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Bayerns Natur von Agrargiften bedroht

Landwirtschaft nicht so umweltverträglich, wie behauptet

17.05.2013

Die konventionelle landwirtschaftliche Produktion belastet Bayerns Natur zunehmend mit Agrargiften kritisiert der BUND Naturschutz. „Nur eine bessere Agrarförderpolitik, ein dauerhaftes Verbot von Agrargiften, die Mensch und Umwelt gefährden, und der Ausbau des ökologischen Landbaus kann den gefährlichen Trend umkehren“, so BN-Landesbeauftragter Richard Mergner. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner und die Spitzen des deutschen und bayerischen Bauernverbandes dürften den Gifteinsatz nicht weiter als „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ verharmlosen.

In Deutschland werden Jahr für Jahr zur Bekämpfung von Wildpflanzen („Unkräutern“), Schadinsekten, Pilzkrankheiten und Nagetieren mehr als 30.000 Tonnen als „Pflanzenschutzmittel“ bezeichnete Giftwirkstoffe in der Landwirtschaft eingesetzt. Hinzu kommen 10.000 Tonnen sog. „Lagerschutzmittel“. [1].

Im Mais wird z.B. durchschnittlich 1,9 mal, bei Zuckerrüben 3,7 mal, im Winterweizen 4,9 mal und bei Kartoffeln über 10mal pro Saison gespritzt [2]. Das Getreide wird zusätzlich oft vor der Ernte mit einem Totalherbizid behandelt, damit es gleichmäßig abreift. Wiesen dürfen mit einem Totalherbizid tot gespritzt werden, wenn der Pflanzenbestand so „verunkrautet“ ist, dass eine Neuansaat vom Landwirt als erforderlich gesehen wird, und das Landwirtschaftsamt dies genehmigt. Auch die meisten Gemüse- und Obstkulturen werden mehrfach mit Agrargiften behandelt. Die eingesetzten Mittel bringen massive schädliche Auswirkungen für Umwelt und Artenvielfalt mit sich [3,4,5]. Sie sind verschiedenen Gefahrenkategorien zugeordnet, die z.T. sehr hohe Sicherheitsmaßnahmen für den Anwender und Menschen, die mit den Giften direkt in Berührung kommen könnten, vorschreiben[6].

Ein weiteres Problem für die Artenvielfalt ist die Monotonisierung der Agrarlandschaft, denn es werden immer weniger verschiedene Kulturpflanzen angebaut, Feldraine verschwinden und Feldvögel haben nur noch die wenigen Hecken und Brachflächen als Brutplätze.

„Verluste von Wildpflanzen, Bienen und weiteren Nutzinsekten, wie auch der dramatische Rückgang von Amphibien und Feldvögeln sind bedenkliche Entwicklungen, die von der Agrarpolitik nicht einfach so hingenommen werden dürfen“, so Mergner. Er appelliert deshalb an die Verhandlungsführer des gerade begonnenen „Trilogs“ zur Reform der EU - Agrarpolitik ab 2014, auf jeden Fall die von der EU Kommission vorgeschlagenen sieben Prozent ökologischen Vorrangflächen zu beschließen. „Ökologische Vorrangflächen, auf denen keine Agrargifte eingesetzt werden, und die zur sichtbaren Verbesserung der Artenvielfalt führen, müssen verpflichtende Voraussetzung für die allgemeine flächenbezogene Zahlungen der EU an Landwirte werden“, so der Imker und Naturschützer Klaus Petter vom BUND Naturschutz in Mainstockheim.

 Pestizide und ihr Zulassungsverfahren in der Kritik (siehe auch Anlage zu dieser Pressemitteilung)

Im Zulassungsverfahren werden die Risiken nur unzureichend erfasst, wie neuere Studien belegen. So werden meist nur Einzeluntersuchungen vorgenommen, das komplexe Zusammenwirken der einzelnen Wirkstoffe jedoch nicht eingehend untersucht. „Die besonders empfindlichen Amphibien beispielsweise werden im Zulassungsverfahren überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl sie durch die feuchte Haut besonders stark Giftstoffe absorbieren und hoch gefährdet sind“, kritisiert Ulrike Geise, Sprecherin des BN Arbeitskreises Arten- und Biotopschutz. Immer wieder werden Agrargifte wegen der schädlichen Auswirkungen verboten, wie z.B. die als bienengefährlich eingestuften Insektizide der Stoffgruppe der Neonicotinoide, die ab dem kommenden Jahr europaweit für 2 Jahre bei Raps und Mais nicht mehr eingesetzt werden dürfen.

Selbst bereits als problemtisch erkannte Mittel werden mit der Hilfskonstruktion „Notfallzulassung“ nach § 29 Pflanzenschutzgesetz für bis zu 120 Tage zugelassen, wenn „eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist“, so die offizielle Begründung. „Mit dieser Praxis wird wissentlich die Gefährdung von Mensch und Umwelt billigend in Kauf genommen“, kritisiert Marion Ruppaner, BN-Landwirtschaftsreferentin.

http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/02_Genehmigungen/psm_ZugelPSM_genehmigungen_basepage.html?nn=1798070#doc1400532bodyText1

 

Der Bund Naturschutz fordert bessere Schutzvorkehrungen und Verbote, um den Einsatz von umweltschädlichen Pestiziden einzuschränken:

  • ein Verbot bienengefährdender Pestizide; insbesondere ein langfristiges Totalverbot der bienengefährlichen Stoffgruppe der Neonikotinoide für alle Kulturen
  • einen wirksamen „Nationalen Aktionsplan zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“ mit dem Ziel einer erheblichen Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden
  • verstärkte staatliche Kontrollen des Einsatzes von Pestiziden und angemessene Sanktionen von Verstößen
  • die Anlage von Gewässerrandstreifen an Ackerflächen in einer Breite von 10 bis 20 Metern
  • die Abschaffung der staatlichen Förderung für die pfluglose Bodenbearbeitung bei gleichzeitigem Einsatz von Totalherbiziden
  • ein Verbot des „Abspritzens“ von Wiesen mit Totalherbiziden zur Neueinsaat der Grasnarbe
  • eine Überprüfung und Verschärfung der Zulassungsverfahren für Pestizide, insbesondere durch Offenlegung der Unterlagen, die zur Zulassung der Pestizide geführt haben , sowie die Erfassung der Wechselwirkungen von gängigen Wirkstoffen
  • verstärkte Forschung zu Alternativen der Pestizidlandwirtschaft, wie ökologische Selbstregulierungssysteme und biologischer Pflanzenschutz sowie Züchtung resistenter Sorten, die auch zur Ertragsteigerungen im Bioanbau führen
  • verbesserte Standards und Kontrollen der sog. „guten fachlichen Praxis“, so z.B. Untersagen von Fruchtfolgen, die einen erhöhten Pestizideinsatz nach sich ziehen. Beispiel: Anbau von Weizen nach Mais führt zu erhöhtem Fusarienbefall
  • Ein Verbot von Präparaten mit dem Wirkstoff des Totalherbizids Glyphosat auf Basis des Vorsorgeprinzips, nachdem mehrere Studien auf das Gefahrenpotenzial für die menschliche Gesundheit hinweisen.

Für Rückfragen:

Marion Ruppaner, Agrarreferentin

Tel. 0911/81 87 8-20

marion.ruppaner@bund-naturschutz.de

Quellenhinweise:

[1]http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/03_PSMInlandsabsatzExport/psm_PSMInlandsabsatzExport_node.html

[2]Agra-europe 20/13, 13.5.2013: Länderberichte, S.10:

Mais benötigt relativ wenig Pflanzenschutzmittel

[3]Basic and Applied Ecology 11 (2010) 97–105

Persistent negative effects of pesticides on biodiversity and biological

control potential on European farmland:

In dieser europaweiten Studie der Universität Göttingen wurden in acht West- und Ost-Europäischen Ländern negative Effekte der landwirtschaftlichen Intensivierung auf Pflanzen, Laufkäfer, bodenbrütende Ackervögel und die Anzahl der durch natürliche Feinde gefressener Blattläuse gezeigt.

[4]BUND-Hintergrund: Pestizide töten Vögel, 50. Jahrestag von Rachel Carlsons „Silent Spring“: Pestizideinsatz weiterhin zu hoch, September 2012: So sind in Deutschland bei Kiebitz, Rebhuhn und Braunkehlchen Rückgangsraten von über 60 Prozent in den letzten 20 Jahren zu verzeichnen.

[5] Der BUND warnt vor aktuellen Gesundheitsgefahren durch den Einsatz und Rückstände von Pestiziden.

www.bund.net/themen_und_projekte/chemie/pestizide/gesundheitsgefahren/krank_durch_pestizide/

[6]http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/04_Pflanzenschutzmittel/psm_verz_1.html?nn=1798082 , dort Kapitel 9 Kennzeichnungstexte und Auflagen

Anlage zur BN- PM Nr. 048-13:

Gefahren durch die Pestizidanwendungen für Mensch, Tier und Umwelt werden im Zulassungsverfahren unterschätzt, wie neuere Studien belegen.

Insektizidbelastung in Gewässern höher als amtlich prognostiziert

So hat eine Forschergruppe der Universität Koblenz-Landau [3] nachgewiesen, dass beim EU- Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel im Bereich Insektizide die Bewertungsmodelle unzureichend sind. Bei der Überprüfung von 122 Insektiziden wurde in 40% der Fälle festgestellt, dass die in Gewässern tatsächlich gefundenen Insektizid-Rückstandsmengen deutlich höher liegt als die theoretisch berechneten Werte im Zulassungsprozess.

Da die Ursachen völlig unklar sind, fordern die Forscher dringend die Überarbeitung des Zulassungsprozesses mit einem um das 10 – 100 fache erhöhten Sicherheitsfaktor sowie einen verpflichtenden nicht landwirtschaftlich genutzten Randstreifen von fünf bis zehn Meter Breite zwischen Ackerfläche und Gewässer.

[7]„Regulatory FOCUS Surface Water Models Fail to Predict Insecticide Concentrations in the Field“, Anja Knäbel, Sebastian Stehle, Ralf B. Schäfer, and Ralf Schulz. http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/es301649w

Wirkung von Pestiziden auf Amphibien nicht berücksichtigt

Eine im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführte Studie am Institut für Umweltwissenschaften an der Universität Koblenz-Landau [6]hat aufgedeckt, dass der Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln für Amphibien besonders gefährlich ist. Bereits der Einsatz der empfohlenen Produktmenge bei Grasfröschen (Rana temporaria) kann zu Sterblichkeitsraten von 20 bis 100 Prozent führen. Die Gefahr besteht für alle sieben getesteten Mittel – ob Fungizid, Herbizid oder Insektizid. Sie sind jedoch trotzdem zugelassen, da das entsprechende Verfahren bislang mögliche Auswirkungen auf Amphibien (Lurche) nicht untersucht. Bei Vögeln und Säugetieren steht seit längerem die Aufnahme der Pestizide über die Haut in der Diskussion. Da Frösche über ihre feuchte Haut Stoffe viel stärker absorbieren können, sind sie besonders gefährdet. Im Zulassungsverfahren für Pestizide im Rahmen von Gewässeruntersuchungen werden derzeit nur Kaulquappen berücksichtigt, nicht aber erwachsenen Frösche. Hier galt bislang die Einschätzung, dass für Vögel und Säugetiere unbedenkliche Mengen auch bei Fröschen kein großes Problem darstellen.

[8] „Terrestrial pesticide exposure of amphibians: An underestimated cause of global decline?“, Carsten A. Brühl, Thomas Schmidt, Silvia Pieper, Annika Alscher. Die Studie wurde am 24. Januar 2013 in der Fachzeitschrift „Scientific Reports (Nature)“ veröffentlicht (www.nature.com/srep).Kontakt: Universität Koblenz-Landau,Dr. Carsten Brühl,Fortstraße 7, 76829 Landau,Tel.: (06341) 280-310,E-Mail: bruehl@uni-landau.de

Glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel mit hohem Risikopotenzial

(gekürzter Text von Dr. Martha Mertens, BN Sprecherin AK Gentechnik, aus Unabhängige Bauernstimme 2010) Von den über 30.000 t Agrargiften, die in Deutschland auf den Feldern ausgebracht werden, hat Glyphosat, Bestandteil eines weit verbreiteten Totalherbizid mit 5.000 t einen Anteil von 20%. Zugelassen sind glyphosathaltige Herbizide bei den meisten Ackerkulturen, jedoch auch im Grünland. Es sind insgesamt 75 Mittel mit Glyphosat zugelassen. Rückstände gelangen ins Grund-und Oberflächenwasser, können das Bodenleben schädigen, z.B. die Stickstoffbindung von Leguminosen verringern. Die Schädigung von Amphibien ist nachgewiesen.

Die molekularen Mechanismen der Wirkung von Glyphosat sind zwar noch nicht im Detail bekannt, doch gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass das Mittel unter anderem die Zellteilung stört, den Zelltod herbeiführt und den Hormonhaushalt beeinträchtigt. Zudem steht Glyphosat im Verdacht, be-stimmte Krebserkrankungen wie das Non-Hodgkin-Lymphom (Krebserkrankung des lymphatischen Systems) zu fördern und die Entstehung von Hauttumoren zu begünstigen.

Meldungen über negative gesundheitliche Effekte von Glyphosat häufen sich in den letzten Jahren, bedingt durch den Anbau gentechnisch veränderter herbizidresistenter Sojapflanzen. Sie kommen in erster Linie aus Argentinien. Dort werden glyphosat-haltige Mittel über den Sojafeldern häufig per Flugzeug ausgebracht. Der Sprühnebel gelangt dabei nicht nur auf die Sojaflächen, sondern wird in einem größeren Umfeld verteilt. Flächen, Pflanzen und Tiere von Kleinbauern sowie Gewässer werden so mit glyphosat-haltigen Herbiziden belastet, die Menschen atmen die Mittel ein.

Seit längerem gibt es Berichte über gesundheitliche Probleme der Landbevölkerung in den betroffenen Gebieten. So wurden vermehrt Tot- und Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen beobachtet. Auch die Krebsraten sollen sich erhöht haben. Wissenschaftliche Untersuchungen der Arbeitsgruppe von Professor Andrés Carrasco an der Medizinischen Fakultät der Universität Buenos Aires stellten einen Zusammenhang zwischen diesen Beobachtungen und der Einwirkung von Glyphosat her. Professor Carrasco und sein Team behandelten Frosch- und Hühnereier mit unterschiedlichen Konzentrationen von Glyphosat und verfolgten die Embryonalentwicklung mit molekularbiologischen Methoden. Selbst bei Konzentrationen, die 1/5000 eines kommerziellen Glyphosat-haltigen Herbizids entsprachen, beobachteten sie massive Störungen der Embryonalentwicklung von Kaulquappen und Küken (Paganelli et al. 2010). Die Missbildungen betrafen vor allem den Kopfbereich und das Nervensystem.

Die Forscher analysierten die mögliche Wirkungsweise von Glyphosat bzw. Roundup und fanden, dass das Herbizid eine für die normale Entwicklung von Wirbeltieren wichtige Signalkette stört und die Aktivität entscheidender Gene beeinträchtigt. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass ein Überschuss an Retinolsäure (ein Abkömmling von Vitamin A) zu charakteristischen Störungen der Embryonalentwicklung bei Versuchstieren und beim Menschen führt, die sich besonders im Kopf- und Hirnbereich auswirken. Wie Carrasco und sein Team zeigen konnten, stieg in den mit Glyphosat behandelten Embryonen die Retinolsäure-Aktivität stark an. Von einem kausalen Zusammenhang zwischen Glyphosat-Behandlung und Geburtsfehlern ist demzufolge auszugehen, zumal Glyphosat die menschliche Plazenta überwinden kann.

 <link fakten landwirtschaft garten garten-gifte.html mehr>www.bund-naturschutz.de/fakten/landwirtschaft/garten/garten-gifte.html.