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Bündnis für moderne Verkehrspolitik gegründet

Schwäbische Straßenbaukritiker schließen sich zusammen

29.06.2012

Die Unzufriedenheit der Bürger mit den vielerorts überdimensionierten Verkehrsneubauvorhaben in Bayern wächst. Das gilt sowohl für Großprojekte wie Autobahnbau oder Flughäfen, als auch für zahlreiche Straßenbauprojekte im Ländlichen Raum. Im aktuellen Ausbauplan für Staatsstraßen in Bayern sind derzeit ca. 600 Straßenbauprojekte, im aktuellen Bundesverkehrswegeplan zusätzlich ca. 400 Projekte an Bundesstraßen und Autobahnen in Bayern vorgesehen. Dazu kommen noch zahlreiche weitere Kreis- und Gemeindestraßenbauprojekte.
Deswegen schlossen sich auf einer Konferenz in Wertingen im Landkreis Dillingen am 28.6.2012 ca. 40 Aktive aus Bürgerinitiativen und Bund Naturschutz-Orts- und Kreisgruppen aus ganz Schwaben zusammen, um künftig mit gemeinsamen Aktivitäten für eine sinnvolle Verwendung der Steuergelder im Straßenbau und für den Erhalt von Natur und Landschaft zu kämpfen.
„Bestandserhalt statt Straßenneubau“ forderte Richard Mergner, BN Landesbeauftragter und Sprecher des BUND Arbeitskreises Verkehr als Hauptredner in seinem Grundsatzreferat. „Um Mobilität für die Zukunft zu erhalten, muss der Neu- und Ausbau von Straßen weitgehend gestoppt werden. Die Schwerpunkte einer neuen Mobilitätspolitik für Mensch und Natur liegen in einer klaren Priorität für Erhaltungsinvestitionen, Straßenrückbau mit Verkehrsberuhigung und stärkerer Förderung des Bahn-, Bus-, Rad- und Fußverkehrs.“
Die Teilnehmer verabschiedeten die „Wertinger Erklärung für eine neue Mobilitätspolitik“ (siehe Anlage).


Eingeladen hatte Gernot Hartwig von der BN-Ortsgruppe Buttenwiesen. „Ich habe bewusst hierher, in den Landkreis Dillingen eingeladen, denn hier bündeln sich die Probleme“, begrüßte er den Referent Richard Mergner und die zahlreichen Gäste. „Obwohl wir auf dem Land oft auf das Auto angewiesen sind, gibt es bei uns viele, von den Bürgern abgelehnte Straßenbauvorhaben, z. B. in Buttenwiesen, Zusamaltheim, Wertingen, Villenbach, Höchstädt oder aktuell bei Binswangen. Die Bürger spüren, es muss sich etwas ändern, merken aber gleichzeitig, dass der Bau von Ortsumfahrungen nur eine kurzfristige Lösung ist mit enormen langfristigen Schäden wie Abgase, Bodenversiegelung, Artensterben oder Rohstoffverbrauch. Das Auto gehört, wie die Atomenergie, zu den Dinosaurier-Technologien, deren Raum zum Überleben mit fortschreitender Globalisierung immer enger wird.“, meinte er einleitend.
Richard Mergner forderte die Staats- und Bundesregierung auf die Ausbau- und Zuschusspolitik nach objektiven Kriterien statt nach politischer Willkür und Interessen von Wahlkreisabgeordenten auszurichten. „Das Kommunale Sonderbaulastprogramm muss sofort gestrichen werden, denn damit werden Verkehrprojekte mit bis zu 90% Staatsmittel gefördert, die objektiv kein Bedarf zugebilligt wurde haben.“
Professor Jannasch, von der Wertinger Bürgerinitiative, zeigte in seinem Kurzreferat zur „Wertinger Dreifeldbrücke“ auf, dass mit einem Kreisver-kehr eine viel billigere, umweltfreundlichere und sicherere Lösung zur Verfügung stünde, die aber vom Staatlichen Bauamt Krumbach nicht angestrebt wird. Nach den Gründen dafür befragt, meinte er, dass darüber nur spekuliert werden könne. „Natürlich erfordert Umplanen und Umdenken ein gewisses Maß an Flexibilität, aber das ist bei solchen Fachleuten ja sicher vorhanden“, sagte er.
Nach diesem „herausragenden Beispiel verfehlter bayerischer Verkehrs- und Zuschusspolitik“, wie es Thomas Frey, Regionalreferent des Bund Naturschutzes, nannte, nahm die Darstellung weiterer ausgewählter Problemfälle der momentanen schwäbischen Verkehrspolitik durch die einzelne Initiativen und Gruppen breiten Raum ein. In einer Ausstellung an Stellwänden und auf Tischen wurden Alternativvorschläge vorgestellt und diskutiert. Es zeigte sich, dass die Bürger längst leistungsfähige, moderne Lösungen kennen und wollen, die Verantwortlichen aber oft noch altmodische Umgehungen und „Overflys“ bauen und dadurch Steuergelder zum Fenster hinaus werfen. „Wenn wir Bürger kreative Ideen wie flächensparende Trassen, moderne Verkehrslenkung und geschwindigkeitsreduzierende Einbauten einbringen und wollen oder die Verlagerung des überregionalen Güterverkehrs auf die Schiene sowie einen besseren Öffentlichen Personennahverkehr fordern, werden wir als Laien belächelt oder sogar beschimpft! Dabei sitzen die Verweigerer und Fortschritts-Verhinderer beim Straßenbau oft in Ämtern oder Behörden!“, ereiferte sich ein Teilnehmer.
Nach der Verabschiedung der „Wertinger Erklärung für eine neue Mobilitätspolitik“ wurde beschlossen, sich ein bis zweimal im Jahr zu treffen.

Für Rückfragen:
Thomas Frey, BN-Regionalreferent für Schwaben
thomas.frey@bund-naturschutz.de; Mobil: 0160-95501313

Gernot Hartwig
Initiator: Moderne Verkehrspolitik statt veralteter Ausbaustrategien
und Vorsitzender BN Ortsgruppe Buttenwiesen
gernot.hartwig@gmx.de, 08274-216



Wertinger Erklärung
für eine moderne Verkehrspolitik


verabschiedet am 28.6.2012 in Wertingen


Schwaben ist sehr gut mit Straßen erschlossen. Ein weiterer Neu- und Ausbau des Straßennetzes schadet dem Klima- und Artenschutz, zerschneidet und verlärmt Landschaft und Wohngebiete, verbraucht wertvolle Ressourcen, und Flächen, verschärft Verkehrsprobleme und verhindert nachhaltige Mobilitätsangebote.

Moderne Verkehrpolitik muss sich an folgenden Leitbildern orientieren:

  • Verkehr hat dem Menschen zu dienen, der Mensch darf nicht dem Verkehr untergeordnet werden.
  • Verringerung des Energieverbrauchs, Arten- und Biotopschutz sowie Ressourcenschonung haben höchste Priorität bei allen Planungen zur Mobilität.(Flächenverbrauch)
  • Mobilitätsfragen müssen bei allen kommunalen Planungen (Gewerbeansiedlung, Baugebietsausweisungen usw.) berücksichtigt werden.
  • Die Erkenntnisse moderner, ökologisch orientierter Mobilitätsforschung sind in die Planung und den Bau von Verkehrswegen und –mitteln einzubeziehen und zu verwirklichen.
  • Eine höhere Geschwindigkeit auf Straßen erhöht die Unfallgefahr. Für mehr Sicherheit ist eine Entschleunigung und Verkehrsberuhigung nötig.


Die in Wertingen zusammengekommenen Verkehrsinitiativen fordern von der den schwäbischen Bürgermeistern und Landräten, der bayerischen Staatsregierung, der Bundesregierung sowie den verantwortlichen Stadt- und Gemeinderäten, Landtags- und Bundestagsabgeordneten:

  • Ganzheitliche Mobilitätsplanung unter Einbezug eines Umweltverbundes, statt bloßer Straßenplanung. Umorganisation der Straßenbauämter in Mobilitätsämter.
  • Klare Priorität für Erhaltungsinvestitionen und Rückbau mit Verkehrsberuhigung in Ortsdurchfahrten statt Neubau von Ortsumfahrungen.
  • Weitgehender Stopp von Straßenneubauprojekten.
  • Ernstzunehmende, umfassende Bürgerbeteiligung bei Verkehrsplanungen. Auch zu Fragen über die grundsätzliche Notwendigkeit von Projekten und mögliche Alternativen.
  • Ausbau- und Zuschusspolitik nach objektiven Kriterien statt nach politischer Willkür. Sofortige Aufhebung des „Kommunalen Sonderbaulastprogrammes“.
  • Unabhängigkeit Genehmigungsbehörde von Auftraggeber
  • Änderung der Anreizsysteme und Förderrichtlinien für Kreis- und Gemeindeverbindungs-straßen.
  • Umschichtung der Finanzmittel in den Kreishaushalten, sowie Staats- und Bundeshaushalt vom Straßenneubau zur Straßenerhaltung, Verkehrsberuhigung und Förderung des Umweltverbundes aus Fuß-, Radwegen und Öffentlichem Verkehr.

 
Bund Naturschutz in Bayern e.V., Kreis- und Ortsgruppen in Schwaben
Bürgerinitiativen in Schwaben gegen überzogenen Straßenbau