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Ortsumfahrung Reisbach

Ein Symbol für Bayerns verkehrte Straßenbaupolitik mit schwerwiegenden Auswirkungen für die Artenvielfalt des betroffenen Naturraums.

23.11.2015

BUND Naturschutz (BN) kritisiert die mangelhafte Berücksichtigung artenschutzfachlicher Belange im Rahmen der Baumaßnahmen und kündigt Dokumentation der Umweltschäden an.

Nach einer Bauzeit von mehr als drei Jahren wurde im September 2015 die neue Südumgehung des Marktes Reisbach dem Verkehr übergeben. Seit Beginn der Planungen sind somit 13 Jahre ins Land gegangen und der BN sowie eine örtliche Bürgerinitiative hatten von Anfang an gegen dieses Vorhaben gekämpft. „An unseren generellen Kritikpunkten an diesem Straßenprojekt hat sich trotz dieser Tatsache aber nichts geändert“, erklärte Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN. „Sie sind heute sogar noch wichtiger und offensichtlicher als vor 13 Jahren. Insbesondere die befürchteten Schädigungen der betroffenen Lebensraumkomplexe, unter anderem am Schleifmühlbach, und die Beeinträchtigungen der hier nachgewiesenen streng geschützten Arten sind nach Ansicht des BN noch viel schwerwiegender als immer schon befürchtet. „Wir werden daher jetzt nicht einfach aufgeben, sondern die weiteren Entwicklungen umfassend dokumentieren um beispielhaft die Defizite auf zu zeigen“, sagte Mergner.

Verkehrsvermeidung ist das Gebot der Stunde

Die Südumfahrung Reisbach ist im gültigen Ausbauplan für Staatsstraßen von 2011 nur mit der Dringlichkeit 2 eingestuft, was eigentlich einen Bau erst irgendwann nach 2025 bedeuten würde. Eine Notwendigkeit für dieses Projekt bestand daher offensichtlich nicht. Dass es dennoch gebaut wurde und die Kosten deutlich höher waren als im Ausbauplan angesetzt (8,2 statt 6,8 Mio. Euro), zeigt daher auch, dass statt der allseits geforderten Priorität für den Erhalt des bestehenden Straßennetzes nach wie vor in unverantwortlicher Weise auf neue Straßen gesetzt wird. Der Verkehr verursacht derzeit rund 18 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland und ist der einzige Sektor in dem die Emissionen im Vergleich zu 1990 sogar noch gestiegen sind. Davon verursacht der Straßenverkehr 95 Prozent. Es muss daher gerade in diesem Bereich mehr passieren als bisher, vor allem auch im Hinblick auf die Klimaschutzziele Deutschlands und Bayerns ist dies unumgänglich. „Wir brauchen endlich eine Verkehrs- und Mobilitätswende um den Energieverbrauch und die Emissionen des Autoverkehrs zu reduzieren. Prestigeprojekte wie die Ortsumfahrung von Reisbach, die enorme Kosten verursachen, noch mehr Verkehr induzieren und deren Notwendigkeit mehr als zweifelhaft ist, sind dabei eindeutig der falsche Weg“, betonte Mergner.

Ein weiterer grundsätzlicher Kritikpunkt ist zudem die Zerstörung wertvoller landwirtschaftlicher Böden und die Entwertung, Zerschneidung und technische Überprägung des reizvollen Landschaftsraums südlich von Reisbach. Gerade im Landkreis Dingolfing-Landau, der beim Flächenverbrauch zu den Spitzenreitern in Bayern gehört, ist die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche besonders drastisch. Sie nahm zwischen 2000 und 2013 um fast 21 Prozent zu. Mehr als 1.700 Hektar gingen dabei verloren und sind beispielsweise der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen.

Schädigungen der Artenvielfalt auch künftig zu befürchten

„Auf Grund der bisherigen schlechten Erfahrungen mit diesem Straßenprojekt, wird sich der BN auch nach der Fertigstellung mit den Auswirkungen beschäftigen“, erklärte Peter Hirmer, Vorstandsmitglied der BN Kreisgruppe Dingolfing-Landau. Der Freistaat Bayern habe zum Artenschutz eine Reihe von guten Programmen und Initiativen entwickelt, wie etwa die Biodiversitätsstrategie oder das Aktionsprogramm bayerische Artenvielfalt im Rahmen des Projekts die Bayern Arche. Im Rahmen dieser Programme konnten auch Projekte des BN für die Artenvielfalt verwirklicht werden. Trotzdem können diese positiven Ansätze die Beeinträchtigungen durch Infrastrukturmaßnahmen und Baugebietsausweisungen nicht ausgleichen. An der Südumgehung Reisbach lässt sich die Problematik besonders gut verdeutlichen:

Bereits vor 13 Jahren haben Voruntersuchungen ergeben, dass die nun verwirklichte Trasse aus Naturschutzgründen nicht gewählt werden sollte. Für die Flächen am Schleifmühlbach hatte das Landesamt für Umwelt ursprünglich sogar die Meldung als Natura-2000-Gebiet geprüft. Mit Haselmaus, Gelbbauchunke, Kammmolch, Schmaler Windelschnecke, Dunkler Wiesenknopfameisenbläuling, Springfrosch und Schwarzer Grubenlaufkäfer sind nach europäischem Recht streng geschützte Arten nachgewiesen. Zudem sind noch viele gefährdete Arten der Roten Liste kartiert worden. Allerdings war es nicht die Marktgemeinde Reisbach als Vorhabensträger, die die entsprechenden Nachweise erbracht hat. Vielmehr ist es den Kartierungen und Gutachten der Bürgerinitiative sowie dem Bund Naturschutz zu verdanken, dass das hervorragende Arteninventar dieser Gebiete erfasst wurde.

Auch hinsichtlich des Grundwasserhaushaltes liegen eindeutige Gutachten darüber vor, dass die Biotope durch die Trassenführung geschädigt werden können.

Da bereits während der Baumaßnahmen ersichtlich war, dass streng geschützte Arten geschädigt werden, hat der BN nach dem Umweltschadensgesetz die Regierung von Niederbayern mehrfach zum Handeln aufgefordert. Mit Schreiben vom 15.01.2014 teilte die  Regierung dann mit, dass dem BN als Naturschutzorganisation kein Initiativrecht bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der Schadensbegrenzung zusteht. Das bedeutet, dass dem BN solange rechtlich die Hände gebunden sind, bis Schäden bei den Arten und Biotopen glaubhaft gemacht werden können, also erst wenn der Schadensfall eingetreten ist. Aus diesem Grund wird sich die BN-Kreisgruppe auch weiter mit der Südumgehung Reisbach beschäftigen. „Wir wollen die Entwicklung der Biotope und der Arten über mehrere Jahre dokumentieren. Damit wollen wir einerseits notwendige zusätzliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchsetzen und zum anderen dokumentieren, welche Auswirkungen ein Straßenbau wie die Südumgehung Reisbach hat“, erklärte Hirmer zum weiteren Vorgehen. Hierzu ist auch geplant Ende 2016 in einem „Schwarzbuch Südumgehung Reisbach“ die bisherigen Abläufe und Entwicklungen darzulegen. „Wenn wir schon diesen unsinnigen Straßenbau nicht verhindern konnten, so soll die Dokumentation zumindest helfen, dass nicht die gleichen Fehler anderswo wiederholt werden“, betonte Peter Hirmer.

Wertvollste Böden zerstört – wo war der Bauernverband?

Alois Aigner, der Vorsitzende der BN Kreisgruppe, kritisierte insbesondere, dass angesichts der immer deutlicher werdenden Klimaerwärmung der Bau dieser Straße genau das Gegenteil von dem sei was nötig wäre. „Im Bemühen um die dringend gebotene massive Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes bringt uns das keinen Schritt vorwärts, es beschleunigt vielmehr die Spirale der Zerstörungen. Wer angesichts der extremen Temperaturen im vergangen Sommer und der ausbleibenden Niederschläge die Augen vor den Auswirkungen des Klimawandels verschließt ist töricht und verspielt die Zukunft der nächsten Generationen“, so Aigner. In der Landwirtschaft sind die Folgen mit am deutlichsten zu spüren. „Geringere Erträge bis hin zum Totalausfall, Dinge die wir sonst nur von Fernsehbildern aus Afrika kennen, waren heuer auch hier bei uns die Folge“. Außerdem macht der Borkenkäferbefall unseren Fichtenwälder schwer zu schaffen und wenn der Temperaturanstieg so weitergeht, werden sie wohl bald aus unserem Landkreis verschwinden, prognostizierte Aigner. Die bei der Baumaßnahme zerstörten Lössböden gehören zu den fruchtbarsten Böden überhaupt. Sie sind nährstoffreich, leicht zu bearbeiten, verfügen über einen guten Wasser- und Wärmehaushalt und sind deshalb für die Landwirtschaft in allen Teilen der Welt von großer Bedeutung. „Es ist für mich daher unbegreiflich und ein Rätsel, warum sich der Bauernverband nicht gegen diesen Flächenverbrauch gestellt hat“, so Biobauer Alois Aigner.


Für Rückfragen:

Kurt Schmid
Regionalreferent für Niederbayern
Tel.: 089/548298-88
kurt.schmid@bund-naturschutz.de


Alois Aigner
1. Vorsitzender BN Kreisgruppe Dingolfing-Landau
Tel.: 08734/847
alois_aigner@t-online.de


Peter Hirmer
Vorstandsmitglied BN Kreisgruppe Dingolfing-Landau
Tel.: o9952/1697
peter.hirmer@t-online.de

downloads:

PM_FA_26_15_Reisbach.pdf