatsleiter Arten- und Biotopschutz

Anhang

 

Biber und Artenvielfalt

 

Neue Untersuchungen in Mittelfranken belegen eindrucksvoll die unverzichtbare Rolle des Bibers für den Artenreichtum in Bayern. Es handelt sich um die von den Biologen Ulrich Meßlinger und Dr. Thomas Franke erstellte Untersuchung "Monitoring von Biberrevieren in Westmittelfranken" (Auftraggeber 2006: BN, 1999 und 2002: Regierung von Mittelfranken).

Zur Dokumentation der biberbedingten Einflüsse auf die Landschaft und die Tier- und Pflanzenwelt werden seit 1999 turnusmäßige Erhebungen in insgesamt acht Bibergebieten um Treuchtlingen, bei Triesdorf und an der Wieseth durchgeführt. Hierbei erfolgt eine flächige Vegetationskartierung, eine Dauerbeobachtung der Vegetation auf fest eingerichteten Flächen sowie eine Bestandserhebung wertgebender Pflanzenarten und ausgewählter Tiergruppen.

 

Das Ausmaß der biberbedingten Veränderungen hängt vor allem davon ab, ob Biber Dämme anlegen müssen. Wo dies für eine bibergerechte Wassertiefe erforderlich ist - v.a. in kleinen Bächen und in Gräben -  zeigen sich auch die stärksten Effekte auf Fauna und Flora. Durch die Stautätigkeit der Biber sind in fünf von acht untersuchten Gebieten innerhalb weniger Jahre ausgedehnte Sumpfgebiete mit hohem Naturschutzwert entstehen. Sie umfassen neu entstandene Staugewässer mit großen Flachwasserzonen und mosaikartigen Röhrichtbeständen sowie ein dichtes Netz von Gräben, Bächen und Tümpeln. Die Tier- und Pflanzenwelt profitiert in auffälliger Weise von der Gewässer- und Auenrevitalisierung:

·                Positive Bestandsentwicklungen oder Neuansiedlungen von 29 gefährdeten Pflanzenarten auf fünf Probeflächen sind auf Bibereffekte zurückzuführen.

·                Kleinfische sind um die Biberburgen und ins Wasser hinein gefällte Gehölze auffällig zahlreicher und oft in großen Schwärmen vertreten.

·                In mehreren Gebieten mit flachen Biberteichen haben sich in kurzer Zeit große Laichgemeinschaften des Grasfrosches mit teils mehreren Tausend Tieren gebildet. Auch Laubfrosch und Knoblauchkröte haben sich angesiedelt.

·                Seit 1999 wurden auf den acht Probeflächen insgesamt 105 Vogelarten registriert, darunter 49 seltene Arten wie Wasserralle, Eisvogel und Blaukehlchen und elf hochgradig gefährdete bayerische Brutvogelarten wie Bekassine, Kiebitz, Krickente, Rohrdommel und Wachtelkönig. Vom hervorragenden Nahrungsangebot profitieren v.a. Vögel, die sich von Kleinfischen und Amphibien ernähren. Außerdem Röhrichtbrüter wie der Teichrohrsänger, die ihren Bestand seit Beginn des Monitorings nahezu verdoppeln konnten.

·                Unter den 34 bisher registrierten Libellenarten sind 14 seltene Arten mit unterschiedlichsten Lebensraumansprüchen (Pioniere, Fliess- und Stillgewässerbewohner, Arten von instabilen Gewässern). Die Artenzahl ist seit der Biberbesiedlung deutlich angestiegen und bleibt seither zumindest stabil, auf vier Probeflächen sogar weiter ansteigend.

 

Besonders eindrucksvoll zeigt sich ein fortgesetzt positiver Effekt der Biber auf konkurrenzschwache Arten, die auf noch unbewachsene Gewässerufer angewiesen sind. Während künstlich angelegte Flachgewässer i.d.R. schnell verlanden, halten Biber durch ihre Stau-, Fraß- und Grabtätigkeit Gewässer teilweise offen und schaffen kleinflächig immer wieder neue vegetationsfreie Bereiche. Pionierbesiedler wie Kleine Pechlibelle, Südlicher Blaupfeil und Grasfrosch können deshalb dauerhaft in den Biberrevieren leben und dort teils besonders große Bestände bilden. In durch Menschen "gemanagten" Naturschutzgewässern wären zu dieser Leistung immer wieder aufwändige, kostenträchtige und vor allem die Tierwelt massiv störende Gestaltungsmaßnahmen erforderlich.

 

Biber sind hier eindeutig billiger und effektiver als (für den Naturschutz eingesetzte) Bagger. Kein von Menschen künstlich angelegtes Feuchtgebiet kann die Naturschutz-Qualität und Artenfülle erreichen, die ein vom Biber geschaffenes Feuchtbiotop bietet.

 

Andere Untersuchungen belegen ausgesprochen positive Effekte des Bibers auf die Fischfauna: Vom Biber gefällte Äste und Bäume bilden im Wasser liegend eine Struktur, an die Fische ihren Laich anheften, hier findet die Fischbrut Verstecke vor ihren Feinden und auf seiner Oberfläche wachsen Algenrasen, die von Schnecken und Fischen abgeweidet werden. Auch Köcher- und Steinfliegenlarven nutzen dieses Element als Lebensraum.

 

Totholz führt außerdem im Wasser zu Verwirbelungen, wodurch sich Sauerstoff anreichert. Im strömungsärmeren Kehrwasser der Stämme stehen bevorzugt die Äschen. Im direkten Umfeld des Ast-Dschungels einer Biberburg findet man Fischdichten, die bis 80 mal so hoch sind wie sonst. Vom Biber gefällte, im Fluss liegende Bäume und Äste sind die besten Unterstände für hoch bedrohte Fischarten. Die Bedeutung derartiger Totholzstrukturen in Fließgewässern wurde erst im Juni 2005 durch eine Dokumentation „Totholz bringt Leben in Flüsse und Bäche“ des Landesfischereiverbandes und des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft belegt. Totholz variiert Strömung und Wassertiefe, bietet Unterschlupf v.a. für Jungfische und führt nachweislich zu deutlich höheren Fischbeständen.

 

Totholz ist sogar so bedeutend für vielfältige und fischreiche Gewässer, dass die Wasserwirtschaft ebenso wie manche Fischereivereine dieses Element inzwischen künstlich in die Gewässer einbringen, wo diese Strukturen fehlen. An der Isar bei München wurde dies erfolgreich praktiziert und wissenschaftlich begleitet. Bayerische Fischereivereine bringen also extra Totholz wieder in Fließgewässer ein – der Biber macht dies kostenlos und garantiert damit artenreiche Fischbestände!