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Erörterungstermin Kohlekraftwerk Staudinger beendet

Bund Naturschutz zieht vernichtendes Schlussresümée

20.11.2009

Nach insgesamt neun Verhandlungstagen ist heute im hessischen Großkrotzenburg der Erörterungstermin für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der geplanten Erweiterung des Kohlekraftwerks Staudinger um einen neuen Block 6 zu Ende gegangen.

 

Nach Auffassung des Bundes Naturschutz (BN) ist dabei nicht nur in erschreckender Weise deutlich geworden, mit welch lückenhaften Unterlagen hier ein Genehmigungsverfahren für ein höchst risikoträchtiges Großprojekt betrieben wird, sondern ebenso, dass diese überholte Planung auch nicht ansatzweise mit deutschen und europäischen Klimaschutzzielen vereinbar ist.

 

Ihre einhellige Ablehnung verdeutlichten gleich zu Beginn des Erörterungstermines sämtliche Bürgermeister der umliegenden Gemeinden ebenso wie der Landrat des betroffenen Main-Kinzig-Kreises.

 

Bereits in den ersten Stunden der Erörterung hagelte es harsche Kritik für das Regierungspräsidium Darmstadt als Genehmigungsbehörde. Sie musste sich von den dort sehr engagiert vertretenen Bürgerinitiativen vorwerfen lassen, die Schönrechnung der Umweltauswirkungen von Block 6 durch den Antragsteller gebilligt und sich ausschließlich auf Gutachten verlassen zu haben, die von E.ON selbst in Auftrag gegeben und bezahlt worden sind.

 

Geradezu einem Offenbarungseid glich das Eingeständnis der anwesenden E.ON-Vertreter, dass das Projekt konzernintern lediglich „under review“ gestellt worden ist und damit E.ON offensichtlich angesichts wachsender Stromüberschüsse und Baukosten noch keine endgültige Entscheidung getroffen hat, ob und wann dieser Kraftwerksblock überhaupt gebaut werden soll.

 

Auf welch brüchiger Rechtsgrundlage das Genehmigungsverfahren für dieses Großprojekt betrieben wird, verdeutlichte Peter Rottner, Jurist und Landesgeschäftsführer des Bundes Naturschutz.

 

Ebenso wie der Leiter der Bauaufsicht des Main-Kinzig-Kreises und der Anwalt der kommunalen Einwender wertete er den geplanten Kraftwerksblock schon aufgrund seiner gigantischen Dimensionen als bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig und mit Verweis auf die jüngste Baustoppverfügung gegen das fast identische E.ON-Bauvorhaben in Datteln, das Fehlen eines Bebauungsplanes grundlegendes rechtliches Defizit dieses Genehmigungsverfahrens.

 

Einen zentralen Schwerpunkt der Erörterung stellen die Auseinandersetzungen und Diskussion um die vom Antragsteller vorgelegten Schadstoffprognosen und das Ausmaß der tatsächlich zu erwartenden Schadstoffbelastungen für Mensch und Natur dar:

 

Hier konnte Rechtsanwältin Ursula Philipp-Gerlach als Vertreterin des BN Bayern und des BUND Hessen zusammen mit mehreren Fachgutachtern u. a. verdeutlichen,

 

  • dass vom Antragsteller E.ON durch Einbeziehung des längst still gelegten Kraftwerksblockes 2 die zu erwartende Schadstoffbelastung schön gerechnet worden ist,
  • dass durch die gemeinsame Ableitung von Kühlwasser und Abgasen im Kühlturm bei den Schadstoffen eine Kombinationswirkung von Schadstoffen zu befürchten ist, deren Auswirkungen völlig ungeklärt sind,
  • dass E.ON für die Bildung und Verbreitung von Säuren und anderen Schadstoffen aus dem Kühlturm falsche Messstellen und Berechnungen zugrunde gelegt hat
  • und dass auch für die Berechnung der Schadstoffausbreitung und den Schadstoffeintrag in Wohn- und Naturschutzgebiete v. a. für die in der Hauptwindrichtung  gelegenen Spessarthänge unzutreffende Berechnungsmodelle angewendet worden sind.

 

Als Skandal wertet deshalb der Landesbeauftragte des BN, Richard Mergner, die Tatsache, dass E.ON zwar den Kühlturm aus säurefestem Beton bauen und dessen Innenwände durch eine spezielle Beschichtung vor Korrosion schützen will, bis heute aber keine glaubhaften Informationen darüber liefern kann, wo die über den Kühlturm als feinste Aerolsoltröpfchen verteilten Säuren und Schadstoffe niedergehen und welche Auswirkungen sie auf die Gesundheit von Anwohnern  und auf besonders schutzwürdige Biotopflächen im weiteren Umfeld haben werden.

 

Umso erschreckender ist es für den BN, dass neben der Luftschadstoffbelastung auch noch mit einer bis zu 50%igen Zusatzbelastung des Mains mit dem giftigen Schwermetall Quecksilber gerechnet werden muss.

 

„Dies wäre mit europarechtlichen Vorgaben völlig unvereinbar“– so Sebastian Schönauer, der stellvertretende Vorsitzende und Wasserexperte von BN und BUND.

Nach seiner Auffassung ist jeder Quecksilber-Neueintrag schon deshalb absolut unzulässig, da die von der EU verlangten Quecksilber-Grenzwerte für Fische und andere Lebewesen im Main schon jetzt vielfach überschritten sind.

Dies könnte für das Projekt Staudinger zum endgültigen „Licht-aus-Kriterium“ werden!

 

Eine ähnliche Schlappe musste E.ON auf dem Erörterungstermin schließlich auch im Naturschutzbereich einstecken:

 

Aufgrund der fundierten und engagiert vorgetragenen Einwendungen des BN Bayern und des BUND Hessen fordert das Regierungspräsidium Darmstadt nun erstmals auch eine spezielle Prüfung der Folgen dieser Kraftwerksplanung für die Schutzgebiete und damit auch für die Lebensräume und Arten in den europarechtlich besonders geschützten NATURA-2000-Gebieten im weiteren Umfeld des Kraftwerks.

 

Für den BN Bayern und den BUND Hessen ist dies ein zentraler Erfolg ihres umfassenden Engagements auf diesem Erörterungstermin.

 

Durch die über neun Verhandlungstage immer offensichtlicher gewordenen Planungsdefizite dieses Großprojektes sieht sich der BN in seiner grundsätzlichen Ablehnung mehr als bestätigt. Diese Planung ist nicht nur mit unkalkulierbaren Risiken für Mensch und Natur verbunden, sie ist auch angesichts steigender Stromüberschüsse wirtschaftlich mehr als fragwürdig geworden und muss angesichts der Herausforderungen des Klimawandels als völlig verfehlte Geldvergeudung abgelehnt werden.

 

Der BN ist davon überzeugt, dass E.ON auch bei entsprechender Nachbesserung der Planungsunterlagen die Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllen kann.

 

Wir fordern deshalb E.ON auf, sich endlich seiner Verpflichtung zum Klimaschutz zu stellen und diese längst überholte Planung endgültig aufzugeben.