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Tiere und Pflanzen

Ökobaumeister Biber in Gefahr

Bayerisches Umweltministerium will Tötung von Bibern massiv erleichtern

18.04.2012

Biber sind unsere wichtigsten Verbündeten, um den fortschreitenden Verlust bedrohter Tier- und Pflanzenarten zu verhindern. Keine zweite Tierart schafft anderen Pflanzen und Tierarten soviel Lebensraum. Vom Biber angelegte Feuchtgebiete sind viel artenreicher und kostengünstiger als jedes vom Menschen angelegte Biotop. In Zeiten der Klimaerwärmung ist der Wasserrückhalt durch den Biber unverzichtbar.
Völlig conträr dazu steht das Bayerische Umweltministerium. Es weist landesweit alle Unteren Naturschutzbehörden an, auf der Landkreis-ebene per Verordnung biberfreie Gebiete zu schaffen. Hubert Weiger, Vorsitzender des BN: "Aus Angst vor steigenden Ausgleichszahlungen an Land- und Teichwirte gibt Minister Marcel Huber nach dem Motto Töten statt Zahlen ein verheerendes Signal." Der BN hätte erwartet, dass der Umweltminister sich für die in anderen Bundesländern längst gesetzlich verankerten naturnahen Uferstreifen, Präventionsmaßnahmen und eine überfällige Renaturierungsoffensive an Gewässern einsetzt.

 

Mit Schreiben vom 29.3.2012 hat das Bayerische Umweltministerium "angesichts der relativ hohen Schadenssumme" alle Kreisverwaltungsbehörden angewiesen, bis Ende September 2012 "erheblich schadensgeneigte" Landschaftsbereiche wie Fischteiche, Gräben oder Straßenbereiche per Allgemeinverfügung quasi als biberfreie Gebiete auszuweisen, in denen eine "generelle, einzelfallunabhängige Entnahmemöglichkeit", also Tötung von Bibern, erfolgen soll.

 

Seit 1996 hatten praktisch alle Landkreise mit auf den jeweiligen konkreten Einzelfall zugeschnittenen Einzelgenehmigungen flexibel auf besondere Konfliktfälle reagiert. 700 Biber werden bereits jetzt in Bayern jährlich in nicht anders lösbaren Fällen entnommen und getötet, ohne besonderen Verwaltungsaufwand. Der ministerielle Schnellschuss will mit einem mehr an formaler Bürokratie mehr Biber töten, um wegen zu knapper Haushaltsmittel Ausgleichszahlungen von jährlich ca. 500.000 € zu begrenzen.

 

Der BN verlangt stattdessen:

- langfristige Konfliktlösungen durch einen ungenutzten Pufferstreifen an Bächen und Flüssen von mindestens 5 Meter Breite entsprechend den Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes. Hier treten die weitaus meisten "Schäden" durch den Biber auf. Abweichend vom Bundesgesetz hat die Regierungsmehrheit von CSU und FDP am 16.12.2009 diese in fast allen Bundesländern eingeführten Uferstreifen auf Druck des Bauernverbandes abgelehnt und bei einer gesetzlich verlangten Überprüfungsmöglichkeit erst am 14.2.2012 erneut im Bayerischen Landtag verhindert. Dieser Platz für mehr Natur an den Fließgewässern wäre ein entscheidender Schritt für die Biodiversität in Bayern und eine zentrale Konfliktlösung für Biber und Mensch!

 

- einen stärkeren Einsatz von bewährten Präventionsmaßnahmen wie Elektrozäunen oder Sicherungsmaßnahmen an Teichen - hier fehlt die finanzielle Ausstattung bei den Landkreisbehörden!

 

- Einführung einer Vor Ort - Überprüfung von auffallend hohen und fragwürdigen Schadensforderungen.

 

 

Die Verengung der öffentlichen Diskussion beim Biber auf monetäre "Schäden" verkennt völlig die Leistungen und Vorteile gerade dieser Tierart für den Naturhaushalt, andere gefährdete Arten, aber auch die viel höheren wirtschaftlichen Vorteile für den Menschen.

 

So zeigen Untersuchungen in Mittelfranken den enormen Nutzen des Bibers für die Erhaltung der Biodiversität. Das Schambachried im Landkreis Weißenburg Gunzenhausen ist dabei eines der ursprünglichsten Biberreviere in Bayern, wo der Biber unbehelligt von menschlichen Störungen wirken kann. Das Schambachried – ein "Kalk-Niederflachmoorkomplex"- hat der BN Anfang der 70er Jahre gekauft. Dieses Naturschutzgebiet - heute zusammen mit den Landwirten und dem Landschaftspflegeverband gepflegt - beheimatet u. a. die Rote-Liste-Arten Mehlprimel, das Gefleckte Knabenkraut, Gewöhnliches Fettkraut, den Fieberklee und das Breitblättriges Wollgras. Dem Biber zu verdanken sind zwischenzeitlich auch die Wasserralle, der Feldschwirl und als Gast auf Durchreise die Bekassine.

 

Von 1999 – 2010 untersuchte der Diplom-Biologe Ulrich Meßlinger im Auftrag der Regierung von Mittelfranken und des Bund Naturschutz in diesem und anderen Gebieten die Reaktionen der Pflanzen- und Tierwelt auf die Bibertätigkeit. Fauna und Flora profitieren deutlich und schnell von der Auenrevitalisierung, die durch die Tätigkeiten des Nagers in Gang gebracht wird. Für insgesamt 73 wertgebende Tier- und Pflanzenarten wurden positive Effekte der Biberaktivität nachgewiesen. Diese positiven Effekte des Bibers wirken dauerhaft - solange, wie die Bibertätigkeit anhält.

 

Zahlreiche besonders anspruchsvolle Tierarten wie Wasserralle, Eisvogel, Laubfrosch, Elritze, Grüne Keiljungfer, Schwarze Heidelibelle und Kleine Pechlibelle nutzen ganz gezielt durch die Biberaktivität neu entstandene bzw. renaturierte Habitate. Von besonderer Bedeutung sind dabei neu aufgestaute, strukturreiche Flachgewässer, die Auflichtung dichter Ufergehölze, das durch Biber erheblich gesteigerte Totholzangebot und zahlreiche vegetationsfreie Stellen an Dämmen, Transportgräben und Ausstiegen der Biber.

 

Für die Nahrungsketten und für die typischen Lebensräume besonders wichtige Arten (Grasfrosch, Grünfrösche, diverse Heide- und Kleinlibellen; Röhrichtbrüter) entwickeln in von Bibern umgestalteten Bereichen große Populationen. Bei allen untersuchten Gruppen war ein schneller Anstieg der Artenvielfalt und der Bestandsdichte festzustellen.

 

Diese Beobachtungen belegen, dass Biber ein unverzichtbarer Bestandteil der bayerischen Natur sind. Biber haben seit rund 15. Mio. Jahren ganz Europa besiedelt und die Gewässerlandschaften vom Polarkreis bis zum Mittelmeer entscheidend geprägt und mitgestaltet. Allein in Bayern wird der ursprüngliche Biberbestand auf bis zu 100.000 Tiere geschätzt. Jeder Bach, jeder Fluss und jede Auenlandschaft waren "Biberland". Alle anderen Wasserbewohner waren eng an die typischen Bibergewässer angepasst oder sogar auf diese angewiesen. Kein Wunder, dass sie jetzt so schnell und positiv auf die Rückkehr des Baumeisters reagieren !

 

Das Bauen von Biberdämmen erbringt nicht nur aus naturschutzfachlicher, sondern auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht wertvolle Revitalisierungsleistungen: Zurückverlegen aufgesattelter Gewässern ins ursprüngliche Bett, Sedimentation großer Geschiebemengen und Förderung der Ausbreitung ufertypischer Gehölze sowie die Neuschaffung von Stillgewässern, Flachwasserzonen und Kleinbächen führen zu erheblicher Abflussverzögerung, schaffen zusätzlichen Rückhalteraum bei Hochwässern und verbessern die Selbstreinigungskraft und Wasserqualität der Fließgewässer.

 

Nur Biber schaffen es, die Vielfalt der notwendigen Gewässerstrukturen zu schaffen und auch dauerhaft zu unterhalten. Sie sind als Baumeister und Hausmeister zugleich jederzeit am Gewässer präsent und schaffen laufend neue Strukturen, die so differenziert auch durch aufwändigste menschliche Biotoppflege nicht möglich und sicher unbezahlbar wären. Die Artenfülle an Gewässern kann sich deshalb nur dort entfalten, wo Biber als seit Millionen von Jahren wirksamer Schlüsselfaktor ihre ganzen Fähigkeiten einsetzen dürfen.

 

Andere Untersuchungen bestätigen diese mittelfränkischen Untersuchungen: Prof. Volker Zahner, Hochschule Weihenstephan, hat 2007 in einer Studie die Verdoppelung der Fischartenzahl von 9 auf 18 im Mühlbach bei Freising nach Einwandern des Bibers festgestellt. Untersuchungen des Landesfischereiverbandes (LFV) Bayern im Jahr 2008 führten zu dem beeindruckenden Ergebnis, dass sich in einem Bachabschnitt ohne Biber 20 Bachforellen / km, mit Biber aber 120 Bachforellen / km befinden. Die Kanadierin Glynnis Hood wies 2006 nach, dass in einem Trockensommer die Dämme und Kanäle der Biber 60% mehr Wasser in der Fläche zurückhalten, als in einem Vergleichsjahr, bevor Biber eingewandert sind. Diese Effekte kommen zunehmend in trockenen Frühjahren  auch in Mittelfranken zu tragen und waren 2011 deutlich z.B. im Dietfurter Ried zu sehen. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen des Bibers ist damit in Bayern um den Faktor 100 größer als die einzelnen Schäden bei Land-, Forst- oder Teichwirten.

 

 

Am Rande der Pressefahrt dankte Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz, Erhard Bendig für 27 Jahre aktive Naturschutzarbeit und insbesondere für 20 Jahre Kreisvorsitz in der BN-Kreisgruppe Weißenburg-Gunzenhausen, den er im Februar dieses Jahres abgegeben hat. Erhard Bendig hat sich in dieser Zeit besonders für den Biber sowie die Erhaltung und Erweiterung des Schambachrieds eingesetzt. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit waren die Biotoppflege, der Amphibienschutz, die Abfall­, Verkehrs- und Siedlungspolitik, der Grund- und Trinkwasserschutz sowie der Ausbau der Erneuerbaren Energien.

 

Forderungen des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN):

·         Schaffung von ungenutzten Pufferstreifen an allen Fließgewässern, da 90% der Konflikte mit Bibern in einem zehn Meter breiten Streifen entlang des Ufers entstehen. Uferstreifen in öffentlichem Besitz (Wasserwirtschaftsämter, Kommunen) sind auch aus Gründen des Gewässerschutzes (Schutz vor Dünger- und Pestizideintrag) umgehend aus jeglicher Nutzung zu nehmen. Biberkonflikte an Ufern sind meist Indikator für gravierende Konflikte zwischen intensiver Landwirtschaft und Gewässerschutz.

·         Integration von Biberüberschwemmungsgebieten in Konzepte für die
dezentrale Hochwasserrückhaltung, insbesondere in den Oberläufen der Gewässer.

·         Umfassende Renaturierung von Talauen. Der Biber wirkt hier als kostenloser Landschaftsgestalter und Motor für die Artenvielfalt!

 

gez. Richard Mergner                        Dr. Kai Frobel

BN-Landesbeauftragter                     BN-Artenschutzreferent

 

Hintergrundinformation Biber

 

Biber (Castor fiber)

Schutzstatus:

Der Biber ist in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG) aufgeführt und zählt daher gem. § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b) aa) und § 7 Abs. 2 Nr. 14 Buchst.) BNatSchG sowohl zu den besonders als auch zu den streng geschützten Arten.

„Rote Liste“ Dtl.: gefährdet (3), „Rote Liste“ Bayern: seit der Neuauflage 2003 nicht mehr in der Roten Liste enthalten. Forderungen, der Biber sei aus der Roten Liste gefährdeter Arten zu nehmen, sind daher seit neun Jahren hinfällig!

Verbreitung / aktueller Bestand:

·         In Bayern besiedelt der Biber mittlerweile alle Naturräume und fast alle Landkreise.

·         Der Bestand liegt bei ca. 3.500 Biberrevieren mit ca. 14.000 Exemplaren.

·         Vergleich: Biberbestand in Lettland (etwas kleiner als Bayern): 100.000 Exemplare

·         Die Zunahme erfolgt nur an den Rändern der Verbreitung (z.B. Voralpenraum, Oberfranken) durch abwandernde Jungtiere und in jüngst besiedelten Landkreisen durch Auffüllung der Lücken.

·         In den Landkreisen, wo der Biber bereits seit 30-40 Jahren vorkommt, stagniert der Bestand und wird sich auch nicht erhöhen, da alle möglichen Reviere besiedelt sind und ein tödliches Reviersystem des Bibers (Verbeißen von Jungtieren) ein Anwachsen verhindert.

 

Verbreitung / früherer Bestand:

·         Früher flächendeckend an allen Gewässern. Geschätzter Bestand Bayern unter natürlichen Verhältnissen ca. 100.000 Exemplare.

·         In Bayern fiel der letzte Biber 1867 der Jagd zum Opfer. Der Biber ist eine der wenigen Tierarten, bei denen nicht die Zerstörung und Zersplitterung der Lebensräume zur Ausrottung geführt hat, sondern die direkte menschliche Nachstellung (Pelz, Fastenspeise, Bibersekret als begehrtes Arzneimittel).

·         Wiedereinbürgerung von 120 Exemplaren zwischen 1966 und 1982 auf Initiative des BN und mit Genehmigung und Unterstützung des Landwirtschafts- und Umweltministeriums.

Management:

·         1996 erstes modellhaftes Bibermanagement im Raum Ingolstadt, 1998 Ausdehnung auf ganz Bayern mit zwei Bibermanagern für je Nord- und Südbayern (getragen vom Bayerischen Naturschutzfonds, EU-Förderung und BN), die aktuell jährlich 155 besonders schwierige Konfliktfälle lösen, 65 Vorträge und Exkursionen durchführen, 45.000 km zurücklegen,  örtliche Biberberater aus- und fortbilden, Biberkartierungen betreuen und das erfolgreiche bayerische Modell derzeit transferieren nach Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Tirol.

·         über 200 ehrenamtlichen Biberberater auf der Ebene der Landkreise, die jährlich ca. 2.000 Ortstermine und Beratungsgespräche mit Vermittlung von Ausgleichszahlungen leisten und über 100 Biberführungen anbieten.

·         Seit 1.8. 2008 Biberfonds des Freistaates für Schäden in der Land-, Forst- und Teichwirtschaft mit 250.000 €/Jahr. 2011 erhöht auf 350.000 € sowie einmalige Aufstockung + 100,000 € für 2011.

·         Gemeldete Schäden ca. 500.000 €/Jahr (2009: 493.000 €, 2010: 371.000 €, 2011 knapp 600.000 €). Überprüfung der Schäden defizitär, zunehmend fragwürdige Schäden.

·         In nicht anders lösbaren schweren Konfliktfällen Abfang und Tötung i.d.R. durch einzelfallbezogene Genehmigungen. 700 Biber pro Jahr (Stand 2010) werden im Rahmen des Managements gezielt an den Problempunkten getötet. Keine flächendeckende Bejagung, die nichts bringen würde, auch weil in etwa der Hälfte der bayerischen Biberreviere überhaupt keine Konflikte mit menschlichen Nutzungen auftreten!

Gefährdungen / Verlustursachen:

·         Straßentod, Hochwasser (Jungtiere im Bau)

·         Revierkämpfe

·         Illegale Tötungen

 

 

Leistungen des Bibers:

·         Artenvielfalt: Untersuchungen belegen, dass die Artenvielfalt bei Fischen, Amphibien, Libellen und Vögeln in Biberfeuchtgebieten sprunghaft ansteigt. Biber ist Motor der Artenvielfalt bei Auenrenaturierung.

·         Kostenlose Biotopgestaltung: 1 ha Renaturierung mit Bagger kostet durchschnittlich 30.000 €.  Bei sehr konservativer Abschätzung von 1 ha durch Biber renaturierter Fläche in jedem zehnten bayerischem Biberrevier entspricht dies bisher einem Gegenwert von bereits 10,5 Mio. € eingesparter Kosten.

·         Wasserrückhaltung: im Freisinger Auwald haben Biber in einem einzigen Biberrevier durch ihre Stautätigkeit 8 Mio. l Wasser für die Grundwasserneubildung zurückgehalten; in Fulda nutzen die Wasserwerke der Stadt die Bibervorkommen für das Wiederauffüllen der Grundwasservorräte.

·         Eine Kosten-Nutzen-Untersuchung der Biber in Hessen hat einen positiven Betrag von ca. 5.000 € je Biber (Schaffen von Lebensräumen, Gewässerreinigung, touristische Nutzung) ergeben. In Bayern leben mindestens 20% der Vorkommen (2.800 Biber) unter vergleichbaren Bedingungen. Das macht in der Summe allein für diese Biber eine Leistung von 14 Mio. €.

·         Fraßschäden z.B. am Mais sind über Quadratmeter Fraßfläche mal Marktwert dagegen leicht darstellbar. Direkte und indirekte Positivwirkungen von prominenten Tierarten wie dem Biber sind dagegen schwer in menschliche Gewinn- und Verlustrechnungen zu pressen. Die unmittelbaren ökonomischen Leistungen des Bibers liegen in Bayern jedoch im Minimum bei 50 Mio. €/Jahr, also um den Faktor 100 über den „Schäden“.