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Tiere und Pflanzen

Feldhamster in Unterfranken - Teil des europäischen Naturerbes

Bund Naturschutz fordert konsequente Anwendung europäischen Naturschutzrechtes

01.10.2007

Konnte der einst von Landwirten als „Kornwolf“ verfolgte Feldhamster (Cricetus cricetus) zeitweilig bei etlichen MitbürgerInnen zum „Kuscheltier“ avancieren, wird er heutzutage von manchen Unternehmern und Bürgermeistern geradezu als lästiges Planungs- und Investitionshindernis geschmäht.

Gerne wird dabei übersehen, dass diese bayernweit nur noch  in Unterfranken vorkommende Tierart Teil des europäischen Naturerbes ist, das zu schützen sich die Bundesrepublik Deutschland bereits 1979 in der Berner Konvention verpflichtet hat und dessen wirksame Sicherung durch die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie gefordert wird.

Das schließt Infrastruktur- und Investitionsvorhaben in den Vorkommensbereichen des Feldhamsters nicht aus, verlangt aber in einschlägigen Planungs- und Zulassungsverfahren nach einem respektvollen Umgang mit dem europäischen Interesse an der Erhaltung des selten gewordenen Feldhamsters.

Um hierzu einen Beitrag zu leisten, hat der Bund Naturschutz in Bayern ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das die zu beachtenden artenschutzrechtlichen Anforderungen verdeutlicht, zugleich aber auch Wege zur Bewältigung etwaiger Konflikte aufzeigt.

 

Gerade in Unterfranken ist in den vergangenen Jahren immer wieder versucht worden, den über Jahrhunderte als Schädling in der Landwirtschaft verfolgten Feldhamster als lästiges Investitionshindernis für Großprojekte abzustempeln.

Bei den vor Ort oft sehr emotional geführten Diskussionen wurde anscheinend völlig übersehen, dass gerade der Feldhamster mittlerweile zu den europaweit bedrohten Tierarten zählt, dass Unterfranken eines der letzten europäischen Vorkommen beherbergt und wir alle für die Erhaltung dieser Art als Teil des europäischen Naturerbes eine besondere Verantwortung tragen.

 

Die zum Schutz dieser europaweit streng geschützten Tierart dienenden Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes, die auf der europäischen Flora- Fauna- Habitat-Richtlinie basieren, wurden in Genehmigungsverfahren für Straßenbauprojekte (z. B. A71/Ortsumgehung Werneck) und bei der bauleitplanerischen Ausweisung neuer Bau- und Gewerbegebiet oftmals nicht mit der nötigen Konsequenz beachtet.

Selbst dort, wo die Zerstörung von Feldhamsterbauten oder die Zerschneidung wichtiger Lebensräume drohte, gaben sich bayerische Behörden vielfach mit tlw. fragwürdigen Vergrämungs-, Umsiedlungs- und Ausgleichsmaßnahmen zufrieden.

Die grundlegende Frage, ob nachweislich vom Feldhamster besiedelte Bereiche/Flächen bei konsequenter Beachtung europäischen und bundesdeutschen Naturschutzrechtes überhaupt für Straßenbau – und Gewerbeprojekte verfügbar sind, wurde zumeist erst gar nicht gestellt.

 

Während von Investoren und bayerischen Behörden alles daran gesetzt wurde, die Planunterlagen genehmigungsfähig zu machen, spielten die Risiken der einzelnen Eingriffsprojekte in ihrer Gesamtwirkung für die Überlebensfähigkeit der unterfränkischen Feldhamsterpopulation im behördlichen Abwägungsprozess und in den jeweiligen Genehmigungsbescheiden allenfalls eine untergeordnete Rolle.

 

Für den BN war dies Anlass genug, bei Rechtsanwalt Professor Dr. Martin Gellermann, einem der renommiertesten Fachjuristen im europäischen Artenschutzrecht, ein Gutachten in Auftrag zu geben und dabei insbesondere prüfen zu lassen, welchen rechtlichen Anforderungen der europäischen FFH–Richtlinie und des Bundesnaturschutzgesetzes Entscheidungen über Straßenbauvorhaben im Verbreitungsgebiet des Feldhamsters und gemeindliche Beschlüsse bei der Aufstellung „hamsterrelevanter“ Bebauungspläne genügen müssen, um als rechtmäßig gelten zu können.

In seiner rund 40 Seiten umfassenden Analyse betont der Gutachter nachdrücklich, dass das durch Vorgaben des europäischen Naturschutzrechts geprägte nationale Artenschutzrecht (§§ 42 ff. BNatSchG) in Verfahren der Fachplanung (z.B. Straßenplanung), bei der Zulassung sonstiger Eingriffe in Natur und Landschaft (z.B. bauliche Anlagen im Außenbereich), aber auch im Zuge der kommunalen Bauleitplanung nicht länger vernachlässigt werden darf, sondern konsequent in die Planungs- und Genehmigungspraxis umgesetzt werden muss. Das steht spätestens seit der grundlegenden  Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 10.01.2006 außer Frage, in der die bundesdeutsche Sonderregelung nach §43 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz für unzulässig erklärt worden ist.

Seitdem gilt:
Werden Wohnbaue des Feldhamsters überplant, einzelne Tiere für eine Umsiedlung gefangen, im Zuge etwaiger Baumaßnahmen verletzt oder gar getötet oder auch nur während der Reproduktions- oder Überwinterungsphase gestört, darf dies selbst dann nicht ohne weiteres zugelassen werden, wenn den Feldhamstern anderswo „Ersatzwohnraum“ beschafft wird. Stattdessen ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die genannten Beeinträchtigungen nicht durch die Wahl anderer Standorte oder Trassen vermieden werden können, ob vorrangige Gründe des öffentlichen Interesses die Planung oder Maßnahme tatsächlich zwingend erfordern und ob nachweislich sicher gestellt ist, dass die betroffene Population des Feldhamsters in einem „günstigen Erhaltungszustand“ bleiben wird.

Bei Nichtbeachtung dieser strengen Vorgaben müssen Gemeinden, aber auch staatliche Genehmigungsbehörden damit rechnen, dass Bebauungspläne (bzw. Flächennutzungspläne) oder staatliche Genehmigungs- und Zulassungsbescheide einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten und aufgehoben werden.

Eines der Kernprobleme in der praktischen Anwendung dieser strikt beachtlichen Anforderungen besteht darin, dass zumeist keine hinreichenden Kenntnisse über die Art und das tatsächliche Ausmaß der Betroffenheit des Feldhamsters vorliegen.

Ob für eine neue Ortsumgehung alternative Trassenführungen in Betracht kommen oder ein Gewerbegebiet auch an einem anderen Standort realisiert werden kann, lässt sich zumeist noch ohne größeren Aufwand feststellen.

Schon die Beantwortung der Frage nach dem aktuellen Erhaltungszustand der jeweils betroffenen Feldhamsterpopulation bereitet oft erhebliche Schwierigkeiten. Muss auch noch geklärt werden, ob und welche negativen Rückwirkungen eine Planung oder Maßnahme auf die Bestands- und Erhaltungssituation der jeweiligen Hamsterpopulation hat, sind die Träger der Fachplanung und der kommunalen Bauleitplanung ebenso wie die Genehmigungsbehörden schnell überfordert.

Besonders die Prüfung, ob im Einzelfall die strengen Anforderungen für eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung überhaupt erfüllt werden können, ist ohne eine umfassende Datengrundlage nicht möglich.

Auch deshalb hat der Gutachter ein umfassendes Untersuchungsprogramm unabhängig von konkreten Projektplanungen vorgeschlagen.

Dafür ist es nach Auffassung des BN u.a. erforderlich, auf der Grundlage der standörtlichen Gegebenheiten das aktuelle und das potentielle Verbreitungsgebiet des Feldhamsters in Unterfranken zu erfassen, die Abgrenzung von Teilpopulationen und eine Differenzierung in Teilräume unterschiedlicher Wertigkeit zu prüfen, aber auch die bislang schon realisierten „Ausgleichs – bzw. Managementmaßnahmen“  auszuwerten.

 

Dann wäre endlich auch eine fundierte Grundlage vorhanden, um potentielle Planungs- und Projektträger frühzeitig sowohl über konfliktarme Räume wie auch über Tabuflächen zu informieren und so der Entstehung unnötiger Konflikte und emotional geführter öffentlicher Diskussionen, die an zwingenden rechtlichen Vorgaben vorbei gehen, rechtzeitig vorzubeugen.

 

Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch deutlich darauf zu verweisen, dass in etlichen Bereichen (z.B. Ballungsraum Würzburg) die Grenzen des Wachstums längst erreicht sind und dort auch nach diesen Untersuchungen kein „Grünes Licht“ für einen weiteren ungehemmten Flächenverbrauch erwartet werden kann.

Hier ist gerade auch bei den kommunalpolitischen Entscheidungsträgern die Einsicht gefordert, dass nicht alles Wünschenswerte auch weiterhin machbar sein wird, so Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes Naturschutz.

 

Dies gilt umso mehr, als von Straßenbauplanungen, Bau – und Gewerbegebieten nicht nur der Feldhamster betroffen ist, sondern auch viele andere streng geschützte Arten wie Wildkatze, Biber, Zauneidechse, Laubfrosch und viele Fledermausarten.

Ihr Schutz ist unabhängig von ihrer aktuellen Gefährdung in Bayern ein wichtiger Beitrag für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Bayern und in Europa.

 

Zudem darf bei allen Diskussionen um den Feldhamster und den Schutz der streng geschützten Arten nicht übersehen werden, dass Schutzmaßnahmen für diese Arten auch vielen anderen Arten zugute kommen, die unverzichtbarer Bestandteil unseres Naturerbes sind.

Um dieses zu sichern, müssen bei Investitionsvorhaben ihre grundsätzliche Notwendigkeit ebenso wie Alternativen geprüft werden, statt sich  nur mit der Diskussion um die Größe und Gestaltung von Ausgleichsflächen zu begnügen.

Schließlich können viele gefährdete Arten nicht ohne weiteres ihren Lebensraum wechseln, während für viele Bauvorhaben Alternativstandorte bzw. -trassen oder naturverträglichere Gestaltungsvarianten in der Regel wesentlich einfacher gefunden werden können.