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Keine weitere Verschwendung von Steuermitteln für ein unsinniges und Natur zerstörendes Straßenprojekt

Bund Naturschutz (BN) fordert den Markt Reisbach auf, die Planungen für die Südumfahrung einzustellen und eine Neuauflage des Bebauungsplans umgehend zu stoppen

28.07.2010

„Für Mensch und Natur wäre der Bau der geplanten Südumfahrung eine Katastrophe“, sagte Peter Hirmer, der Vorsitzende der BN Kreisgruppe Dingolfing-Landau. „Wir werden daher weiter kämpfen, für den Erhalt der Lebensräume von Kammmolch, Haselmaus, Ameisenbläuling, Gelbbauchunke und Schmaler Windelschnecke und gegen den drohenden Heimatverlust und die Landschaftsverschandelung“, betonte Hirmer. Der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner appellierte an die Gemeinderäte, die Planung nach der gerichtlichen Niederlage endlich aufzugeben. Der bayerische Landtag dürfe keine Steuergelder für verkehrspolitisch unsinnige und Natur zerstörende Straßenbaumaßnahmen ausgeben. Gegen einen neuen Bebauungsplan für die Südumgehung Reisbach würde der Bund Naturschutz notfalls auch alle rechtlich möglichen Mittel ausschöpfen.

Der Neubau von Straßen sowie die damit unweigerlich verbundenen Zerschneidungs- und Verinselungseffekte von Lebensräumen ist eine der Hauptursachen der anhaltenden Artenverluste und der biologischen Vielfalt insgesamt. Gerade im internationalen Jahr der Biodiversität 2010 darf es deshalb mit der Straßenbaumanie in Bayern und speziell im Landkreis Dingolfing-Landau nicht so weitergehen wie bisher. Ein Großteil des Verkehrsaufkommens in Reisbach ist nach Ansicht des BN hausgemacht und bessere, natur- und umweltschonende Alternativen werden nicht ernsthaft geprüft. „Mit der unkoordinierten Flickschusterei beim Straßenbau im Landkreis muss endlich Schluss sein“, forderte Richard Mergner, der Landesbeauftragte des BN. Für eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Entwicklung sei ein Gesamtverkehrskonzept überfällig, auch um in Zeiten knapper Haushaltskassen Fehlentwicklungen wie die geplante Südumfahrung von Reisbach zu vermeiden. Gerade der Heimatlandkreis und die Heimatgemeinde von Erwin Huber, dem Vorsitzenden des Wirtschafts- und Verkehrsausschusses im Bayerischen Landtag, sollte sich stattdessen beispielhaft für eine wirklich zukunftsfähige Verkehrspolitik engagieren, sagte Mergner.

Seit über acht Jahren versucht die Marktgemeinde Reisbach (Landkreis Dingolfing-Landau) den Bau einer Ortsumgehung der Staatsstraße 2083 im Süden des Ortes durchzusetzen. Genau so lange kämpfen auch die BN Kreisgruppe und die Bürgerinitiative „Keine Ortsumgehung“ für den Erhalt der wertvollen Lebensräume in diesem Bereich. Durch eine auch verkehrstechnisch völlig unsinnige Umgehungsstraße würden hochwertige Quellbereiche, streng geschützte Arten und nach europäischem Recht geschützte Lebensräume vernichtet oder stark beeinträchtigt. Dr. Artur Steinhauser, Sprecher der Bürgerinitiative, erläuterte, dass durch Kartierungen und Untersuchungen nachgewiesen wurde, dass im geplanten Trassenbereich  folgende nach der FFH-Richtlinie geschützte Lebensraumtypen und Tierarten vorkommen: Traubenkirschen-Erlen-Eschen-Auwald,  Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald und  Waldmeister-Buchenwald, sowie Schmale Windelschnecke, Kammmolch, Gelbbauchunke, Dunkler Wiesenknopfameisenbläuling und Haselmaus. „Darüber hinaus konnten bisher über 30 weitere gefährdete Tierarten nachgewiesen werden, darunter, als herausragender Indikator für kühles, sauberes Quellwasser, auch die Österreichische Quellschnecke“, betonte Steinhauser.

Trotz der naturschutzfachlich überregionalen Bedeutung dieses Raums hat der Markt Reisbach am 28. September 2004 und am 20. Mai 2009 den Bebauungsplan mit Grünordnungsplan „Ortsumgehung Reisbach“ beschlossen. Dagegen hat die Bürgerinitiative Reisbach mit Unterstützung des Bund Naturschutz Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht. In seinem Urteil vom 30. März 2010 stellte das Gericht fest, dass der Bebauungs- und Grünordnungsplan unwirksam ist, weil notwendige Festlegungen zum Artenschutz fehlen.

BN Kreisvorsitzender Peter Hirmer begrüßte die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich, denn bereits im Rahmen der Stellungnahme zu den artenschutzrechtlichen Ergänzungen 2007 hatte der BN auf die bestehenden Mängel hingewiesen und das wurde nun vom Gericht bestätigt. Peter Hirmer:„Wir haben den Eindruck, dass alle bisherigen Hinweise der Bürgerinitiative und der Naturschutzverbände auf taube Ohren gestoßen sind. Wider besseres Wissen soll jetzt eine Neuauflage die Planungen gestartet werden und die Bürger von Reisbach müssen dann die Zeche für die Fehleinschätzungen der Gemeindespitze zahlen.“

Auch ein erneuter Anlauf für eine Südumgehung kann nach Ansicht von BN-Regionalreferent Kurt Schmid nicht erfolgreich sein, weil dem Straßenprojekt übergeordnete Gründe des Natur- und Artenschutzes entgegenstehen. Bisher habe es der Markt Reisbach versäumt aussagekräftige Unterlagen zu den Arten und Biotopbereichen vorzulegen, so Schmid. Die Planungen sind immer nur dann nachgebessert worden, wenn die Naturschutzverbände oder die Bürgerinitiative neue Kartierungsergebnisse vorlegten. Sofern der Markt Reisbach tatsächlich ein neues Bauleitverfahren für die Südumgehung Reisbach auf den Weg bringt, kündigt der Bund Naturschutz daher bereits jetzt die Prüfung rechtlicher Schritte an. Die Kreisgruppe wird die Planunterlagen genau studieren und gegebenenfalls darlegen, warum sie naturschutzfachlich nicht vertretbar sind und den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. „Aus unserer Sicht wird auch ein zweiter Anlauf des Marktes Reisbach für die Südumgehung zum Scheitern verurteilt sein“, betonte Peter Hirmer. Nach Ansicht des BN könnten auch durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen die erheblichen Beeinträchtigungen des Biotopkomplexes am Schleifmühlbach und der hier vorkommenden Populationen streng geschützter Arten nicht verhindert werden.

Neben den Aspekten des Naturschutzes stellt der BN weiterhin die Notwenigkeit der Maßnahme grundsätzlich in Frage und kritisiert, dass eine ernsthafte Untersuchung von Alternativen zur Entlastung der Reisbacher Ortsdurchfahrt offensichtlich nicht vorgenommen wurde. „Ohne Rücksicht auf die Natur und einen bisher nicht belasteten Landschaftsraum, und ohne Blick über den Tellerrand hinaus soll die neue Straße mit Biegen und Brechen realisiert werden, koste es was es wolle“, stellte Richard Mergner, der Landesbeauftragte des BN fest. Mergner betonte, dass die Südumfahrung Reisbach keine echte Lösung der Verkehrsproblematik in Reisbach sei. Mit knapp 5.900 Fahrzeugen pro Tag (Verkehrszählung 2005) sei Reisbach im Vergleich zu anderen Orten keinesfalls übermäßig belastet. Durch die Umgehung würden die negativen Auswirkungen des Verkehrs auch nur zum Teil verlagert und zwar in einen bisher ruhigen Raum, der dadurch auch für die menschliche Nutzung massiv entwertet würde.

In den Verkehrsgutachten werden zwar im Ortszentrum Entlastungen von rund 20 bis 40 % prognostiziert, gleichzeitig würden aber durch die geplante Umgehungsstraße die Belastungen der Menschen im Vilstal durch den Verkehr insgesamt eher steigen. Denn jeder Neubau von  Straßen induziert bekanntlich noch mehr Verkehr. Zudem ist  ein Teil der Belastung der Bevölkerung auch auf die verfehlte Bauleitplanung des Marktes Reisbach zurückzuführen. „Wer die Einkaufsmöglichkeiten außerhalb des Ortes an einem Kreisverkehr konzentriert, darf sich über den steigenden Verkehr im Ort nicht wundern“, erklärte Mergner.

Für eine Entlastung des Ortskernes von Reisbach muss nach Ansicht des BN  ein überregionales Verkehrskonzept unter der Nutzung bestehender Straßen entwickelt werden. Insbesondere muss auch geprüft werden, ob durch Verkehrslenkung auf die Kreisstraße DGF 19, die parallel zur St 2083 am Nordrand des Vilstals verläuft, eine Entlastung für Reisbach erzielt werden kann. Weiterhin muss ein besseres Verkehrskonzept für den Landkreis Dingolfing-Landau auch einen leistungsfähigen und attraktiven ÖPNV enthalten. Der BN fordert die Marktgemeinde Reisbach daher auf, sich in diesem Sinne für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik einzusetzen und die Planungen für eine neue Südumgehung definitv zu beenden, auch zur Kosteneinsparung. Für die 3,8 Kilometer lange Umgehung wurden ursprünglich Kosten in Höhe von rund 4 Millionen Euro erwartet, heute sind es bereits mindestens 7,6 Millionen. Diese Gelder der Gemeinde und des Freistaats sollten angesichts knapper Haushaltskassen besser in natur- und umweltverträgliche Konzepte zur Lösung der Verkehrsproblematik in Reisbach, im Landkreis Dingolfing und in Bayern insgesamt verwendet werden.


Für Rückfragen:

Kurt Schmid, BN Regionalreferent für Niederbayern, Tel. 089/54829888
Peter Hirmer, 1 Vorsitzender BN Kreisgruppe, Tel. 09952/1697
Dr. Artur Steinhauser, Sprecher Bürgerinitiative Reisbach, Tel. 08725/967723