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Stoppt die verkehrspolitische Geisterfahrt!

BN und BI gegen Start des Raumordnungsverfahrens für die "Westumgehung Würzburg"

17.01.2011

Zahlreiche Sachargumente sprechen gegen die autobahnähnlich geplante „Westumgehung Würzburg“.

Die Ablehnung des natur- und heimatzerstörenden Großprojektes durch die BürgerInnen der Region wächst unaufhaltsam. Dass das Vorhaben sich mit übergeordneten politischen Zielaussagen und zentralen raumordnerischen Zielvorgaben nicht vereinbaren lässt, ist unübersehbar. Schon heute reichen die Haushaltmittel, die für den Ausbau, den Unterhalt und die Sanierung des bestehenden Straßennetzes dringend benötigt werden, nicht aus.

Trotzdem soll im Februar 2011 das Raumordnungsverfahren eröffnet werden!

Bund Naturschutz und Bürgerinitiative halten dies für ebenso unsinnig wie unverantwortlich und fordern stattdessen eine umweltschonende Alternativenplanung, die die Zukunftschancen der betroffenen Region nicht leichtfertig aufs Spiel setzt.

Den Dörfern und Städten gehen die Menschen ausLt. Bevölkerungsprognosedaten vom November 2010 schrumpft bis 2025 die Elterngeneration in den ländlichen Gebieten von Rhön und Spessart.

Als besonders stark vom Bevölkerungsrückgang betroffen wird dort u. a. der Landkreis Main-Spessart eingestuft, für den die „Westumgehung Würzburg“ als Entlastungsachse nach wie vor verkauft wird.

Damit geht die Planung aber an den tatsächlichen Bedürfnissen der Region und ihrer BewohnerInnen vorbei und droht eine gigantische Steuergeldverschwendung in Zeiten ohnehin leerer Staatskassen – mehr noch als bei der nicht ansatzweise ausgelasteten und mit ähnlichen Argumenten durchgeboxten A71.

Verkehrsbelastung statt Verkehrsentlastung!Es ist zu befürchten, dass die B26n nach einem positiven Abschluss des Raumordnungsverfahrens in 2 Abschnitten (Werneck/A7 bis Karlstadt und  Karlstadt bis Helmstadt) genehmigt (und gebaut?) werden wird.

Der Zubringer Lohr, von dem  zumindest eine gewisse Erschließungs- und Entlastungswirkung erhofft werden könnte, ist weder im Bundesverkehrswegeplan noch in den Planunterlagen berücksichtigt.

Angesichts der schon heute für den Straßenausbau überfälligen Brückensanierungen und sogar für den Straßenunterhalt fehlenden Finanzmittel und der explosiv wachsenden Staatsschulden in Milliardenhöhe besteht die Gefahr, dass es bei einem Straßentorso bleiben wird, der für lange Zeit bei Karlstadt enden wird.

Für die Stadt Karlstadt, ihre Ortsteile und viele Umlandgemeinden bedeutet dies: die Verkehrsbelastung wird durch den Bau der B26n nicht abnehmen, sondern ganz im Gegenteil tlw. sogar immens wachsen und sich über die Zubringer weit über den eigentlichen Trassenbereich hinaus bemerkbar machen.

Unter dem Lärmteppich einer unsinnigen Transitautobahn („überflüssig wie ein Bootshafen in der Wüste Gobi“!) soll eine ganze Region begraben werden.

Totschlagargument Arbeitsplätze
Zukunftsträchtige Unternehmen (u. a. UNTHA Recyclingtechnik, GMS CNC-Technik) haben sich in der Region angesiedelt, die Arbeitslosenquote (ca. 2,7%) liegt deutlich unter dem bayerischen Durchschnittswert (4,8%) – trotz oder gerade wegen der (noch) nicht gebauten Westumgehung. Schon heute sind die Firmen in der Region bestens an das überregionale Fernstraßennetz angeschlossen, werden doch von Lohr oder Karlstadt zur A3 / A7 keine 30 Minuten benötigt.

Dass eine noch kürzere Autobahnanbindung den Erhalt von Arbeitsplätzen nicht garantieren kann, zeigt sich im Einzugsbereich der erst vor wenigen Jahren eröffneten A71: in Bad Neustadt  baute Siemens massiv Arbeitsplätze ab, in Schweinfurt sind dies u. a. Bosch-Rexroth, SRAM und Husquarna.

„Grünes Kapital“ - geopfert auf dem Altar eines Spekulationsobjektes
Großflächige unzerschnittene und unverlärmte (Nah-)Erholungsgebiete, noch dazu im Einzugsbereich von Siedlungsschwerpunkten (z.B. Würzburg / Karlstadt) und mit erheblichem touristischem Entwicklungspotenzial, sind das unersetzliche „Grüne Kapital“ dieser Region.

Viele Großstädte und Regionen wären überglücklich über so viel unverbaute Landschaft und eine so hohe Wohn- und Freizeitqualität, die gerade dem ländlichen Raum mittel- wie langfristig echte Zukunftschancen eröffnen.

Dies gilt für den sanften Tourismus – eine der wenigen Wachstumsbranchen – ebenso wie für die Ansiedlung weiterer Betriebe z.B. aus der zukunftsträchtigen IT-Branche. Dort gewinnen bei Standortentscheidungen sog. weiche Standortfaktoren (z.B. intakte Umwelt/Wohn- und Freizeitqualität für Führungskräfte) zunehmend an Bedeutung.

Wer dieses „Grüne Kapital“ leichtfertig auf dem Altar eines mehr als fragwürdigen Verkehrsprojektes opfert, betrügt eine ganze Region und ihre BewohnerInnen um ihre Zukunft und ihre Lebensqualität, die mehr wert ist als eine 8-minütige Fahrzeitverkürzung für eine handvoll Autofahrer von Karlstadt zur nächsten Autobahn.

Dann wird die Westumgehung tatsächlich dringend benötigt – um wie einst im Ruhrgebiet am Wochenende möglichst schnell in Freizeitparks mit Ersatznatur oder in die schon heute bis an die Grenze der Belastbarkeit überlaufenen Alpen zu flüchten.

Milan, Hamster, Schmetterling – wertlos Ding?
Die „Roten Listen“ der seltenen und bedrohten Arten werden immer länger, selbst einstige „Allerweltsarten“ wie Kiebitz oder Feldlerche finden kaum noch geeignete Lebensräume.

Eine Region, in der sogar Raritäten von europäischem Rang wie Feldhamster, Rotmilan, Wiesenweihe oder Bechsteinfledermaus bis heute überleben konnten, erscheint da förmlich als Arche Noah, über die eine solche – trotz aller Bemühungen um Eingriffsreduzierung – großflächig naturzerstörerische Planung erst gar nicht hätte gestülpt werden dürfen, wären die Vorgaben des Europäischen Naturschutzrechtes ernst genommen worden.

Selbst die offizielle Umweltverträglichkeitsstudie zeigt überdeutlich, dass sich bei allen Trassenvarianten eingriffsbedingte Konflikte wie Perlen an einer Schnur aneinander reihen.

Von einer wirklich umweltverträglichen Trassenführung mit auch nur annähernd ausgleichbaren Eingriffen kann deshalb hier nur auf dem Papier die Rede sein – und auch nur dann, wenn Eingriffsbilanz schön gerechnet und unkalkulierbare Eingriffsrisiken bewusst ignoriert werden.

Wer deutsches und europäisches Naturschutzrecht ernst nimmt, muss deshalb die Finger von diesem Refugium lassen!

Recht muss Recht bleiben
Dass die geplante „Westumgehung Würzburg“ gegen zahlreiche übergeordnete politische Zielaussagen ebenso verstößt, wie gegen raumordnerische und rechtliche Vorgaben, liegt  auf der Hand – dafür braucht es nicht erst ein zeit- und kostenaufwendiges Raumordnungsverfahren.

Nur einige Beispiele:
# Eine verkehrliche Rechtfertigung fehlt, es gibt aber Natur verträglichere Alternativen.
Die geplante B26n ist damit als vermeidbarer Eingriff im Sinn von §15 Bundesnaturschutzgesetz einzustufen und somit zu unterlassen.

# Angesichts der Vielzahl gravierender Eingriffe in wertvolle und z. T. unersetzliche Lebensräume sind weder ausreichende bzw. geeignete Ausgleichs- noch Ersatzmaßnahmen vorstellbar.
Schon damit fehlen zentrale Genehmigungsvoraussetzungen für dieses Projekt!

# Aufgrund massiver Beeinträchtigung und unkalkulierbarer Risiken für Vorkommen etlicher europaweit geschützter Arten (z.B. Hamster, Wiesenweihe, Mittelspecht, Rotmilan), des nicht gewährleistbaren Ausgleichs und praktikabler Alternativen ist das Projekt mit den landes- wie europarechtlichen Verpflichtungen aus der europäischen FFH-Richtlinie nicht vereinbar.

# Die geplante Transitautobahn verstößt gegen die in Art. 141 Bay. Verfassung verankerten Verpflichtung des Staates zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, des Waldes sowie der heimischen Tier- und Pflanzenarten, ihrer Lebensräume und kennzeichnender Landschaftsbilder.

Dass dies nicht nur schöne Worte für politische Sonntagsreden sind, sondern echte Verpflichtungen, die auch bei konkreten Planungen beachtet werden müssen, hat sogar der Bayer. Verfassungsgerichtshof erst am 31. Mai 2006  in einer richtungsweisenden Entscheidung ausdrücklich betont.

# Der bei Realisierung der „Westumgehung Würzburg“ drohende Verlust wertvoller Lebensräume, die Gefährdung der Vorkommen zahlreicher seltener Arten und die Zerschneidung wichtiger Biotopvernetzungsachsen wäre auch mit der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung unvereinbar.

Dort wird nicht nur die Erhaltung der natürlichen Artenvielfalt, sondern ausdrücklich auch die Sicherung eines landesweiten Biotopverbundnetzes gefordert.

Es wäre mehr als absurd, erhebliche Finanzmittel in ökologisch verarmte Regionen z.B. für die Wiederherstellung des Biotopverbundes zu investieren, gleichzeitig aber hier ebenfalls erhebliche Finanzmittel zu investieren – allerdings in ein fragwürdiges Eingriffsprojekt unter Inkaufnahme substanzieller ökologischer Schäden und Verluste!

Woher nehmen und nicht stehlen?
# Der geplanten „Westumgehung Würzburg“ sollen  hunderte Hektar wertvollstes Ackerland geopfert werden -je nach Variante liegt der Flächenverbrauch bei
1.000 ha. Unverantwortlich ist dies nicht nur in Hinblick auf die rasant wachsenden Wüstenareale in der Welt, sondern ebenso angesichts der v. a. auch zur Eindämmung der Folgen des Klimawandels auch bei uns überfälligen Umstellung der Lebens- und Futtermittelerzeugung auf ökologischen Anbau.

# Schon heute reichen die Haushaltsmittel des Verkehrsetats für den Ausbau, die Unterhaltung und Sanierung der vorhandenen Straßen nicht aus.

So sind z.B. nach diesem Winter 50% der Staatsstraßen in einem schlechten Zustand und fehlen bereits derzeit auf 10 Jahre hinaus dringend benötigte Mittel für die Instandhaltung.

Wer in einer solch prekären Situation weiter in überflüssige Straßen investiert, verschleudert nicht nur Steuergelder in Millionenhöhe, er setzt auch leichtfertig die Sicherheit der VerkehrsteilnehmerInnen aufs Spiel.

Vor Ort wächst der Widerstand
Nicht zuletzt aufgrund der engagierten Informationsarbeit der Bürgerinitiative über Jahre hinweg ist gerade im letzten Jahr der Widerstand von betroffenen Gemeinden, AnwohnerInnen und Erholungssuchenden deutlich gewachsen.

-          Innerhalb von nur einem halben Jahr haben über 14 000 Betroffene den „Mainfränkischen Appell“ unterzeichnet.

-          Die BI wird von etlichen Abgeordneten und von den Bürgermeistern von

-          22 Gemeinden unterstützt und mitgetragen.

-          Die Mitgliederzahl der BI ist gerade im letzten Jahr deutlich gewachsen. Allein in Karlstadt hat sie mittlerweile über 500 MitstreiterInnen.

Resümée und Forderungen
Für BI und BN bedeutet dies: Mehr denn je fehlt jegliche Rechtfertigung für dieses Eingriffsprojekt. Dass es mit übergeordneten raumordnerischen Zielvorgaben nicht vereinbar ist, liegt auf der Hand. Eine weitere Verschwendung von Steuergeldern wäre unverantwortlich.

Wir fordern deshalb:

Stopp aller Planungen für eine autobahnähnliche Westumgehung und Einstellung aller Vorarbeiten für die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens.

Stattdessen: Entwicklung eines Gesamtverkehrskonzeptes unter Einbeziehung aller Verkehrsträger für die Region.

Dies kann auch einen individuell angepassten und intelligenten Ausbau der B26 von Arnstein nach Loht umfassen.

Zu prüfen ist dabei auch, ob der gleichzeitige 6spurige Ausbau der A7 sinnvoll und erforderlich ist.

Unsere fränkische Kulturlandschaft ist gerade in dieser Region zu wertvoll und zu schade, um einem fragwürdigen politischen Prestigeprojekt von gestern geopfert zu werden!

gez. Richard Mergner
Landesbeauftragter des Bundes Naturschutz und Verkehrsreferent

gez. Matthias Zorn
1. Vorsitzender der Bürgerinitiative Bürger und Kommunen gegen die Westumgehung Würzburg (B26n) e.V.