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BN kritisiert Kehrtwende bei Bergwaldschutz

Bayern verliert durch CSU-Vorstoß 7.000 ha Bergwälder

09.08.2010

Aufgrund einer Initiative der CSU-Bundestagsfraktion wurde mit massiver Unterstützung der Bayerischen Staatsregierung vor wenigen Wochen das Bundeswaldgesetz geändert. Danach verlieren etwa 7.000 Hektar zumeist staatliche Bergwälder in Bayern ihren Waldstatus und werden zu Weideland umgewidmet, um Fördergelder von insgesamt ca. 5 Mio. € für die Waldweide langfristig zu sichern. „Wir kritisieren diese Kehrtwende der CSU beim Bergwaldschutz als verheerendes Signal der Umweltpolitik der Bayerischen Staatsregierung“, so Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz (BN). Der langfristige Verlust von bis zu 7.000 Hektar an Bergwald, davon große Teile Schutzwälder, bedeutet eine substantielle Schwächung der Schutzfunktionen des Gebirgswaldes im bayerischen Alpenraum.

 

Kehrtwende im bayerischen Bergwaldschutz

Obwohl es sich dabei großflächig um Schutzwälder und sogar Schutzwaldsanierungsflächen handelt, wurde der Schutz des Waldgesetzes für diese beweideten Bergwälder gestrichen. Der BN kritisiert, dass dadurch die Subventionierung der Waldweide Vorrang vor dem Schutz des Bergwaldes erhält. Damit sind der langfristige Fortbestand und die Schutzfunktionen der betroffenen Schutzwälder massiv gefährdet und dies wird auch noch öffentlich subventioniert. „Die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung konterkarieren die bisherigen millionenschweren Sanierungsmaßnahmen und Schutzmaßnahmen in Bayern, mit denen intakte Schutzwälder in den Alpen geschaffen werden sollen“, so Hubert Weiger. Die jahrzehntelangen Bemühungen des bayerischen Landtages und der CSU-Staatsregierungen unter Strauß, Streibl und Stoiber um den Schutz der Bergwälder werden so untergraben.

 

Keine Rodung von Bergwäldern aus Artenschutzgründen

„Es ist unbestritten, dass einige dieser Bergwälder und insbesondere deren Übergangsbereiche zum Offenland und Almweiden auch naturschutzfachlich wertvolle Bereiche darstellen“, so Hubert Weiger. Aber es gibt keinen Beleg dafür, dass man zu deren Schutz die Waldeigenschaft abschaffen muss. Ganz im Gegenteil, beim flächenmäßig weit überwiegenden Anteil der betroffenen Wälder handelt es sich um großflächige Bergwaldbereiche, die tw. ganze Hänge betreffen. Nach Ansicht des BN werden Artenschutzgründe für die Änderung des Bundeswaldgesetztes nur für vorgeschoben.

 

BN für geänderte almwirtschaftliche Förderung

Die Almwirtschaft leistet aus Sicht des BN wichtige Dienste für die Pflege der Almweiden, für die Erhaltung der Kulturlandschaft und für die Bereiche Erholung und Naturschutz im Gebirge. Deshalb sind entsprechende staatliche Fördergelder für die Almwirtschaft gerechtfertigt, wobei diese nach Erschwernis und naturschutzfachlicher Wertigkeit gestaffelt eingesetzt werden müssen.

Diese Förderung muss aber so gestaltet werden, dass die artenreiche Kulturlandschaft im Gebirge erhalten wird, aber gleichzeitig nachteilige Effekte für den Bergwald vermieden werden. „Eine pauschale Förderung der Waldweide ohne naturschutzfachlichen Bezug lehnt der BN deshalb ab“, so Hubert Weiger. „Stattdessen sollte sich die almwirtschaftliche Förderung auf die sogenannten Lichtweiden beschränken, so wie es vor 2004 üblich war.“ Für die naturschutzfachlich wertvollen Übergangsbereiche gibt es forstliche Förderprogramme, die verstärkt im Alpenraum angewendet werden sollten.

 

Problemfall Schutzwaldsanierung nicht wegdefinieren

„Wir sind in den meisten Schutzwäldern und vor allem in den Schutzwaldsanierungsflächen ja weit davon entfernt, dass diese zu dicht und dunkel sind“, so Hans Kornprobst. Durch den jahrzehntelangen starken Verbiss durch Schalenwild und auch durch Weidevieh sind viele dieser Schutzwälder so unnatürlich aufgelichtet, dass deren Schutzfähigkeit massiv beeinträchtigt ist. Doch anstatt die Schutzwaldsanierung zu intensivieren und dafür zu sorgen, dass die Berg- und Schutzwälder die Berghänge und die Täler schützen, schafft man mit einem Federstrich mehrere Tausend Hektar Bergwald einfach ab. „Wir kritisieren diese neue Sparpolitik der bayerischen Staatsregierung, die Schutzwälder nicht mehr saniert, sondern einfach wegdefiniert“, so Hans Kornprobst.

 

Zahlreiche Schutzvorschriften entfallen

„Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass starke Beweidung im Laufe der Jahrzehnte zu immer lichteren Bergwäldern führt,“ so der Bergwaldexperte Hans Kornprobst. Vor diesem Hintergrund hat der Verlust der Waldeigenschaft langfristig sicher zahlreiche negative Folgen.  So bedeutet es für die betroffenen Bergwälder - etwa die Hälfte des betroffenen Waldes ist Schutzwald, dass sich die Umweltgefährdungen mittel- bis langfristig verschärfen, die von Hochwasser, Muren, Steinschlag oder Lawinen ausgehen. Der Klimawandel erfordert aber mehr intakte und möglichst stabile Gebirgswälder, auch durch Schutzwaldsanierung, und nicht ihre langfristige Schwächung.

 

Im Detail werden dadurch das bayerische Forstrechtegesetz ausgehebelt und zahlreiche Schutzbestimmungen des Bayerischen Waldgesetzes für intakte Bergwälder außer Kraft gesetzt, viele Verpflichtungen entfallen:

·   die Schutzfähigkeit zu stärken nach Art. 1

·   die Schutzfunktionen im Bergwald - und seine Bedeutung für die biologische Vielfalt bestmöglich und nachhaltig zu erfüllen nach Art. 5

·   das erschwerte Rodungsverbot nach Art. 9,

·   die Bewirtschaftungsvorgaben nach Art. 14 (z.B. zu Kahlschlag),

·   die Wiederaufforstungspflicht nach Art. 15,

·   für den Staatswald die besonderen Vorgaben einer vorbildlichen Waldwirtschaft nach Art. 18,

·   die finanzielle Unterstützung der Waldbesitzer für besondere Leistungen nach Art. 22,

·   etliche Aufgaben der Forstbehörden wie die Beratung oder Schutzwaldsanierung, Forstaufsicht, Erhebung des Zustandes der Waldverjüngung und Waldzustandes nach Art. 28

·   erhöhte Auflagen für Umweltverträglichkeitsprüfungen nach Art. 39a

·   die Möglichkeit notwendige Maßnahmen anzuordnen nach Art. 41

·   die Tatbestände für einige waldschädliche Ordnungswidrigkeiten nach Art. 46

 

Nach Forstreform keinen eigenständigen Anwalt für den Wald

Diesen Vorgang wertet der BN auch als eine der vielen negativen Auswirkungen der Forstreform. Mit der Forstreform wurde das Bayerischen Forstamt als eigenständiger Anwalt für den Wald abgeschafft: selbst die großflächigen staatlichen Bergwälder haben keinen eigenständigen Anwalt mehr. Weder die Forstverwaltung noch die Bayerischen Staatsforste können heute in Konfliktfällen offensiv und eigenständig für den Bestandsschutz des Staatswaldes eintreten. Der Bund Naturschutz fordert, diesen Kardinalfehler der Forstreform zu beheben.

 

 

Dr. Ralf Straußberger

BN Waldreferent

Tel. 0911/81878-21                Fax 0911/869568       Mobil 0171/7381724

ralf.straussberger@bund-naturschutz.de

 

 

Hintergrundinformationen zum Bergwald

Bergwald

· 250 000 ha Bergwald in Bayern

· dies entspricht im Bayerischen Alpenraum einen Waldanteil von 47 %

 

Schutzwald

· 60 % des Bergwaldes ist Schutzwald, d.s. 150.000 ha

· Waldbesitzarten im Schutzwald: 65 % des Schutzwaldes liegen im Staatswald (95.000 ha), 30 % im Privat- (44.000 ha) und 5 % im Körperschaftswald (8.000 ha)

· Waldfunktionen im Schutzwald: 40 % Boden-/Erosionsschutz, 42 % Lawinenschutz, 11 % Wasserschutz, 35 % sonst. Wasserschutz

 

Schutzwaldsanierung

· 200 Schutzwaldsanierungsgebiete, davon 58 vordringlich (31.980 von 133.265 ha)

· 1.200 Schutzwaldsanierungsflächen mit 12.800 ha, entspricht 10 % Schutzwald

· 12 600 ha (8 %) Schutzwald sind so funktionsgestört, dass sie durch spezielle Pflanzungen sowie Gleitschnee- und Lawinenverbauungen saniert werden müssen; geschätzte Kosten: ca. 400 Mio. €, davon 240 Mio. € Forstverwaltung, 160 Mio. € durch Wasserwirtschaftsverwaltung

· davon 4.800 ha (37 %) vordringlich, weil unbestockt: völlig unzureichende Verjüngung, stark verlichtet, bereits Erosionsschäden. Hier sind auf 58 % Pflanzungen vorgesehen. Auf diesen 4800 ha ist es 5 vor 12 (Forstminister Josef Miller in Landwirtschaftlichen Wochenblatt 22.05.04)

 

Waldweide

·  ca. 53.000 ha im Staatswald im bayerischen Alpenraum sind weiderechtsbelastet, vorwiegend in Oberbayern (LWF, 2008)

·   1987 – 1995 wurden 17.350 ha Waldweideflächen abgelöst, 1995 bis 2004 weitere 10245 ha

 

Dies kostet der Bergwald

· 100 € pro ha und Jahr für Förster, Pflege, Holzernte, Jagd

· ca. 2000 € pro ha kostet Erhaltung und Pflege intakten Schutzwaldes alle 10 - 20 Jahre

· 50.000 € pro ha kostet Sanierung eines beeinträchtigten Schutzwaldes

· 500.000 € pro ha kostet technische Verbauung zum Lawinenschutz, etc.

 

Zunehmende Schäden im Alpenraum wegen Klimawandel

· nach Berz (Münchner Rück, 2004) Schäden im gesamten Alpenraum 1980 – 2003

·  volkswirtschaftliche Schäden: 54 Mrd. € Schäden, davon 2/3 nicht versichert;

·  diese 54 Mrd. € werden zu 2/3 durch Überschwemmungen verursacht

·  im Vergleich zu 60ern ist dies das 7-fache an versicherten Schäden und das 14-fache an nicht versicherten Schäden