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Skizirkus ohne Ende?

Umweltverbände kritisieren Ausbau der Skigebiete Garmisch-Partenkirchens, loben aber die Berücksichtigung der Vorgaben der Alpenkonvention in der überarbeiteten Planung

10.03.2006

Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) und die Alpenschutzkommission CIPRA Deutschland haben gemeinsam die Genehmigungsbescheide für den Ausbau und die technische Beschneiung der Kandaharabfahrt und der Hornabfahrt kritisiert:
"Wir begrüßen zwar sehr, dass die Planungen umfangreich korrigiert wurden und eine Vereinbarkeit mit der Alpenkonvention erstmals in Bayern intensiv geprüft wurde", so die Umweltverbandsvertreter. "Doch dies ändert nichts daran, dass die Gesamtplanung für den Raum und die Natur so nicht vertretbar ist."

"Dies ist bayernweit der erste Fall, in dem die Vereinbarkeit der Planungen mit den Bestimmungen der Alpenkonvention bei einem Genehmigungsbescheid umfangreich geprüft wurde," so Andreas Güthler, Geschäftsführer von CIPRA Deutschland. Damit kam zum ersten mal seit in Kraft-Treten der Alpenkonventionsprotokolle im bayerischen Alpenraum im Dezember 2002 eine Verwaltung ihrer Pflicht zur Berücksichtigung der völkerrechtlich verbindlichen Bestimmungen nach. Dies hat zu einer Vielzahl von Veränderungen der ursprünglichen Planungen geführt, insbesondere zu einer Reduzierung der Eingriffe in rutschungsgefährdete Hänge. Die Bestimmungen der Alpenkonvention verhinderten somit mögliche zukünftige Erosionsprobleme und Murabgänge in diesen Gebieten, die nach den ursprünglichen Planungen zu befürchten gewesen wären. "Das kann durchaus als Erfolg unserer konsequenten Haltung im Genehmigungsverfahren angesehen werden." ergänzt Michael Schödl vom LBV Garmisch-Partenkirchen.

Die Naturschützer lehnen die Gesamtplanung aber dennoch entschieden ab. "Die enorme Ausweitung der touristischen Nutzung in diesen Skigebieten ist ökologisch nicht mehr verträglich." fassen Dr. Christine Margraf und Axel Doering vom BN zu zusammen. Seien es die Eingriffe in den Bergwald (Rodungen für Pistenerweiterung), in den Wasserhaushalt (Beschneiungsanlagen) oder seinen es die völlig ungeklärten Folgewirkungen, wie die Zunahme des Verkehrs. Hier weisen auch die Genehmigungsbescheide noch erhebliche Mängel auf, da beispielsweise zu den Auswirkungen auf den Verkehr keine Aussagen enthalten sind.
Berücksichtigung der Alpenkonvention
Die Protokolle der Alpenkonvention sind seit 2002 von Deutschland ratifiziert und völkerrechtlich verbindlich in Kraft. BN, LBV und CIPRA kritisieren seit Jahren, dass die Bestimmungen der Alpenkonvention bislang in keinem Genehmigungsbescheid zu Eingriffen im bayerischen Alpenraum berücksichtigt wurden. Insofern ist es ein deutlicher Fortschritt und sicher auch Erfolg der Umweltverbände, dass nun erstmals ausführlich dargestellt wurde, wo Widersprüche zu den Bestimmungen der Alpenkonvention bestehen und wie diese berücksichtigt wurden. Im benachbarten Tirol sind im Gegensatz zu Bayern bereits etwa 100 Fälle bekannt, in denen Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen mit Bestimmungen der Alpenkonvention und ihrer Durchführungsprotokolle begründet wurden.

Ablehnung der Gesamtplanung
Auch die Naturschützer erkennen an, dass es sich beim Classic-Skigebiet in Garmisch-Partenkirchen um eines der profiliertesten Skigebiete Bayerns handelt. Dennoch darf man nicht übersehen, dass der Talort der Abfahrten auf 700 m Meereshöhe liegt und der laufende Klimawandel diesen Abfahrten bereits ihre Schneesicherheit genommen hat und zunehmend weiter nimmt. Diese Entwicklung wird dauerhaft auch durch den flächendeckenden Einsatz von Schneekanonen nicht verhindert, den Bund Naturschutz, CIPRA und Landesbund für Vogelschutz aus ökologischen und ökonomischen Gründen generell ablehnen.

Bis heute gibt es keine Gesamtzusammenschau der verschiedenen Projekte an Hausberg und Kreuzeck, obwohl dort jeder Eingriff weitere Eingriffe bedingen wird. Bei der Größe und Bedeutung der verschiedenen Projekte und der Tatsache, dass es sich fast bei dem gesamten Projektgebiet der Hausbergbahn um ein Landschaftsschutzgebiet handelt, ist das schwer nachvollziehbar. Eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung für das Gesamtgebiet wäre längst überfällig. Die Vielzahl der in der letzten Zeit laufenden Verfahren, die zu den bereits bestehenden Anlagen dazu kommen, stellt das Musterbeispiel negativer Salamitaktik dar.

Kritisch sehen die Umweltverbände v.a. die gewaltige Erhöhung der Kapazität der Hausbergbahn auf 2400 Pers/Stunde gegenüber der bestehenden Bahn, die derzeit eine Kapazität von 550-600 Pers/Stunde hat. Damit entstehen massive Sachzwänge sowohl in Richtung Beschneiung der Talabfahrten als auch in Richtung Erweiterung der Abfahrten. Folgemaßnahmen die auf Grund der labilen Hänge mehr als kritisch zu bewerten sind.

Die Erhöhung der Kapazität hat auch eine massive Erhöhung des Verkehrsaufkommens im Tal zur Folge. Es handelt sich nicht nur um den Abbau von Warteschlangen, sondern zur Amortisierung der erheblichen Investitionen sind erheblich mehr Kunden nötig. Das bedeutet eine Zunahme des innerörtlichen Verkehrs in Garmisch oder (und) den Ausbau neuer Straßen. Die Parkplätze sind bereits heute zeitweise überlastet.


gez. Dr. Christine Margraf; BN-Regionalreferentin
gez. Axel Doering, Kreisvorsitzender BN Garmisch-Partenkirchen
gez. Michael Schödl, Geschäftsstellenleiter LBV GP
gez. Andreas Güthler, Geschäftsführer CIPRA Deutschland

Für Rückfragen:
Dr. Christine Margraf, Regionalreferentin des Bund Naturschutz in Bayern: Tel.: 089/548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.de

Andreas Güthler, Geschäftsführer CIPRA Deutschland, Tel.: 0831/5209501, info@cipra.de

Anlage:
Aufrüstung der Skisport-Infrastruktur im Markt Garmisch-Partenkirchen

Zur Erinnerung: Nach den großen Ausbauten der Skiabfahrten an der Kreuzeckbahn 1978 anläßlich der Skiweltmeisterschaften hieß es: "Jetzt ist die Erschließung abgeschlossen" Doch die Ruhe dauerte nicht lange. Zunächst begann die Installation von Schneekanonen an der Kandahar-Abfahrt und am Gudiberg. Darauf folgten entsprechende Wünsche am Hausberg. Es folgten Lifterweiterungen mit Kapazitätserhöhungen (Kreuzeckbahn, Hexenkassellift, Längenfelder Lifte), weitere Beschneiungsanlagen und ein erster Speicherteich "Kandahar" mit Bergwald-Rodung - alles als Einzelplanung ohne Gesamtkonzept.

Neue Goldgräberstimmung trat im Jahr 2003 bei der Bewerbung um die Ski-WM 2009 auf: massive Ausbaupläne der Kandahar-Abfahrt mit einer geplanten Bergwald-Rodung von 25 ha. Die Pläne wurden zwar auf 9 ha Bergwald-Rodung verkleinert und nach Absage der WM fallen gelassen.

Am 23.03.2004 wurde ein Antrag eingereicht auf:
 technische Beschneiung Drehabfahrt (Kochelbergabfahrt) (15,7 ha) [und Hornabfahrt (12,5 ha)] und Skiweg Bayernhaus (1,5 ha)
 Errichtung eines Speicherteiches am Hausberg im Bereich Adamseck (62.000 m³, 250 m x 85 m) mit 1,9 ha Bergwald-Rodung.
 Pistenaus- und Umbau an Kochelberg [und Hornabfahrt] mit Bergwald-Rodungen von 0,4 ha (Kochelbergabfahrt) [und 2,7 ha (Hornabfahrt)] und einer Erhöhung der Pistenfläche an der Hornabfahrt von derzeit 6,5 ha auf 11 ha].
 Gesamt-Kosten von ca. 9. Mio. €, wovon 4 Mio. € die Kommune zahlen sollte, den Rest sollten Bund und Land aus Mitteln der Sportförderung begleichen.
Wegen massiver Proteste wurden zunächst die Maßnahmen an der Hornabfahrt herausgenommen und am 16.03.2005 "nur" die Beschneiung, des Speicherteich Adamseck (Hausberg) und Veränderungen an der Drehabfahrt (Kochelberg) genehmigt. Das Genehmigungsverfahren zu den Maßnahmen am Horn wurde mit verändertem Antrag vom 07.02.2005 in etwas reduzierter Form fortgeführt.


Am 08.07.2005 wurde nun auch die technische Beschneiung und der Pistenausbau an der "Kandaharabfahrt" beantragt - nun im Hinblick auf die Kandidatur des Marktes Garmisch-Partenkirchen für die Alpine Ski-WM 2011:
 Pistenausbau mit 9,34 ha Bergwald-Rodung, Erweiterung der Pistenfläche von derzeit 18,5 ha auf ca. 27,5 ha.
 künstliche Beschneiung, Wasserbenutzung aus den bestehenden bzw. genehmigten Speicherteichen

Der BN hat alle diese Planungen als Verstoß gegen die Alpenkonvention, gegen den Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtags von 1984, gegen das Naturschutzgesetz und zahlreiche fachliche Zielaussagen strikt abgelehnt.

Die Genehmigungsverfahren mit Ausnahme der Hausbergbahn wurden im Februar 2006 abgeschlossen, die Planungen wurden, allerdings mit vielen Auflagen, genehmigt.

Allein die Entwicklung der letzten drei Jahre zeigt deutlich die Notwendigkeit eines Gesamtkonzeptes, der Verschärfung von Genehmigungsverfahren und der Überprüfung der Subventionen auf ihre Vereinbarkeit mit den Zielen der Alpenkonvention!