Bund Naturschutz fordert Korrektur der Forstreform
Der Bund Naturschutz (BN) kritisierte seit der Forstreform viele Fehlentwicklungen im Staatswald und die fehlende Umsetzung durchaus ambitionierter Vorgaben in der Fläche, wie z.B. beim Naturschutzkonzept. Diese Kritik wird nun in wesentlichen Punkten von einem aktuellen Bericht zur Bewertung der Forstreform bestätigt. „Für die Defizite und Fehlentwicklungen sind nicht vorrangig die BaySF-Beschäftigten oder die Forstunternehmer verantwortlich, sondern die falschen politischen Weichenstellungen durch die Forstreform-Beschlüsse der damaligen Staatsregierung, die korrigiert werden müssen“, so Hubert Weiger, Vorsitzender des BN.
Der aktuelle Bericht zur Bewertung der Forstreform, den die arf Gesellschaft für Organisationsentwicklung aus Nürnberg im Auftrag des Forstministeriums erstellt hat, deckt zahlreiche Schwachstellen bei der Staatswaldbewirtschaftung durch die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) auf. So wird im arf-Bericht empfohlen die Forstrevierorganisation zu überprüfen, die Gewinnabführung zu reduzieren, die besondere Gemeinwohlbindung und Vorbildlichkeit des Staatswaldes mehr zu beachten und die einseitige ökonomische Orientierung aufzugeben sowie ökologische und soziale Ziele konkreter zu fassen und zügig umzusetzen.
Da diese Defizite trotz der Vorbildlichkeit und der besonderen Gemeinwohlbindung eingetreten sind, fordert der BN für den Staatswald im Waldgesetz eindeutig festzuschreiben, dass die Gemeinwohlfunktionen vorrangig beachtet werden müssen. Außerdem fordert der BN eine umfassende Bewertung der Forstreformbeschlüsse, die sich nicht wie im vorgelegten Bericht auf einige Aufgabenfelder der BaySF beschränken darf. Es müssen die Beschlüsse der Forstreform zur Personalreduktion, Forstverwaltung, Beratung und Betreuung des Privat- und Körperschaftswaldes umfassend geprüft und ggfs. korrigiert werden. Die ökologischen Auswirkungen müssen insbesondere für den Staatswald anhand geeigneter, messbarer Kriterien untersucht werden.
Für Rückfragen:
Dr. Ralf Straußberger, BN-Waldreferent,
Tel. 0911/81878-22, Handy 0171/7381724
Hintergrundinformationen
Forstreform schränkt Kontrolle stark ein
Nach den Aussagen des damaligen Staatskanzeleichefs Erwin Huber war einer der zentralen Gründe für die Forstreform, dass sich die Staatsforstverwaltung bis dahin selbst kontrolliert hat und dies mit der Forstreform geändert werden soll. Der arf-Bericht verdeutlicht nun aber, dass die Forstreform zu einer stark eingeschränkten Staatsaufsicht mit Rechtsaufsicht durch Forstministerium, Forstaufsicht durch Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und Beteiligungscontrolling durch Staatsvertreter im Aufsichtsrat führte. Die so skizzierte Staatsaufsicht widerspricht damit fundamental einer zentralen Begründung für die Forstreform. Nun sind anstatt einer effektiven und transparenten Kontrolle die Kontrollmöglichkeiten für die Forstverwaltung deutlich eingeschränkt worden und der Staatsforst kontrolliert sich großteils selbst. Dabei sind die Ergebnisse dieser Kontrollen weder für die Forstverwaltung vor Ort noch für die (interessierte) Öffentlichkeit zugänglich. Der arf-Bericht belegt sehr gut, dass durch die Reduktion des Personals und der Revierzahl in der Forstverwaltung offensichtlich versucht wurde, die notwendige Kontrolle vor Ort unmöglich zu machen. Entgegen der damaligen Versprechungen hatte die Forstreform nicht das Ziel die sogenannte Eigenkontrolle im Staatswald abzuschaffen, sondern auszubauen!! Eine zentrale Kontrolle anhand einiger Zahlen und Zeitreihen durch das Forstministerium bzw. durch den im 2-jährgem Turnus vorzulegenden Bericht ist hierzu völlig unzureichend, um eine nachhaltige und vorbildliche Bewirtschaftung des Staatswaldes zu belegen. Der BN fordert deshalb, dass jährlich stichprobenhaft aller Staatsforstbetriebe durch die zuständigen Ämter kontrolliert werden. Dies kann nur eine funktionsfähige Forstverwaltung vor Ort gewährleisten. Dazu muss die BaySF alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen.
Nach wie vor große Defizite wegen überhöhter Rehwildbestände
Der BN begrüßt, dass der Grundsatz Wald vor Wild als einer der wenigen positiven Errungenschaften der Forstreform in das Bayerische Waldgesetz aufgenommen wurde. Nur wenn es gelingt, diesen Grundsatz auch umzusetzen, kann der notwendige Waldumbau hin zu zukunftsfähigen, stabilen Mischwäldern gelingen. Der arf-Bericht und die Ergebnisse der Vegetationsgutachten zeigen jedoch, dass auch im Staatswald noch große Defizite bestehen. So ist z.B. der Tannenanteil in der Verjüngung, auch in den Umbaubeständen, wegen des Verbisses verschwindend gering. Da die Altbestände trotzdem weiter durchforstet und aufgelichtet werden, verhindert dies bei der gegenwärtigen hohen Verbissbelastung eine erfolgreiche Tannenverjüngung. Es rächt sich hier auch die einseitige Ausrichtung der Reviergrößen am Holzeinschlag, weil andere wichtige Aufgaben wie die Jagd von den Revierleitern in den heute viel zu großen Revieren nicht mehr erfüllt werden können. Außerdem hängt der Erfolg im Staatswald auch davon ab, dass die gesetzlichen Anforderungen von den Jagdbehörden durchgesetzt und in den angrenzenden Waldbesitzarten umgesetzt werden. „Wir kritisieren in diesem Zusammenhang die aktuellen unsachlichen Angriffe des Bayerischen Jagdverbandes gegen Angehörige der Forstverwaltung und Jagdbehörden, die lediglich die Gesetzesvorgaben der Bayerischen Staatsregierung umsetzen, auf schärfste“, so Hubert Weiger. „Wir erwarten, dass sich Forstminister Helmut Brunner, der die Verankerung des Grundsatzes Wald vor Wild im Waldgesetz mitrug, in diesem Punkt vor seine Mitarbeiter stellt und den Grundsatz Wald vor Wild gegen unsachliche Angriffe verteidigt.
Zu große Forstreviere, zu wenig Personal im Wald, aber zuviel in der Zentrale
Einer der Hauptkritikpunkte an der Forstreform war die massive Reduktion der Forstreviere von 558 auf 370. Nach Ansicht des BN ist Anzahl der Forstreviere bei BaySF, aber auch bei der Forstverwaltung zu gering, um die gesetzlichen Aufgaben sowie die gestiegenen Anforderungen infolge der Klimawandels und zum Schutz der Biodiversität erfüllen zu können. Dieser starke Abbau von Waldarbeitern und Förstern in der Fläche war nach Ansicht des BN auch für die vielen beobachteten Schäden durch die Holzernte verantwortlich. Der arf-Bericht bestätigt nun die große Arbeitsbelastung und Unzufriedenheit vieler Mitarbeiter, ein belastetes Betriebsklima und einen erheblichen Vertrauensverlust in die BaySF-Führung. Die Antwort der Staatsregierung auf die Interpellation der Grünen belegt zudem deutliche Zentralisierungstendenzen. Während das Personal in der Fläche seit 2005 um 11 % abgebaut wurde, wurden in der Zentrale seitdem 25 % mehr Personal beschäftigt. Weniger Fachpersonal im Wald und dafür mehr Bürokratie und Personal in der Zentrale steht in deutlichem Widerspruch zu den Beschlüssen und Versprechungen der Forstreform. Der BN unterstützt die Empfehlungen des arf-Evaluationsteams, das Betriebs- und Revierkonzept zu überprüfen und fordert dabei eine grundsätzliche Überprüfung der Beschlüsse zum Personalabbau.
Gute Naturschutzkonzepte, aber zu wenig konkret und zu wenig umgesetzt
In Übereinstimmung mit dem arf-Bericht moniert der BN seit Jahren die fehlende Umsetzung des guten Naturschutzkonzeptes und den geringen Konkretisierungsgrad bei den ökologischen Zielgrößen der BaySF. Der vorliegende arf-Bericht kommt hier dennoch zu einer positiven Einschätzung im Hinblick auf die ökologische Dimension einer vorbildlichen Staatswaldbewirtschaftung. Der BN teilt diese Bewertung nicht, weil der Bericht kaum bis keinerlei konkrete Aussagen, Bewertungen oder Parameter zur Ökologie, insbesondere zur Biodiversität enthält, mit denen diese positive Einschätzung belegt wird. Es werden lediglich einige Strukturdaten aufgelistet, darunter auch solche „naturalen“ Daten, die mehr ökonomische Bedeutung haben (z.B. Hiebssatz, Pflege) bzw. sogar dem Naturschutz entgegenstehen (Borkenkäferbekämpfung, vollständige Biomassenutzung, Steigerung der Holzerzeugung). Zudem gibt es große Umsetzungsdefizite im Naturschutzbereich, wie die aktuellen Ergebnisse der Interpellation der Grünen belegt. Danach liegen zwar für alle 41 Forstbetriebe Erholungskonzepte vor, aber nur für 3 Forstbetriebe fertige Naturschutzkonzepte. Der BN fordert deshalb eine zügige Erstellung der Naturschutzkonzepte für alle Forstbetriebe, eine konkrete Fassung und Kontrolle ökologischer Zielgrößen sowie eine Erfassung und Bewertung der Waldzustände aus ökologischer Sicht anhand geeigneter Kenngrößen.
Naturschädliche neue Geschäftsfelder
Der BN kritisierte, dass die BaySF infolge der Forstreformbeschlüsse beauftragt wurde neue Geschäftsfelder zu erschließen, wie z.B. der Abbau von Bodenschätzen, die Anlage von Deponien oder die Biomasseverwertung. Der arf-Bericht bestätigt nun, dass dabei die ehrgeizigen Ziele der BaySF nicht zu erreichen sind, aber trotzdem viel Personal gebunden wurde und die besondere Gemeinwohlbindung zu wenig Beachtung fand. Der BN teilt die arf-Auffassung, dass sich die BaySF auf ihr Kerngeschäft „vorbildliche Waldwirtschaft“ konzentrieren soll. Dazu gehören die neuen Geschäftsfelder nach BN-Auffassung nicht. Sie dürfen wegen der besonderen Gemeinwohlbindung nicht zu Lasten von Natur und Anwohner gehen und sind nur dann zu tolerieren, wenn sie dem Vorrang des Gemeinwohls nicht entgegenstehen. Fehlentwicklungen wie der naturschädliche Abbau von Bodenschätzen, den z.B. der Forstbetrieb Nürnberg aktiv betreibt, müssen korrigiert werden.
Keine einseitige Geschäftspolitik zugunsten von Großkunden
Der BN kritisiert, dass die negativen Auswirkungen der BaySF-Geschäftspolitik auf kleine und mittelständische Sägewerke und Forstunternehmer keine hinreichende Erwähnung in den arf-Bericht fanden. Diese Geschäftspartner der BaySF wurden offensichtlich nicht in den Evaluationsprozess eingebunden. Der BN fordert, dass in Zukunft die kleinen und mittleren Betriebe der Sägewerke und Forstunternehmer durch die Geschäftspolitik der BaySF nicht benachteiligt werden, sondern gefördert werden müssen, um den ländlichen Raum zu stärken.
Zweifelhafter Erfolg der Forstreform
Der BN hält den dem arf-Bericht zugrundeliegenden Untersuchungsansatz für ungeeignet, den Erfolg der Forstreform zu beurteilen, weil weite Aufgabenbereiche und Tätigkeitsfelder der früheren Staatsforstverwaltung und etliche weitreichende Forstreformbeschlüsse überhaupt nicht untersucht wurden. Auch die im arf-Bericht vorgelegte ökonomische Bewertung ist fragwürdig, weil wichtige Aspekte ausgeblendet werden. So kommen Mehreinnahmen bei den BaySF in einer Größenordnung von mindestens 50 Mio. € allein dadurch zustande, dass Holzpreise und Holzeinschläge seit der Forstreform gestiegenen sind. Diesen Mehreinnahmen stehen aber auch Ausgaben für die Forstverwaltung sowie für die Förderung in einer ähnlichen Größenordnung gegenüber. Diese Mehreinnahmen und die Ausgaben durch die Forstverwaltung müssen in einer Gesamtbilanz zur Forstreform mit bewertet werden.