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Tiere und Pflanzen

Natur im Klimastress

BN fordert Raum und Geld für Anpassung von Arten

14.05.2008

Am 19. Mai beginnt in Bonn die 9. Vertragsstaatenkonferenz zum Erhalt der Biodiversität (Convention on Biological Diversity). 1992 haben sich die Staaten der Welt in Rio zum Erhalt der Artenvielfalt verpflichtet. Das Abkommen ist für die Natur, was Kyoto für das Klima ist. Die Bedrohung und der Schutz von Klima und Artenvielfalt stellen vergleichbare Herausforderungen für die Welt dar. Sie hängen auch inhaltlich zusammen und müssen gemeinsam gelöst werden: Die Artenvielfalt ist durch den Klimawandel stark bedroht. Laut Bundesamt für Naturschutz wird für Deutschland ein Verlust von 5-30% der Arten in den nächsten Jahrzehnten prognostiziert. Die Berggebiete und Alpen, die Meere und ihre Küsten, Feuchtgebiete und Flüsse werden am stärksten betroffen sein.

 

Der BN verweist auf bereits dokumentierte Rückgänge von Arten in Bayern, am Beispiel von Pflanzen- oder Libellenarten: „Die Rückgänge werden gravierender sein als die Zuwanderungen einzelner Arten z.B. aus dem Mittelmeerraum.“ fürchtet der BN und widerspricht damit auch Aussagen einzelner Wissenschaftler, die im Klimawandel keine große Gefahr sehen. Wir müssen die Neuankömmlinge begrüßen, dürfen darüber aber unsere Verantwortung für die „Verlierer“ nicht vergessen. Der Verlust des Allgäu-Frauenmantels, der weltweit nur in Bayern vorkommt, wäre ein endgültiger weltweiter Verlust einer Art und ist nicht aufzuwiegen durch die Zunahme einer anderen Art, die bereits heute im Mittelmeerraum häufig ist.  

„Damit die Arten möglichst flexibel auf die Veränderungen reagieren können, müssen alle anderen Gefährdungen - wie Flächenverluste oder intensive Landnutzung - dringender denn je reduziert werden.“ fordert Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN). Der BN fordert daher insbesondere großflächigere intakte strukturreiche Rückzugsräume und funktionierende Verbundzonen, große Pufferräume sowie flächendeckende naturverträgliche Landnutzung: „Je intakter die Natur ist, umso flexibler kann sie auf die Veränderungen durch den Klimawandel reagieren.“ Eine hohe Biologische Vielfalt und eine intakte Natur ist kein Luxus, sondern die beste Lebensversicherung – nicht nur gegen die Folgen des Klimawandels. Doch der Artenverlust ist fast ungebremst – es ist nicht nur, aber erst recht angesichts des zusätzlichen Stressfaktors Klimawandels „5 vor 12“: „Nötig ist ein milliardenteures Programm, um die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen und die Natur für die bereits beginnenden Veränderungen durch den Klimawandel fit zu machen.“ so Weiger.

 

Gesunde Ökosysteme sind gegenüber dem Klimawandel unempfindlicher und daher besser in der Lage, die Ökosystemdienstleistungen aufrechtzuerhalten, von denen unser Wohlstand und Wohlergeben abhängt. Sie sind der Kernpunkt jeder Anpassungspolitik. Deshalb müssen sogenannte konventionelle Belastungen, die für die Fragmentierung, die Verschlechterung, die übermäßige Nutzung und die Verschmutzung von Ökosystemen verantwortlich sind, reduziert werden („Klimasicherung der Ökosysteme“).“ (EU-Kommission 2007)

 

Die Vielzahl der Beispiele bereits auf den Klimawandel zurückzuführender Veränderungen bei Arten (vgl. Anlage 3) verdeutlicht die Komplexität der Wirkungen: „Spezialisierte Libellenarten der Moore oder einige Pflanzenarten der Hochlagen gehen zurück, eingespielte Verhaltensweisen bei einigen Vogelarten werden gestört.“ führt Dr. Christine Margraf, Artenschutzreferentin Südbayern im BN aus. „Räumliche, zeitliche und biologische Veränderungen der Arten bringen komplexe biologische Zusammenhänge durcheinander, z.B. zwischen Blüten und Bestäubern oder zwischen Brut und Nahrungsverfügbarkeit. Arten verschieben ihre Vorkommen – sofern sie dazu in der Lage sind  – das kann auch für die Leistungen der Natur für den Menschen gravierende Probleme verursachen.“

 

Besonders stark trifft der Klimawandel in Bayern den Alpenraum. In den Alpen sinkt im Schnitt pro 100 Höhenmeter die Temperatur um 0,5°C. Bei einer Erwärmung um 3°C bis Ende des Jahrhunderts müssten die Arten theoretisch um 600 Meter nach oben wandern. Die aktuelle Ausbreitungsgeschwindigkeit alpiner Arten liegt aber bei ca. < 50 Höhenmeter/ 100 Jahre. Gerade in den Höhenlagen der Alpen leben viele Arten, die nur hier vorkommen. Sie werden irgendwann von den Arten, die von unten nach oben wandern, verdrängt – denn der Berg hat oben ein Ende. Damit können weltweit einzige Vorkommen verloren gehen. Hier sind daher besondere Schutzmaßnahmen und die Förderung von klima- und naturverträglichen Entwicklungen besonders dringlich.

 

 „Klimaschutz ist daher auch für den Erhalt der Arten zwingend nötig, darf aber nicht zu Lasten der Natur gehen.“ ist eine weitere zentrale Forderung des BN. Denn nur solange sich die Klimaveränderungen im einem geringen Rahmen bewegen, haben Tiere und Pflanzen eine gewisse Chance auf Anpassung. Maisanbau für Agrosprit, Ausbau der Wasserkraft, Douglasie statt Fichte oder gentechnisch veränderte Arten sind aber für den BN kein echter Klimaschutz bzw. keine echte Anpassung, denn sie zerstören Natur. Stattdessen müssen alle Anstrengungen verstärkt werden, den Energieverbrauch zu senken. Nötige Klimaschutzmaßnahmen sind kein Freibrief für nicht nachhaltige Landnutzungsformen und weitere Naturzerstörung.

Conservation and biodiversity concerns need to be incorporated in climate change adaption strategies and actions. When developing national action plans on implementation of the UNFCCC and the Kyoto Protocol, States should take the conservation of biodiversity fully into account.” (IUCN press release, 01.12.2005).

 

Der BN betont zudem: „Naturschutz ist Klimaschutz“, denn intakte Ökosysteme wie wachsende Moore oder Wälder können CO2 speichern, eine naturverträgliche Landwirtschaft setzt wesentlich weniger CO2 frei als die Intensivlandwirtschaft. Die Renaturierung und Reaktivierung von Flüssen, Auen und Feuchtgebieten sowie die Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes kann die negative Auswirkung von zunehmenden Niederschlagsextremen auch für den Menschen abpuffern. Naturnahe und natürliche Ökosysteme sind zudem wichtig für Frischluftschneisen und Abkühlungsbereiche für das Lokalklima gerade in Ballungsräumen. Die Zerstörung dieser Lebensräume muss daher auch aus Klimaschutzgründen gestoppt werden.

 

Hintergrundinformationen zum domwnload: 1. Zusammenfassung des Infodienstes / 2. Prognosen / 3. Beispiele für aktuelle Veränderungen in Zusammenhang mit dem Klimawandel

 

gez. Prof. Dr. Hubert Weiger

Landesvorsitzender

gez. Dr. Christine Margraf

Artenschutzreferentin Südbayern

BN-Fachabteilung München, 089/548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.de

 

Der BN-Infodienst Nr. 155 „Naturschutz in Zeiten des Klimawandels“, März 2008, 36 S. kann angefordert werden bei: BN-Service GmbH, Bahnhof Lauf, Eckertstraße 2, 91207 Lauf/ Pegnitz