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B26n: Besser ein Ende ohne Schrecken als ein Schrecken ohne Ende

Bund Naturschutz und BI fordern sofortigen Stopp des Raumordnungsverfahrens fürdie autobahnähnlich geplante Westumgehung Würzburg (B26n)

06.05.2011

Vor wenigen Tagen ist für die autobahnähnlich geplante Westumgehung Würzburg die Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren abgeschlossen worden.

„Bei der Prüfung der amtlichen Unterlagen musste der  Bund Naturschutz (BN) feststellen, dass es selbst dort keine ausreichende Rechtfertigung für dieses Schnellstrassenprojekt gibt, dass dessen Verwirklichung mit massiven Belastungen und Risiken für Anwohner und Umwelt verbunden wäre und dass die Planunterlagen in zentralen Punkten gravierende Defizite und Fehler enthalten“, so Richard Mergner, der Landesbeauftragte des BN.

Der BN hat deshalb in seiner rund 80 Seiten umfassenden Stellungnahme die B 26n nachdrücklich abgelehnt und den sofortigen Ausstieg aus dem laufenden Raumordnungsverfahren gefordert.

Mitte Februar wurde von der Regierung von Unterfranken  für die autobahnähnlich geplante „Westumgehung Würzburg (B 26n)“ das Raumordnungsverfahren zur Prüfung der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit dieses Vorhabens eröffnet.

Schon Jahre vor diesem Termin hatten besorgte Gemeinden und BürgerInnen entlang der Trasse ebenso wie der Bund Naturschutz eindringlich auf die drohenden Belastungen und Risiken für Anwohner und Umwelt hingewiesen und den Ausstieg aus dieser schon im Ansatz verfehlten Planung gefordert.

Dass diese Befürchtungen mehr als gerechtfertigt waren und bei Beachtung der gesetzlichen Vorgaben dieses Raumordnungsverfahren (ROV) erst gar nicht hätte eröffnet werden dürfen, hat jetzt die Sichtung der Planunterlagen durch sach- und ortskundige Fachleute der regionalen Bürgerinitiative und des BN überdeutlich gezeigt.

Selbst in diesen amtlichen Unterlagen musste eingestanden werden, dass die verharmlosend als „Umgehung“ getarnte B26n zwischen Karlstadt und Würzburg zu massiven Beeinträchtigungen zahlreicher Gebiete mit hoher und sehr hoher Bedeutung führt – im Bereich der Landwirtschaft ebenso wie bei der Erholungsnutzung oder im Bereich des Natur – und Artenschutzes:

  • Wertvollste Biotope und unersetzliche Lebensräume seltener Tierarten werden zerstört, zerschnitten oder durch Lärm – und Schadstoffeintrag massiv geschädigt.
  • Selbst Naturschutzgebiete sollen von einer 31 m breiten Trasse durchschnitten werden (z.B. NSG Saupurzel bei Karlstadt gleich an 2 Stellen!).
  • Zahlreiche sogar europarechtlich geschützte Arten (z.B. Springfrosch, Heidelerche) verlieren ihren Lebensraum oder drohen bestandsgefährdende Beeinträchtigungen und Risiken (z.B. durch Lärm-/Schad-stoffeintrag) .
  • Mehr als 150 ha freie Landschaft sollen alleine für die Fahrbahnen unter einer lebensfeindlichen Teerdecke verschwinden – insgesamt werden 560 ha dieser Schnellstrasse geopfert!
  • Auch national bedeutsame Lebensraumverbundkorridore werden zerschnitten – die geplanten Eingriffe gefährden sogar die regionale Biotopvernetzung.
  • Auf rund 1.400 ha Fläche kommt es zu einer Überschreitung des erholungsrelevanten Lärmschutzgrenzwertes von 50 dBA und damit zu einem großflächigen Verlust für den Tourismus und die Naherholung unersetzlicher Bereiche.
  • In der ohnehin waldarmen Region Würzburg sollen weitere 60 ha Wald gerodet, fast 14 ha besonders geschützter Bannwald überbaut und Bannwaldbestände auf über 4 km Länge zerschnitten werden. Wichtige Waldfunktionen werden beeinträchtigt oder gehen sogar verloren – z.B. Wasserschutzwald auf über 40 ha!
  • Trotz der angespannten Wasserversorgung in der Region sollen 5 Wasserschutzgebiete auf fast 9 km Länge überbaut und durchschnitten werden.

„Schon angesichts dieses erdrückenden Ausmaßes an gravierenden Verlusten und Beeinträchtigungen für Gemeinden, Anwohner und praktisch alle Schutzgüter hätte dieses Projekt längst ad acta gelegt werden müssen“, so Erich Perchermeier, 1. Vorsitzender der Kreisgruppe Main-Spessart.

Dessen ungeachtet und angesichts der offensichtlich nicht erreichbaren Ausgleichbarkeit ließen die Verfasser der Verfahrensunterlagen aber nichts unversucht, um nach der Devise „Tarnen und Täuschen“ (oder „Augen zu und durch“) Eingriffe und deren fatale Auswirkungen zu verharmlosen, die verkehrliche Entlastungswirkung schön zu rechnen und mit allerlei Scheinargumenten die Genehmigungsfähigkeit dieses Großprojektes herbei zu reden.

Nur einige Beispiele von vielen:

  • Bei der Prognose der Lärm – und Schadstoffbelastung wurde lediglich eine maximale Geschwindigkeit von 100 km/h zugrunde gelegt – statt der üblichen und praxisgerechteren Richtgeschwindigkeit von 130 km/h.
  • Qualifizierte und umfassende Bestandserhebungen der betroffenen Tier- und Pflanzenarten wurde ersetzt durch stichpunktartige Zufallbeobachtungen während nur einer Vegetationsperiode.
  • Mit dem Verweis auf die bestenfalls marginale Entlastungswirkung der Ortsdurchfahrten sollte die weitreichende (Neu-)Verlärmung der Ortsrandlagen und vieler ortsnaher Erholungsgebiete verharmlost und viele Anwohner über den drohenden Verlust an Wohn-, Freizeit- und Lebensqualität hinweggetäuscht werden (z.B. in Helmstadt, Greußenheim, Leinach & Mädelhofen).
  • Die auf nur 49 km Trassenlänge geplanten 10 Auf- und Abfahrten sind bei der Eingriffsermittlung ebenso wie bei der Ausgleichsplanung völlig unberücksichtigt geblieben.
  • Der Verlust wertvollster Waldflächen mit besonderer Bedeutung für den Klima-, Immissions-, Wasser-, Arten- und Naturschutz ist ebenso unterbewertet worden wie die Zerstörung nahezu aller Frischluftbahnen für die trassennahen Ortschaften.
  • Dass hier 160 ha Böden mit sehr hoher natürlicher Ertragsfunktion auf immer zugeteert oder überbaut werden und es dafür keinerlei Ersatz geben kann, hat keine Berücksichtigung gefunden.
  • Aus der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) sind zahlreiche Konfliktpunkte erst gar nicht in die Raumordnungsunterlagen übernommen worden _ angeblich, weil sonst deren Lesbarkeit und die Kartendarstellung deutlich erschwert worden wäre.

Obwohl die  Prüfung der Nullvariante und die gleichberechtigte Prüfung echter Alternativen zu den zentralen Aufgaben eines Raumordnungsverfahrens gehört, ist sogar darauf verzichtet worden!

„Offensichtlich sollte damit den Gemeinden suggeriert werden, dass sie sich bei der jetzt durchgeführten Anhörung der Öffentlichkeit nicht mehr grundsätzlich gegen die Westumgehung aussprechen, sondern nur noch zwischen einzelnen Trassenvarianten wählen können“, so Matthias Zorn, 1. Vorsitzender der Bürgerinitiative „Gemeinden und Bürger gegen die Westumgehung“.

Dass angeblich zumutbare Alternativen fehlen, mussten die Planer aber auch deshalb behaupten, um damit zentrale Voraussetzungen für die erforderlichen artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen für scheinbar unvermeidbare Eingriffe und Beeinträchtigungen bei europarechtlich geschützten Biotopkomplexe (z.B. das FFH – Gebiet Maintalhänge zwischen Gambach und Veitshöchheim) und Arten schaffen zu können.

In seiner rund 80 Seiten umfassenden Stellungnahme hat der BN nicht nur eine Vielzahl gravierender Planungsfehler aufgedeckt, sondern auch in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass die mit diesem  Verkehrsprojekt verbundenen Eingriffe und Risiken für eine ganze Region in keinem Verhältnis zu dessen angeblichen verkehrlichen und wirtschaftlichen Vorteilen stehen:

  • Das Autobahnkreuz Biebelried wird zwar um 9.600 Kfz entlastet, dafür aber bei Kist ein neuer Verkehrsknotenpunkt mit einem zusätzlichen Verkehraufkommen von 17.200 Kfz geschaffen – statt einer Problemlösung gibt  es somit nur eine Problemverlagerung!
  • Die Entlastungswirkung für Würzburg beträgt gerade einmal 5 - 7%. Um eine tatsächlich hörbare Entlastungswirkung zu erzielen, müsste der Verkehr aber um ca. 50% abnehmen!
  • Karlstadt, Gemünden und Lohr haben seit 2006 durch vorbildliche Eigeninitiative längst bewiesen, dass sie trotz Wirtschaftsflaute und Bevölkerungsrückgang auch ohne B 26n eine Steigerung der Beschäftigungszahlen und Betriebansiedlungen erreichen.

Ihre v. a. im Tourismusbereich erzielten Erfolge würden bei Realisierung dieser autobahnähnlichen Schnellstrasse sogar aufs Höchste gefährdet – der angebliche wirtschaftliche Nutzen also ins Gegenteil verkehrt!

Die B 26 n als Wundermittel zur Förderung und Belebung der regionalen Wirtschaftstruktur ist damit auch vor Ort als ungedeckter Wechsel entlarvt worden.

Hinzu kommt, dass diese Planung nicht einmal mit  zentralen Vorgaben des Landesentwicklungsprogrammes und des Regionalplanes vereinbar ist.

So wird beispielsweise im geltenden Regionalplan dezidiert gefordert, die verkehrliche Anbindung zu sichern und zu verbessern, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass dies ohne zusätzliche Beeinträchtigungen für die Bevölkerung erreicht werden kann.

Auch von dieser verbindlichen Vorgabe bleibt diese Planung meilenweit entfernt, selbst wenn versucht würde, in großem Umfang Planungsfehler zu korrigieren und Planungsdefizite nachzubessern.

Fazit:

Das Raumordnungsverfahren zur B 26n wird seinem gesetzlichen Auftrag nicht gerecht.

Angesichts der fehlenden Rechtfertigung für dieses Großprojekt, der widersprechenden raumordnerischen Zielvorgaben, der zahlreichen Planungsmängel und - defizite sowie der großen Zahl eingriffsbetroffener europarechtlich & bundesrechtlich geschützter Lebensraumtypen und Arten und der völlig unzureichenden planerischen Bewältigung der damit verbundenen Konflikte sind nach Auffassung des BN zentrale Voraussetzungen für eine raumordnerische Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht gegeben.

Aus Sicht des BN drängt sich deshalb der Verdacht auf, dass dieses ROV letztendlich nur dazu dienen soll, den Bau der von Anfang an umstrittenen „Westfrankenautobahn“ B 26n mit allen Mitteln zu rechtfertigen.

Nach Auffassung des BN ist somit bei Beachtung der rechtlichen Anforderungen und Vorgaben dieses Raumordnungsverfahren einzustellen und die Planung ad acta zu legen.

Das „Grüne Kapital“ einer der schönsten Regionen Mainfrankens ist auf jeden Fall zu wertvoll, um auf dem Altar eines politischen Prestigeprojektes geopfert zu werden, dessen planerischer Ansatz aus der verstaubten Mottenkiste einer längst gescheiterten  Verkehrspolitik des letzten Jahrhunderts stammt.

Komplexe Verkehrsprobleme erfordern gerade heute auch komplexe Konzepte - jenseits eindimensional strukturierter und nur auf den Straßenbau fixierter Scheinlösungen.

 

gez.  Richard Mergner, Landesbeauftragter
gez. Helmut Schultheiß, Regionalreferent

Für Rückfragen
Helmut Schultheiß, Tel. 0911/81 87 8-13, mobil: 0171-6142483
Email: helmut.schultheiss@bund-naturschutz.de