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Tiere und Pflanzen

Fünf Jahre gentechnikanbaufreies Bayern – Erfolg der Umweltbewegung, aber noch nicht am Ziel

BN begrüßt Umdenken der Staatsregierung, fordert jedoch endlich konsequentes Handeln auf Bundes- und EU-Ebene gegen weitere Neuzulassungen -

Gentechnik im Futter von Tieren muss auf den Erzeugnissen gekennzeichnet werden

 

13.11.2014

Seit 2009 werden in Bayern keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr angebaut, auch die staatlichen und firmenfinanzierten Freisetzungsversuche wurden vor fünf Jahren beendet. "Der BUND Naturschutz begrüßt das Umdenken der bayerischen Staatsregierung für ein gentechnikanbaufreies Bayern. "Ohne den Einsatz und Kampf eines breiten Bündnisses von Umwelt-, Verbraucher- und Landwirtschaftsorganisationen gegen die Risiken der Genmanipulation in Landwirtschaft und Essen wäre dieses Umdenken nicht erfolgt", so Prof. Dr. Hubert Weiger, BN Vorsitzender, und weiter: "Es reicht jedoch nicht aus, gentechnikanbaufreie Kommunen in Bayern auszuzeichnen. Denn nach wie vor setzt sich die von CSU/CDU getragene Bundesregierung auf EU Ebene nicht für einen konsequenten Zulassungsstopp ein."

"Deutschland darf sich bei Abstimmungen über Neuzulassungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in den zuständigen EU-Gremien nicht mehr enthalten, sondern muss mit einem klaren Nein stimmen", so Dr. Martha Mertens, Sprecherin des BN-Arbeitskreises Gentechnik.

Auch bei Abstimmungen über den Import gentechnisch veränderter Pflanzen als Lebens- und Futtermittel ist Deutschland gefordert, mit Nein zu stimmen. Nach wie vor werden in Deutschland ca. 6 Millionen Tonnen Importeiweißfuttermittel eingesetzt, die zum Großteil gentechnisch verändert sind, insbesondere Soja, das an Schweine, Geflügel und auch an Milchkühe verfüttert wird, ohne dass dies für Verbraucher ersichtlich ist. " Der BN appelliert an die neue bayerische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf, sich für die im Koalitionsvertrag geforderte Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel von Tieren, die genmanipuliertes Futter erhalten haben, einzusetzen", so Richard Mergner, BN Landesbeauftragter.

Nach 30 Jahren Gentechnikforschung und mehr als 15 Jahren kommerziellem Anbau ist deutlich geworden, dass Gentechnik in der Landwirtschaft zu einer gnadenlosen Kommerzialisierung unserer Nahrung führt, schließlich ist gentechnisch verändertes Saatgut dem Patentschutz unterworfen. Der Herbizideinsatz hat im Zuge des Anbaus herbizidresistenter Pflanzen massiv zugenommen. Über 85 Prozent der kommerziell genutzten Gentech-Pflanzen tragen eine Resistenz gegen Herbizide, v.a. gegen Glyphosat. Breitbandherbizide wie Glyphosat töten alle nicht-resistenten Pflanzen ab, die Wildflora auf und neben den Äckern verschwindet und damit fehlt zahlreichen Tieren, z. B. Insekten und Vögeln, die Nahrungsgrundlage. In den USA wird die starke Abnahme der Monarchfalter, einst weit verbreitete Schmetterlinge, mit dem flächendeckenden Anbau von herbizidresistenten Pflanzen in Verbindung gebracht. Da zudem immer mehr Wildkräuter gegen die eingesetzten Herbizide resistent werden, sind Landwirte verleitet, noch mehr dieser Mittel auszubringen. Auch aus den Anbaugebieten in Südamerika wird über Schäden für die Artenvielfalt und sogar über Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung berichtet.

Chronologie des Weges zum gentechnikanbaufreien Bayern

1993

Der Kampf des BUND Naturschutz gegen Agrogentechnik in Bayern begann 1993/1994 mit den Einwendungen und Protesten gegen die ersten Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben der Firma KWS in Niederbayern und Freisetzungsversuchen der TU München mit herbizidresistenten Pflanzen bei Fürstenfeldbruck. Er setzte sich fort, überall dort, wo Gentechnikkonzerne mit staatlicher Genehmigung Gentech-Pflanzen freisetzten.

Ab 1996/1997 fanden an zahlreichen Standorten in Bayern Freisetzungsversuche mit herbizidresistenten Mais-, Raps- und Zuckerrübenpflanzen der Firmen AgrEvo und Monsanto statt (http://apps2.bvl.bund.de/freisetzung/index.html).

 

1997/1998

Bereits im Frühjahr 1997 formierte sich unter aktiver Beteiligung des BN ein Aktionsbündnis aus Umweltverbänden und kirchlichen Gruppen mit dem Ziel ein Gesetz für ein Lebensmittel-Gütesiegel "Gentechnikfrei aus Bayern" zu verabschieden und sammelte dafür über 30.000 Unterschriften. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde von den Grünen im Landtag eingebracht, fand jedoch keine Mehrheit. Es wurde deshalb beschlossen ein Volksbegehren durchzuführen, das vom BN mit initiiert und maßgeblich getragen wurde. Insbesondere von der stellvertretenden Landesvorsitzenden des BN, Doris Tropper, die eine der zwei Vertrauenspersonen des Volksbegehrens war. Der Start war im Oktober 1997 und bis Weihnachten hatten sich bereits über 200.000 Bürgerinnen und Bürger in die Listen für den Zulassungsantrag eingetragen (erforderlich: 25.000). Angesichts dieses überwältigen Erfolgs gab die CSU ihre generelle Verweigerungshaltung auf. Sie brachte im Landtag einen eigenen Gesetzentwurf ein und peitschte diesen in Windeseile durch. Es trat in Kraft kurz vor der entscheidenden zweiten Phase des Volksbegehrens, bei der sich innerhalb von 2 Wochen (24. April bis 8. Mai 1998) mindestens 10 Prozent der Wahlberechtigten eintragen müssen, damit es zum Volksentscheid kommt. Obwohl das CSU-Gesetz bei genauerer Durchsicht eine breite Etablierung gentechnikfrei produzierter Produkte eher verhinderte, trug dieses Verwirrspiel mit dazu bei, dass das Volksbegehren letztendlich leider an der 10-Prozent-Hürde scheiterte (440.000, was 4,9 % entspricht). Mit der Initiative und der Kampagne für das Volksbegehren wurde aber ein Thema bewusst gemacht und auf den Weg gebracht, das bundes- und europaweit Wellen Schlug. Es wurden damals die Grundlagen geschaffen die schließlich zur dauerhaften Ablehnung der Agrogentechnik bei einer deutlichen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Bayern führte.

 

1999

GVO-Freisetzungen wurden nicht nur von Unternehmen, sondern auch von staatlichen Einrichtungen durchgeführt. So testete die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft ab 1999 gentechnisch veränderte Kartoffeln und später sehr umfangreich insektenresistenten Mais. 1999 wurde auch ein mehrjähriger Freisetzungsversuch der Bundesanstalt für Züchtungsforschung mit gentechnisch veränderten, pilzresistenten Reben in Veitshöchheim genehmigt - begleitet von massiven Protesten von Umweltschützern, Verbrauchern sowie fränkischen Winzern. Der Versuch wurde vorzeitig eingestellt

2003

Die Staatsregierung legte in ihrer Broschüre: "Daten + Fakten + Ziele - Zwölf Eckpunkte zur Grünen Gentechnik" ein einseitiges Plädoyer für die Agrogentechnik vor, das heftig kritisiert wurde. (Die Kritik des BN ist nachzulesen auf der BN Website unter

<link themen gentechnik fakten.html mehr>www.bund-naturschutz.de/themen/gentechnik/fakten.html.)

Von der Staatsregierung unter Ministerpräsident Edmund Stoiber und der CSU geführten Landtagsfraktion wurde damals beispielsweise gefordert: "Es sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Bayern, Deutschland und der EU ermöglichen, den Anschluss an die Weltspitze auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik zu gewinnen."

Nach Ablauf des vorübergehenden Zulassungsstopps für den kommerziellen GVO-Anbau in Europa von 1998 bis 2003 formierte sich der Widerstand neu. In Bayern wurde 2003 von Umweltverbänden gemeinsam mit kirchlichen Organisationen, Landwirten und Verbrauchern das "Bündnis für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft" gegründet, dem 30 Organisationen angehören. Das Bündnis organisierte den Widerstand gegen den Anbau der insektenresistenten Maislinie Mon 810, dem einzigen auf EU Ebene zugelassenen GVO, und leistete Aufklärungsarbeit über die Agrogentechnik und die damit verbundenen Risiken.

In vielen Landkreisen Bayerns entstanden regionale Bündnisse für eine gentechnik(anbau)freie Landwirtschaft. Hervorzuheben ist dabei die in Oberbayern entstandene Bewegung der "Zivilcourage". Auch immer mehr Kommunen beschlossen, dem Netzwerk der gentechnikfreien Kommunen beizutreten.

2004:

München: Erste große, vom BN und dem "Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft" organisierte Demonstration gegen Agrogentechnik mit 5000 Teilnehmern

2005:

Ingolstadt: Demonstration und Resolutionsübergabe an Horst Seehofer, damals noch Bundeslandwirtschaftsminister.

In der Folge begannen wachsende Teile der CSU, Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Gentechnikanbaus in Bayern zu äußern, auch in der Erkenntnis, dass sich eine Risikotechnologie nicht gegen den Willen breiter Bevölkerungskreise durchsetzen lässt.

2006

Der frühere CSU-Generalsekretär und spätere bayerische Umweltminister Markus Söder war einer der Vorreiter des Umdenkprozesses, der in der Folge vom heutigen Staatskanzleiminister Marcel Huber, damals noch einfacher Landtagsabgeordneter, in einem Arbeitskreis der CSU weiter vorangebracht wurde.

2008

Der Freistaat teilte im April mit, die Landessortenversuche aufzugeben, bei denen zugelassener Gentech-Mais auf seine Eignung für die bayerische Landwirtschaft geprüft wurde.

2009

Die bayerische Staatsregierung stellte auch die seit 2000 laufenden Freilandversuche auf 1,6 Hektar staatlicher Flächen ein, die der "Sicherheitsforschung" dienen sollten.

2010 /2011

Die Zahl der auf Initiative von regionalen Bündnissen erreichten Beschlüsse für gentechnikanbaufreien Kommunen und Landkreise in Bayern und bundesweit wächst weiter.

Seit 2011 vergibt das Bayerische Umweltministerium ein Logo an Städte, Gemeinden und Landkreise

2014

Die Bayerische Staatsregierung trat dem Netzwerk der Europäischen gentechnikanbaufreien Regionen bei, dem über 60 europäische Regionen angehören, darunter neben Bayern weitere acht Bundesländer (http://gmofree-euroregions.regione.marche.it/). Das Netzwerk setzt sich dafür ein, den Regionen mehr Befugnisse zum Verbot des GVO-Anbaus zuzugestehen.

Für Rückfragen:

Marion Ruppaner
Agrarreferentin des BUND Naturschutz, Tel. 09 11 - 8 18 78 - 20

Weiterführende links:

<link themen gentechnik buendnis-bayern.html mehr>www.bund-naturschutz.de/themen/gentechnik/buendnis-bayern.html

<link themen gentechnik fakten.html mehr>www.bund-naturschutz.de/themen/gentechnik/fakten.html

www.gentechnikfreie-regionen.de

www.keine-gentechnik.de