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Tiere und Pflanzen

25 Jahre Rhönschafprojekt

Ein Erfolgsmodell mit Vorbildfunktion feiert Jubiläum

30.07.2010

Kaum ein Fremdenverkehrsprospekt der Rhön, der heute nicht mit stimmungsvollen Bildern einer schwarzköpfigen Rhönschafherde wirbt.

Dabei war Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts diese an das raue Klima der Rhön vorzüglich angepasste Schafrasse von einst 400 000 Tieren auf einen kläglichen Restbestand zusammengeschrumpft und drohte sogar, ganz auszusterben.

Der Initiative des Würzburger Zoologieprofessors Gerhard Kneitz, dem Engagement von BUND (Bund für Umwelt - und Natur­schutz Deutschland e.V.) und BN (Bund Natur­schutz in Bayern e.V.), aber auch der Unterstützung durch die Isler-Stiftung (Berlin), den Bezirk Unterfranken, durch viele Fachleute und großzügige Spender ist es zu verdanken, dass das Rhönschaf in seiner angestammten Heimat wieder richtig Fuß gefasst hat und schon seit Jahren wieder zum alltäglichen Bild gehört.

Aus dem einstigen Sorgenkind wurde somit ein Aushängeschild und Sympathieträger für die Rhön – ein Modellprojekt, das bis heute bundesweit als eindrucksvolles Vorbild dient – für die gelungene Symbiose von Ökonomie und Ökologie, von Naturschutz und Tourismus, aber auch von Landschaftspflege, Regionalvermarktung und Arbeitsplatzsicherung in einer ehemals benachteiligten Region.

Deshalb sind diese Leistungen auch 2005 mit dem Biosphärenpreis gewürdigt worden.

 

Ein einmaliges Comeback

Angefangen hatte alles am Südhang des Naturschutzgebiets Lange Rhön. Dort erwarb der Bund Naturschutz (BN) 1986 für fast 300 000 € die 33 Hektar großen „Gassenwiesen“, um sie vor der Zer­störung durch Sommerferiensiedlungen zu retten.

Mit ihren Quellfluren, Bachläufen, Hoch­staudenfluren und Magerrasen sind diese eine ein­zigartige ökologische Nische für über 500 Tier- und Pflanzenarten.

Schnell war klar: Zur naturschonenden Pflege dieser Idylle ist das vom Aus­sterben bedrohte Rhönschaf ideal. Also begannen BN und BUND mit der Erarbeitung eines ökologischen Pflege­plans und der Nachzucht der schwarzköpfigen Landschaftspfleger. - nur 40 Tiere bildeten 1985 den Grund­stock.

Mittlerweile ist die Rhönschafherde des BN auf ca. 400 Muttertiere angewachsen – dazu 200 Lämmer.

Viele weibliche Jung­tiere wurden seitdem an interessierte Schafhalter in der Region als Grundlage für weitere Rhönschafzuchten abgegeben.

1988 wurde vom BN am Ortsrand von Ginolfs ein moderner artgerechter Schafstall und 1992 eine Scheune errichtet sowie das gesamte Gelände ein­gegrünt. Unter der Obhut von Josef Kolb, einem ebenso engagierten wie fachkundigen Betriebsleiter hat sich die Herde unter den bayerischen Rhönschafzuchtherden einen Spitzenplatz gesichert.

 

Schwere Zeiten für wollige Gesellen

Die Rhön als "Land der offenen Ferne" ist das Ergebnis einer Jahrhunderte langen Weidenutzung: dort entstanden im 15. Jahrhundert durch intensive Weidenutzung aus einer geschlossenen Waldlandschaft die offenen Graslandschaften, so wie wir sie kennen. Erst im 17. Jahrhundert begann die bis heute übliche Heugewinnung.

 Als „Landschafrasse“ ist das bodenständige Rhönschaf an das raue Klima, lange Winter mit heftigen Schneestürmen, kurze Sommer, hohe Niederschläge auf den Hochflächen und an den windgepeitschten Westflanken der Berge und über 200 Nebeltage im Jahr hervorragend angepasst.

Seit dem 16. Jahrhundert waren die meisten Schafhalter kleine Bauern, Besitzer von 2 bis 20 Mutterschafen, die während der Vegeta­tions­zeit zu einer Herde zusammengeführt und von einem Hirten begleitet wurden. Um 1800 sollen auf dem Gebiet der ganzen Rhön "Hunderttausende" von Schafen geweidet haben.

Bereits während des 18. Jahrhunderts wurden zahlreiche Rhönhammelherden von Händlern nach Frankreich exportiert. Vor allem auf den Pariser Fleischmärkten war das Fleisch von ausgemästeten Rhönhammeln wegen seines exzellenten Geschmackes ein gesuchter Leckerbissen. Einfuhrbe­schränkungen im Jahre 1878 aufgrund von Viehseuchenbekämpfungskampagnen machten diesem Handel ein jähes Ende und trugen zum Nie­dergang der Rhönschafzucht bei.

Im Zuge der Ratio­nalisierung auf dem Agrarsektor verschwanden die traditionel­len, bäuerlichen Dorfschäfereien und Schafhaltergenossenschaften. In der Rhön wurden die letzten Gemeindeschäfereien in den 60er Jahren aufgegeben.

1975 gab es bundesweit nur noch 300 eingetragene Herdbuchtiere - der Rhönschafbestand war auf ein aussterbeverdächtiges Minimum geschrumpft.

Danach ging es allmählich wieder langsam aufwärts. Fünf über das Bundes­gebiet verstreute Rhönschafzüch­ter und wenige Idealisten in Thüringen be­wahrten das Rhönschaf in letzter Minute vor dem Aussterben.

Heute hat das Rhönschaf hier in seiner Heimat v.a. durch das BN-Projekt, aber auch durch Fördermittel des Freistaats Bayern wieder Fuß fassen können. Musste das Rhönschaf noch 1975 zur gefährdeten Haustierrasse erklärt werden und wurden noch vor 10 Jahren mehr Rhönschafe außerhalb der Rhön gehalten wurden als in der Rhön, befinden sich heute fast alle Herden wieder in der Rhön selbst.

Nicht nur das Rhönschaf, sondern alle Haustierrassen sind Kulturgut und Erbe unserer Vorfahren. Auch für künftige Generationen haben sie aufgrund ihrer großen geneti­schen Vielfalt einen hohen Wert und rechtfertigen deshalb jeden Einsatz.

 

Landschaftspfleger mit vier Beinen

Ganze Kulturlandschaften wie die Wacholderheiden der Fränkischen Schweiz und Schwäbischen Alb, die offenen Hochlagen der Rhön oder Magerrasen überall in Bayern sind durch Jahrhunderte lange Beweidung mit Schafen entstanden. Die Schafbeweidung ist deshalb wichtig zur Erhaltung traditioneller Kulturlandschaften und von Lebensräumen, die auf naturschonende Bewirt­schaftung angewiesen sind. Unter dem Motto "Schafe als vierbeiniger Land­schaftspfleger" setzt sich der Bund Naturschutz seit vielen Jahren intensiv für die Schafbeweidung ein.

 

Ein wesentlicher Grund sind die vielen Vorteile für den Naturschutz:

Schafe sind außerordentlich anpassungsfähig und flexibel, hoch mobil mit guter "Geländegängigkeit" in Hanglagen, lärmfrei und ganz ohne Spritverbrauch.

In ihrem dichten Fell transportieren sie die Samen gefährdeter Pflan­zen von einem Biotop zum nächsten. Sie sind eine angepasste Wirtschafts­form für ertragsschwache Standorte und ein kostengünstiges Pflegeverfahren.

Neben der Pflegeleistung für den Naturschutz liefern sie Fleisch und Wolle, sind ein kulturhistorisches Dokument und haben einen hohen ästhetischen Wert für die Erholungssuchenden.

 

Vorbildfunktion des BN

Der BN hat in den letzten 25 Jahren für den Flächenankauf, die Errichtung von Schafstall, Scheune und für Unterhalt- und Sachkosten des Herdenbetriebs über 600 000 € investiert.

Eines der größten Naturschutzprojekte des Verbandes, war nur möglich dank zahlreicher Einzelspenden, der Förderung durch den Bezirk Unterfranken und die Isler - Stiftung für gefährdete Haustierrassen (Berlin) sowie durch die Unterstützung von Fachbehörden wie z.B. Wolfgang Thomann vom Tierzuchtamt Würzburg und das Biosphärenreservat Rhön.

In der Rhön hatte die Vorbildfunktion des BN-Projektes durchschlagenden Erfolg: heimische Landwirte haben 1992 aus dem BN-Betrieb heraus eine eigenständige Weidegemeinschaft mit etlichen hundert Rhönschafen gegründet.

Nun weiden gleich mehrere Herden während der Vegetationszeit wieder auf der Langen Rhön gemäß der Tradition der früheren dörflichen Gemeindeschäfereien.

In Zusammenarbeit mit örtlichen Gastronomiebetrieben konnten ebenso Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen aufgebaut werden, so dass hier seit Jahren erfolgreich Wertschöpfung aus der Region für die Region möglich ist.

Die verstärkte Wiederbesinnung auf regionale und lokale Spezialitäten, die ja die Besucher der Rhön sehr schätzen haben schon 1996 die Einrichtung eines Rhönschafladens (mit Internetangebot!) in Ginolfs möglich und notwendig gemacht. Auch dadurch konnten Rhönlammfleisch, Würste und medizinisch gegerbte Schaffelle weit über die Rhön hinaus Liebhaber finden.

Rhönlamm­fleisch mit dem typisch wildbretartigen Ge­schmack ist eine Gaumenfreude für jeden Feinschmecker und findet sich heute in erstklassigen Rhöngasthöfen auf der Speisekarte mit an 1. Stelle.

Bei Josef Kolb, dem Manager der Rhönschafherde des BN, steht die Privatkundschaft in seinem modern eingerichteten Rhönschafladen (mit eigener Schlachterei) Schlange.

Der Kunde ist auch gerne bereit, einen höheren Preis für dieses seit 1995 vom ökologischen Anbauverband NATURLAND anerkannte Qualitätsprodukt zu zahlen.

Damit ist das BN-Rhönschafprojekt zum Herzstück der vielfältigen Bemühungen zur Förderung regionaler Produkte und ökologischer Wirt­schaftskreisläufen im Biosphärenreservat Rhön geworden.

Bereits vor der Anerkennung der Rhön als Biosphärenreservat hat der Bund Naturschutz mit dem Rhönschafprojekt eine Symbiose hergestellt von:

·       Erhaltung einer einzigartigen Kulturlandschaft in ihrer ursprünglichen und heute wirtschaftlichsten Form

·       Existenzsicherung einer bis vor wenigen Jahren vom Aussterben bedrohten Haustierrasse und neues Interesse am Rhönschaf

·       Zukunftsweisende Verbindung von Landschaftspflege und Nutzung durch Direktvermarktung regionaler Produkte.

 

Das Rhönschafprojekt war bundesweit das erste Modellprojekt, das Naturschutzziele (Biotoppflege, Erhalt einer alten Haustierrasse) gezielt mit dem Wiederaufbau eines Beweidungsbetriebes und der Vermarktung von Schafprodukten gekoppelt hat.

Ihm folgten ähnliche Modellprojekte des BN in den Hassbergen (Coburger Füchse), im Fränkischen Jura (Raum Neumarkt) und im Bayerischen Wald (Waldschafe) sowie Beweidungsprojekte mit Rindern in der Hersbrucker Alb (Hutanger) und im Frankenwald (Kreisgruppe Hof).

Die Vorbildwirkung ging aber weit über den Verband und Bayern hinaus: heute bestehen bundesweit mehrere hundert Umsetzungsprojekte im Bereich Schafbeweidung / Naturschutz/ regionale Vermarktung.

Alle gehen in ihrer Grundkonzeption auf das BN - Rhönschafprojekt zurück.

 

Naturschutz mit dem Einkaufszettel

Der Einsatz der Rhönschafherde trägt heute wesentlich mit dazu bei, dass der typische, für Wanderer und Touristen ebenso einmalige wie attraktive Landschaftscharakter der Rhön als „Land der offenen Fernen“ erhalten bleibt und die Lebensräume seltener Tier- und Pflanzenarten nachhaltig gesichert werden.

Jeder, der im Gasthaus Rhönlammgerichte bestellt oder im Rhönschafladen einkauft, trägt somit zum Fortbestand der Rhönschafherde mit ihren vierbeinigen Landschaftspflegern bei. Er hilft mit, das typische Landschaftsbild der Rhön und das Überleben vieler seltener Tier – und Pflanzenarten zu erhalten.

Nie war es einfacher, Naturschutz mit dem Einkaufszettel zu betreiben: Naturschutz per Mausklick, dank Internet und e – mail, – da kann jeder mitmachen! Versuchen Sie es einfach selber einmal unter: www.rhoenschaf-laden.de

 

Forderungen des BN

Die landwirtschaftlichen Fördergelder sind auf EU-, Bundes – und Landesebene so umzuschichten, dass es in Bayern keine öffentlichen Subventionen mehr für Arten oder Lebensräume schädigende Bewirtschaftungsformen gibt.

Statt dessen sind die freiwerdenden Geldmittel so einzusetzen, dass bis 2015:

  • der Umfang naturschutzspezifischer Fördermittel (Vertragsnaturschutzprogramm) von jetzt 2% auf 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche steigt
  • das Vertragsnaturschutzprogramm mit attraktiveren Prämien ausgestattet und insgesamt auf 200 Mio €/Jahr erhöht wird
  • durch eine „BioDiv-Prämie“ von 500 €/Hektar gerade kleinere landwirtschaftliche Betriebe in den besonders schutzwürdigen reich strukturierten Landschaften eine Grundsicherung und damit einen Ausgleich für ihren höheren Bewirtschaftungsaufwand erhalten.

Die Schafhaltung könnte dann für ihre besonderen naturschutzfachlichen und gesellschaftlichen Leistungen durch Fördergelder des Umwelt- und des Landwirtschaftsministeriums gezielt unterstützt werden und von  deutlich verbesserten agrarpolitischen Rahmenbedingungen unmittelbar profitieren.

Daneben sind für die wirtschaftliche Absicherung der Schäferei regionale Vermarktungsinitiativen und modellhafte Verwendungsmöglichkeiten v.a. für Schafwolle (z.B. als Baudämmstoff) zu fördern.

Entscheidend für die Zukunftssicherung der Schafbeweidung in der Rhön ist aber auch die Zukunftssicherung des Biosphärenreservates.

Hierfür müssen umgehend die noch erforderlichen Kernzonenflächen bereit gestellt werden.

Von entscheidender Bedeutung ist aber auch in Zukunft die Information der Verbraucher – auch hierfür gilt es von staatlicher Seite Mittel bereit zu stellen.

 

 gez. Prof. Dr. Hubert Weiger, 1.Vorsitzender BUND und Bund Naturschutz in Bayern

gez. Dr. Kai Frobel, BN-Referent für Arten- und Biotopschutz/BUND-AK Naturschutz

gez. Prof. Dr. Gerhard Kneitz

gez. Helmut Schultheiß, BN -Regionalreferent für Unterfranken