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A 6-Eröffnung - Kein Grund zum Jubeln

Ein Schwerthieb durch das "Grüne Herz" der Oberpfalz

08.09.2008

Am 10. September 2008 wird die Autobahn A 6 auch in Bayern offiziell für den Verkehr freigegeben.

Der Bund Naturschutz, viele betroffene Landwirte, aber auch zahlreiche Natur – und Heimatfreunde sehen darin keinen Grund zum Jubeln – angesichts der Verluste und Beeinträchtigungen wertvoller Biotope und Erholungsflächen ebenso wie angesichts der massiven Eingriffe in eine der wertvollsten Kulturlandschaften der Oberpfalz, angesichts der nach wie vor unkalkulierbaren Risiken für das Grundwasser, der Nachteile für die Landwirtschaft und angesichts der zu erwartenden Lärm- und Abgasbelastungen für die betroffenen Anwohner.

Die prognostizierte Verkehrsentlastung steht dazu in keinem Verhältnis. Dies umso mehr, als eine leistungsfähige Autobahnverbindung  wesentlich kostengünstiger und umweltschonender auf der Trasse der schon vorhandenen B 85 hätte geschaffen werden können und nach allen Erfahrungen die Inbetriebnahme der A 6 großflächig weitere Ausbaumaßnahmen beim untergeordneten Straßennetz nach sich ziehen wird.

 

Vorgaben missachtet – Prestigeprojekt statt Vernunftlösung

 

Auslöser für den Neubau der A  6 waren die durch den Fall des „Eisernen Vorhanges“ forcierten Verkehrsprobleme in der ehemaligen Grenzregion zwischen Westböhmen und der Oberpfalz.

 

Geplant und gebaut wurde dafür eine Trasse, die im Widerspruch steht zu:

 

  • klaren politischen Vorgaben:

(in 2 Landtagsbeschlüssen ist eine umweltverträglichere Trassenführung gefordert worden!)

  • eindeutigen naturschutzfachlichen Bewertungen:

(in der über 300 000 € teuren offiziellen Umweltverträglichkeitsstudie ist schon 1992 die jetzt realisierte Trasse als schlechteste Variante eingestuft und abgelehnt worden)

  • europaweit geltendem Artenschutzrecht

(bei Beachtung europäischen Artenschutzrechtes und Durchführung einer „speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung“ hätte die zwingend erforderliche Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden können/dürfen)

Wären diese Vorgaben beachtet worden, hätte die A 6 auf der jetzt realisierten Trasse nicht genehmigt werden dürfen!

 

 

Alternativen ignoriert:

 

Im Planungs- und im Genehmigungsverfahren wurden lediglich Scheinalternativen geprüft.

Die sog. Versatzlösung, d.h. der Ausbau der bestehenden B 85 zur Autobahn ist nie gleichberechtigt als Alternative geprüft worden – obwohl sich dafür u.a. auch Schwandorfs Landrat Schuirer ausgesprochen hatte und obwohl diese Variante in der offiziellen Umweltverträglichkeitsstudie mit Abstand am positivsten bewertet worden war.

 

Die zahlreichen Vorteile dieser Alternative wurden ignoriert:

  • Geringere Höhenunterschiede für LKW
  • Ca. 5 km geringere Trassenlänge
  • Ca. 70 ha weniger Landverbrauch
  • Größere Verkehrswirksamkeit und höhere Auslastung
  • Ca. 125 Mio EURO Kostenersparnis

 

Dafür hätte sich für die LKW auf der Strecke Paris – Prag die Fahrzeit gerade gerade einmal um 10 Minuten verlängert!

 

Massive Belastungen für Natur und AnwohnerInnen

 

Während die viel beschworene „Via carolina“ sich der vorhandenen Landschaft angepasst hat, wirkt die neutrassierte A6 zwischen Amberg/Ost und dem Autobahnkreuz bei Pfreimd wie ein gigantischer Schwerthieb mitten durch das „Grüne Herz“ der Oberpfalz.

 

Beim Bau der knapp 20 km langen Trasse  wurden die schlimmsten Befürchtungen übertroffen.

Aufgrund des v. a. im nördlichen Bereich stark bewegten Geländes mit tiefen Taleinschnitten ist nicht nur im unmittelbaren Trassenbereich kein Stein auf dem anderen geblieben:

·         gewaltige Erdbewegungen mit 3 Mio. Kubikmeter

·         der gesamte Trassenverlauf besteht nur aus Abschnitten mit Dammschüttungen und tiefen Einschnitten

·         Geländeeinschnitte bis 12m Tiefe und Dammschüttungen bis 17 m Höhe

·         9 riesige Talbrücken mit bis zu 530 m Länge und 36 m Höhe (Kulmbachtalbrücke)

 

Die Konsequenz:

Eine Landschaft verliert ihr Gesicht; damit verlieren aber auch Anwohner und Erholung suchende Besucher zentrale Teile einer über Jahrzehnte vertrauten Kulturlandschaft, sie verlieren ein Stück ihrer Heimat.

Dieser Verlust wird sich nach Inbetriebnahme weiter fortsetzen:

durch eine großflächige Verlärmung ortsbezogener Naherholungsgebiete (z.B. im Raum Pfreimd) und durch einen Dauerlärmpegel für viele Häuser und Siedlungsgebiete am Ortsrand.

Die besondere Wohn-, Freizeit- und Erholungsqualität dieser Region bleibt damit für viele BewohnerInnen vor Ort förmlich auf der Strecke.

 

Eine der letzten unverlärmten und unzerschnittenen Regionen Nordbayerns über 100 km2 Fläche ist damit zu einer lärmgeplagten Allerweltsregion abgesunken!

 

Natur- und Artenschutz:

 

Gerade auch der Natur- und Artenschutz hat einen hohen Preis für diese neue Autobahn zahlen müssen:

 

  • Durchschneidung amtlich ausgewiesener Schutzgebiete auf fast 10 km Länge und massive Beeinträchtigung eines geplanten Naturschutzgebietes (Schwärzermühle)
  • Zerschneidung, Verlärmung und Entwertung großflächiger Waldgebiete (z.B. Freihölser Forst), tlw. überregional bedeutsamer Talräume (z.B. Fensterbach - & Hüttenbachtal) und Stillgewässerkomplexe (Göttersee)
  • Zerstörung bzw. Entwertung landesweit seltener Biotoptypen

(u.a. Kiefern-Flechtenwald, Feuchtwald, naturnahe Bachläufe)

  • Zerstörung und Entwertung von Lebensräumen für 46 seltene/gefährdete Tierarten (z.B. Zwergtaucher, Moorfrosch, Schlingnatter,Eisvogel) und für 19 seltene/gefährdete Pflanzenarten (u.a. Arnica)
  • Massive Beeinträchtigung der weiträumigen Biotopvernetzung in der gesamten Region

(u.a. aufgrund der Tatsache, dass die in Südwest-Nordost-Richtung verlaufende Trasse alle großen, ökologisch wie landschaftsoptisch wertvollen Talräume nahezu rechtwinklig quert und zerschneidet) muss)

 

Die quantitative Verlustbilanz:

 

-          Waldverluste: fast 52 ha

-          Waldzerschneidung auf fast 9 km Länge

-          Überbauung von Acker – und Wiesenflächen auf fast 60 Hektar

-          Verlust wertvoller Lebensräume für seltene Arten: über 15 ha

 

Die zumeist punktuellen, oft kilometerweit von der Trasse entfern realisierten „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ können nach Einschätzung des BN bestenfalls punktuell eine gewisse Kompensation bewirken, die von der A 6 verursachten Eingriffe insgesamt aber nicht ausgleichen.

Manche dieser Maßnahmen sind selbst vielfach fragwürdig, führen sie doch

  • tlw. zu weiteren Eingriffen in ökologisch wertvolle Bereiche,
  • zu Verlusten guter Ackerstandorte ,
  • zur Entwertung angrenzender Felder durch Verschattung
  • oder werden quasi als Restflächenverwertung im unmittelbaren Nahbereich der Trasse auf lärmbeschallten und abgasbelasteten Flächen realisiert.

 

Grund- und Trinkwasserschutz

 

Trotz mancher Schutzmaßnahmen  bleiben die Risiken der A 6 für das Grundwasser und die Trinkwasserversorgung auch weiterhin unkalkulierbar.

Betroffen sind u.a. das Wasserschutzgebiet westl. Hüttenhof im Freihölser Forst, aber auch das wasserwirtschaftliche Vorranggebiet W 1 „Amberg/Schwandorf/Bodenwöhr“ im Bereich Freihölser Forst/Fensterbachtal.

 

Planung & Genehmigung im Schweinsgalopp

 

Trotz dieser Problemfälle und –dichte sollten Planung und Genehmigung der A 6 förmlich über’s Knie gebrochen und um jeden Preis vorangetrieben werden.

Anders ist es für den 1. Vorsitzenden des BN, Prof Hubert Weiger, nicht zu erklären, dass

  • von der Regierung der Oberpfalz bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses im Juli 2000 trotz fehlender Geldmittel Sofortvollzug angeordnet wurde,
  • aufgrund der vielen qualifizierten Einwendungen betroffener  Landwirte, Naturschützer und Heimatfreunde von den Richtern am Bayer. Verwaltungsgerichtshof am 30.7.2002 nicht nur ein Baustopp verhängt, sondern auch eine umfangreiche Nachbesserung der Planunterlagen eingefordert worden ist
  • und dass von den Planern der Autobahndirektion das Anschlußstück an das Autobahnkreuz schlichtweg vergessen wurde und diesen gravierenden Planungsfehler ausgerechnet die Vertreter von BN und LBV auf dem behördlichen Erörterungstermin aufdeckt haben.

 

Ein in Bayern und ganz Deutschland bis dahin nie da gewesener Vorgang!

 

 

Erfolge im Kleinen:

 

Auch wenn Petitionen, Einwendungen und die Klagen vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof nicht zur Verhinderung der A 6 geführt haben, war nach Auffassung von Helmut Schultheiß, Regionalreferent für die Oberpfalz, der langjährige Einsatz keineswegs umsonst oder gar erfolglos.

Diesem Engagement vieler heimatliebender Bürgerinnen und Bürger, des BN, des LBV und betroffener Landwirte ist es wesentlich zu verdanken, dass eine Nachbesserung der Planunterlagen in etlichen Punkten und damit Verbesserungen „im Kleinen“ durchgesetzt werden konnten, die vielfach in die Fläche wirken.

 

 

 

 

 

 

 

 

Resümée:

 

 

Für den BN, viele Landwirte, natur liebende Feriengäste und Anwohner ist die Eröffnung der A  6 kein Grund zum Jubeln.

Zu hoch ist der Preis, den die Region mit ihren Naturschätzen und besonderen Erholungsqualitäten, aber auch viele betroffene Landwirte durch unnötige Flächenverluste und Bewirtschaftungseinschränkungen sowie trassennahe Bewohner durch den Verlust an Lebens-, Freizeit- und Erholungsqualität zahlen müssen.

Einmal mehr hat die Politik zugunsten eines imageträchtig etikettierten Prestigeprojektes („Via carolina“) umweltschonendere und kostengünstigere Alternativen (Versatzlösung über die B 85) ignoriert und es ebenso versäumt, die längst überfällige Wende in der Verkehrspolitik konsequent umzusetzen.

Dies ist umso weniger verständlich als lt. einer Studie der Dt. Bauwirtschaft bei Investitionen in den Ausbau des Schienennetzes und regionaler Straßen  ein 15 mal höherer Arbeitsplatzeffekt erzielt werden kann.

 

Das Zerstörungswerk der A  6 sollte als abschreckendes Beispiel wirken - mit dem Bau weiterer Autobahn muss wenigstens jetzt endgültig Schluss sein!

 

Nicht nur bei der Energieversorgung, auch beim Verkehr gibt es  längst bessere Lösungskonzepte – menschenfreundlicher, umweltverträglicher und dazu oft sogar kostengünstiger.

Sie müssen auch im Interesse künftiger Generationen endlich in die Praxis umgesetzt werden.

 

 

 

gez.                                             gez.

Prof. Dr. Hubert Weiger              Helmut Schultheiß

1. Vorsitzender                            Regionalreferent

 

Für Rückfragen: Tel. 0911/81 87 8-13, Fax 0911/86 95 68