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Naturschutz in der Boomregion: Bund Naturschutz fordert Begrenzung des Flächenverbrauches und Erweiterung der Flächen für Natur-Entwicklung.

Zusammen mit dem Landesvorstand des Bund Naturschutz in Bayern e.V (BN) haben heute die BN-Kreisgruppen Ingolstadt und Eichstätt auf brennende Probleme, aber auch einmalige Chancen für den Naturschutz aufmerksam gemacht. Der Vormittag führte die Gruppe nach Ingolstadt, am Nachmittag wurden Punkte im Landkreis Eichstätt besichtigt:

26.10.2009

Zentrale Botschaft des BN bei allen Punkten ist: „Fläche ist nicht vermehrbar, der Flächenverbrauch muss begrenzt werden.“ Gerade in der Boomregion Ingolstadt ist die Flächenkonkurrenz zwischen Naturschutz, Nahrungsmittelproduktion, Energieproduktion und Ausdehnung von Bebauung überall sichtbar. Der Landesvorsitzende des BN, Prof. Dr. Hubert Weiger betont: „Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels haben Naturflächen zunehmenden ökonomischen Wert.“ Ob das der Grünzug für die Frischluftversorgung und regionale Nahrungsmittelproduktion, die renaturierte Gewerbefläche für die Naherholung und den Artenreichtum oder die Biber-Feuchtwiese als Wasserspender in Trockenzeiten und intakte Flüsse für einen ökologischen Hochwasserschutz sind – diese Werte und Funktionen müssen beim „Verbrauch“ von Flächen viel stärker bewertet und in den Vordergrund gestellt werden.

In der Stadt Ingolstadt konkretisiert der BN dies am Beispiel zweier Projekte:

Beim ersten Besichtigungspunkt am Bayern-Oil-Gelände haben Klaus Wittmann und Georgine Müller vom BN Ingolstadt die historische Chance betont, die Ingolstadt mit der Nachfolgenutzung des Bayern-Oil-Geländes hat: „Ingolstadt ist als Raffineriestandort bekannt geworden, nun könnte sich die Stadt durch zukunftsweisende Nachfolgenutzung verdient machen.“ Weiger ergänzt: „Der Standort mitten in den Donauauen würde heute so nicht mehr genehmigt werden, daher sollte Ingolstadt nun wenigstens einen Teil der Fläche auch wieder der Natur zurückgeben.“ Der BN fordert wenigstens 1/3 der ehemaligen 100 ha großen Bayern-Oil-Fläche für eine naturnahe Entwicklung zur Verfügung zu stellen und auf Wohnbebauung zu verzichten. „Das wäre eine beispielhafte Umsetzung der Biodiversitätsstrategie, die Ingolstadt vor kurzem beschlossen hat“. Die Fläche würde unmittelbar an ein bestehendes Naturschutzgebiet angrenzen und auch dessen Wert als Lebensraum für seltene Heuschrecken und Vögle verbessern. Der BN würde sich an einem Naturschutzprojekt auch selbst mit beteiligen.

Der zweite Besichtigungspunkt im Nordwesten von Ingolstadt lag am GVZ an der Gaimersheimer Straße und damit mitten in einem der Bereich Ingolstadt, die durch Flächenverbrauch ihr Gesicht in den letzten Jahren am meisten verändert haben. Aktuell kritisiert der BN dort die GVZ- und die Westpark-Erweiterung. „Es war zwar ein großer Erfolg des BN und der Bevölkerung Ingolstadts, 2008 die Erweiterung des GVZ ins Wasserschutzgebiet verhindert zu haben.“ dankt Christian Hierneis, Mitglied des Landesvorstandes  stellvertretend dem Vorsitzenden des BN Ingolstadt Klaus Wittmann. Doch der BN zweifelt aber grundsätzlich die Notwendigkeit der Erweiterung an: „Es kann doch nicht sein, dass die Stadt Ingolstadt nur wegen Produktionsumstellungen bei AUDI wieder einmal 20 ha wertvollsten Ackerbodens für Lagerhallen hergibt.“ Der bayernweite Flächenverbrauch ist 2008 wieder angestiegen und beträgt derzeit 16,4 ha täglich. „Die Region Ingolstadt hat in den letzten Jahren massiv dazu beigetragen.“ kritisiert der BN und fordert eine stärkere Nutzung flächensparender Alternativen.

Im Landkreis Eichstätt thematisierte der BN die Flächenkonkurrenz zwischen Freiflächen und dem Flächenbedarf Erneuerbarer Energien sowie den Schutz und Zerstörung von Feuchtgebieten und Flüssen – beides unter dem Aspekt des Klimawandels:

Am Beispiel der 20 ha großen Flächen-Solaranlage Workerszell stellte der BN sein Szenario einer künftigen Energieversorgung ohne Atomenergie vor:

Grafik siehe download-Datei

„Wir brauchen dazu natürlich einen Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch dies darf nicht grenzenlos erfolgen.“ so Landesbeauftragter Richard Mergner zum Spannungsfeld des Flächenverbrauches für Regenerative Energien. „Und: absolut im Vordergrund muss das Energiesparen stehen“. Dann können auch Windkraft und Photovoltaik in landschaftsverträglichen Grenzen genutzt und Konflikte vermieden werden. Der BN appelliert an alle Kommunen, sich Energiekonzepte und Energienutzungspläne zu erstellen. „Wenn dann alle Energieeinsparpotentiale prioritär genutzt werden, bleibt auch der Restbedarf für die Nutzung regenerativer Energien begrenzt und kann in einem Gesamtkonzept gelenkt werden.“ Teil eines solchen Konzeptes wäre beispielsweise auch eine Bestandsaufnahme der für Photovoltaik potentiell geeigneten Dach- und Fassadenflächen.

Dass der BN nicht nur Konzepte für den Klimaschutz entwickelt, sondern mit seinen Projekten auch direkt zur Anpassung an den Klimawandel beiträgt, zeigte der zweite Besichtigungspunkt . Der BN besitzt im Schambachtal, einem Seitental des Altmühltals, seit 1960 eine Feuchtwiese. „Hier tummeln sich seltene Schmetterlinge, die wir durch jährliche Mahd unterstützen, und hier darf sich auch der Biber sein eigenes Reich gestalten.“ führt Johann Beck, Kreisvorsitzender des BN Eichstätt aus. Der Biber hat mit dazu beigetragen, dass das Bachtal hier verwildert und sich selbst seinen Lauf sucht. Davon profitieren zahlreiche andere Arten. „Solche Bachtäler sind außerdem der beste ökologische Hochwasserschutz und auch weniger anfällig gegen Trockenzeiten – beides Ereignisse, die mit dem Klimawandel zunehmen werden.“ betont Weiger und fordert einen stärkeren Schutz und mehr Renaturierung der Bäche und Flüsse in Bayern.

Dazu in deutlichem Gegensatz stand der letzte Besichtigungspunkt des BN, der am Rhein-Main-Donau-Kanal und der Sulz in Beilngries lag. Auch wenn die Renaturierung der Sulz schön aussieht und an sich sinnvoll ist, sie kann keineswegs die massiven Zerstörungen von Lebensräumen im Altmühltal durch den Rhein-Main-Donau-Kanal kompensieren. „Ein ökologischer Ausgleich dieser Zerstörungen war und wird nicht möglich sein.“ kritisiert Dieter Scherf, Mitglied des Landesvorstandes. Flüsse und Feuchtgebiete brauchen ganz besondere Standortbedingungen, die mit einem Kanal oder Stau grundsätzlich unvereinbar sind. Auch im Hinblick auf die Behauptungen eines angeblich ausgleichbaren Donauausbaus stellt der BN hier fest: „Im Endeffekt ist beispielsweise das Ottmaringer Tal trotz gegenteiliger Feststellungen bei der Planung heute zerstört und nicht einmal der rechnerische „Ausgleich“ ist bis heute umgesetzt.“ 1997 wurde bei der ökologischen Kontrollbilanz offiziell ein völliges Verfehlen der Planungsziele und ein „Flächendefizit“ festgestellt: „… verbleibt im Ottmaringer Moos gegenüber dem planfestgestellten Zustand ein Defizit von 39,6 ha Lebensräumen mit hoher Wertigkeit oder 19,8 ha sehr hoher Wertigkeit.“ („Ökologische Kontrollbilanz Main-Donau-Kanal, Haltung Dietfurt Los B 1, Bewertung der ökologischen Situation des Ottmaringer Mooses, Vergleich Planungsziel der Planfeststellung – Zustand 1996“, 1997, Planungsbüro Grebe). Trotz Nachfragen des BN seit 2005 wurde bisher offenbar keine End-Bilanz erstellt. Und auch neue in den letzten Jahren durchgeführte „Ausgleichsmaßnahmen“ können das Ottmaringer Tal nicht ersetzen. Fazit des BN: Der ökologische Schaden ist deutlich größer als damals offiziell festgestellt, der Effekt für die Schiffahrt dagegen deutlich geringer. „Die Planungs- und Genehmigungspraxis in Bayern muss aus diesen Lehren endlich Konsequenzen ziehen und die Natur wirklich sichern und nicht nur einen grünen Mantel über die Zerstörungen legen.“ fordert der BN gerade auch im Hinblick auf die geplante Novellierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes und die Umsetzung der „Biodiversitätsstrategie Bayern“.


Für Rückfragen:
Klaus Wittmann, Vorsitzender Bund Naturschutz Kreisgruppe Ingolstadt, Tel.: 0841/17510, info@bn-in.de
Johann Beck, Vorsitzender Bund Naturschutz Kreisgruppe Eichstätt, Tel.: 08421/3444, bn@bundnaturschutz-eichstätt.de
Dr. Christine Margraf, Leiterin Fachabteilung München: Tel.: 089/548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.de