Biber in Mittelfranken
Sehr geehrter Herr Ströbel,
mit Überschriften wie „Gegen die Biberplage“ berichtete vor wenigen Tagen die mittelfränkische Presse über eine Unterschriftenaktion des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) gegen den durch europäisches und deutsches Recht geschützten Biber.
Dabei werden die weit überwiegenden positiven Wirkungen des Bibers völlig ignoriert und das Schadensausmaß maßlos übertrieben. Neue oder erfolgversprechende Lösungsansätze sucht man in der Kampagne des BBV dagegen vergeblich.
Der Bund Naturschutz (BN) hat sich seit Jahrzehnten dafür eingesetzt, dass in Bayern ein funktionierendes Bibermanagement besteht. Über 200 ehrenamtliche Biberberater auf der Ebene der Landkreise – in Mittelfranken ca. 20 Personen - kümmern sich jährlich bei ca. 2.000 Ortsterminen und Beratungsgesprächen mit Vermittlung von Ausgleichszahlungen und Vorschlägen für die Bewirtschafter. Seit 1998 arbeiten zwei Bibermanager für je Nord- und Südbayern, die aktuell jährlich 155 besonders schwierige Konfliktfälle lösen, 65 Vorträge und Exkursionen durchführen, 45.000 km zurücklegen, örtliche Biberberater aus- und fortbilden, Biberkartierungen betreuen und das erfolgreiche bayerische Modell derzeit transferieren nach Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Tirol.
Dabei ist auch die Tötung kein Tabu: 700 Biber pro Jahr (Stand 2009) werden im Rahmen des Managements und behördlicher Ausnahmegenehmigungen gezielt getötet - und zwar nicht irgendwelche Biber, sondern genau die an den lokalen Problempunkten. Eine flächendeckende Bejagung wie in Ihrer Aktion offenbar gefordert, ist völlig unangemessen, denn in der überwiegenden Anzahl der bayerischen Biberreviere treten überhaupt keine Konflikte mit menschlichen Nutzungen auf. Der Aufwand für solch eine Biberhatz wäre immens, ohne dass eine Verbesserung der Situation für betroffene Landwirte zu erwarten wäre.
Der BN hat sich zusammen mit dem BBV erfolgreich dafür eingesetzt, dass es seit 1.8.2008 staatliche Ausgleichsmittel des Bayerischen Umweltministeriums für Biberschäden bei Landnutzern gibt. Dieser Biberfonds wurde auch nach entsprechenden Forderungen von BBV und BN aktuell um 100.000 €/Jahr auf 350.000 € erhöht. Die durch Biber bedingten Schäden sind bayernweit vom Jahr 2009 von 494.000 Euro um knapp 25% auf 371.000 Euro in 2010 zurückgegangen.
In Mittelfranken liegen die Ausgleichszahlungen dabei im Vergleich zu anderen Bezirken ausgesprochen niedrig. Im Jahr 2010 wurden im gesamten Regierungsbezirk Mittelfranken insgesamt 19.541 Euro gemeldet – bei 1,7 Mio. Einwohnern entspricht dies pro Einwohner also rund 1,1 Cent. Die Höhe der Schäden ist für die Gesellschaft tragbar, da sie nur ein Bruchteil dessen ausmacht, was Biber für diese leisten. Aus diesem Grund nimmt der Freistaat Bayern auch Geld in die Hand, um Geschädigte finanziell zu entlasten.
Der Biberfonds, den es für viele andere Tierarten nicht gibt, wurde vom Umweltministerium aus Gründen der Akzeptanzförderung ins Leben gerufen. Wenn der BBV nun zu einer flächendeckenden Reduktion der Art aufruft, stellt sich die Frage, ob der BBV überhaupt weiterhin Interesse an einem Schadensausgleich hat?
Die Initiative des BBV Mittelfranken zur Reduzierung des Biberbestandes kommt ganz offensichtlich aus dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, wo es 2010 gemeldete Zahlungsforderungen wegen Biberkonflikten von gerade einmal 3.607,69 Euro gegeben hat. Dennoch spricht der BBV von einer "echten Plage" und möchte den Biber um Treuchtlingen und Dietfurt ausrotten - also auch in FFH-, Vogelschutz- und Naturschutzgebieten, auf öffentlichen Ausgleichflächen für Infrastrukturmaßnahmen, auf Ufergrundstücken der Wasserwirtschaftsverwaltung, auf Ökoflächen der Kommunen und selbst in Gebieten, die der Bund Naturschutz mit Spendengeldern erworben hat, um Biberkonflikte zu vermeiden. Dies ist ein ausgesprochen anmaßender und zudem gesetzwidriger Zugriffsversuch auf Vorrangflächen des Naturschutzes.
Gerade im Raum Treuchtlingen leisten Biber Hervorragendes für Naturschutz und Wasserwirtschaft. Große Gewässerabschnitte wurden allein durch die Biber in den aufgrund der Wasserrahmenrichtlinie gesetzlich vorgeschriebenen "guten ökologischen Zustand“ gebracht. Das hat dem Steuerzahler eine sündhaft teure, maschinelle Renaturierung erspart, deren Kosten um mehrere Zehnerpotenzen höher liegen würden als einzelne Schäden bei Landwirten im Umfeld. Biber haben in den Schutzgebieten um Treuchtlingen für eine Artenvielfalt gesorgt, die in der Region einmalig ist. Allein im Dietfurter Ried konnte im Jahr 2010 eine aktuelle Studie 48 Vogelarten nachweisen, darunter z.B. Wasserralle, Drosselrohrsänger, Eisvogel und Bekassine. Diese Arten, für deren Schutz anderswo viel Geld ausgegeben wird, profitieren eindeutig vom Biber oder kommen sogar nur wegen ihm im Ried vor. Dasselbe gilt für 21 Libellenarten, darunter die Schwarze Heidelibelle, die im gesamten Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen derzeit nur aus dem Dietfurter Ried bekannt ist - und dort nur leben kann, weil Biber Dämme bauen.
Die fanatische Gegnerschaft von einflussreichen Einzelpersonen im Raum Treuchtlingen ist wohl auch der Nährboden für wiederholte illegale Eingriffe in Biberdämme, die auch zu polizeilichen Ermittlungen geführt haben. Wer dort sinnvolle Maßnahmen zur Konfliktvermeidung ablehnt, wie eine geplante Flächenumlegung zwischen Dietfurt und Treuchtlingen, Schäden maßlos übertreibt und lösbare Einzelfälle zu eine Plage hochstilisiert, entlarvt sich selbst als desinteressiert an Lösungen und als radikaler Gegner der Erhaltung der Biodiversität, eines der wichtigsten Anliegen unserer Gesellschaft.
Ich hoffe, dass der BBV kein Interesse an einer derartigen Zuspitzung im gesamten Regierungsbezirk hat. 69,3 % beträgt lt. Bayerischem Agrarbericht 2010 der Anteil der öffentlichen Transferleistungen und Steuermittel am Einkommen der bayerischen Vollerwerbslandwirte. Die gesellschaftliche Akzeptanz hierfür ist durch die Vermaisung der Landschaft und die Artenerosion in der offenen Agrarlandschaft ohnehin gefährdet.
Biber gehören in die mittelfränkische Landschaft. Untersuchungen gerade aus Mittelfranken belegen, dass die Artenvielfalt bei Fischen, Amphibien, Libellen und Vögeln in Biberfeuchtgebieten sprunghaft ansteigt. Der Biber ist ein Motor der Artenvielfalt in unserem Gewässernetz. Biber können über ihre Aktivitäten wesentlich dazu beitragen, dass die Roten Listen nicht länger sondern kürzer werden. Dies sollte nicht nur staatliches Naturschutzziel sein, sondern alle angehen. Aus diesen Gründen schlägt der BN vor, den bewährten, kooperativen Weg im Bibermanagement nicht zu verlassen.
Wir würden den BBV gerne auch bei Unterschriftenaktionen unterstützen, so gegen den Preisdruck, den Lebensmittelkonzerne auf die landwirtschaftlichen Erzeuger ausüben, gegen Gewerbegebiete und Straßen, die für immer landwirtschaftliche Böden der Nutzung entziehen oder gegen die Atomkraft, die bei einem GAU in Bayern existenzielle Folgen für die Landwirtschaft hätte.
Ihre aktuelle Unterschriftenaktion gegen den Biber ist allerdings ein schlimmer Affront gegenüber allen gutwilligen Landwirten und ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, denen die Bewahrung der Schöpfung ein echtes, ehrliches Anliegen ist. Es würde Ihnen und dem Bauernverband daher gut anstehen, Ihre Unterschriftensammlung gegen den Biber umgehend einzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Richard Mergner
Landesbeauftragter
Für Rückfragen: richard.mergner@bund-naturschutz.de, Tel. 0911/81878-15