Verliert das Alpenvorland sein Gesicht "
„Durch die Ausweisung neuer Gewerbegebiete im Außenbereich verliert Bayern täglich Stück für Stück sein Gesicht.“ so das Fazit der BN-Vertreter bei einer Rundfahrt durch den Landkreis Miesbach. Trotz vorhandener, voll erschlossener Gewerbeflächen von rund 13.000 Hektar und trotz gegenteiliger Zielaussagen auf höchster politischer Ebene ist Bayern mit einem täglichen Verlust von über 24 Fußballfeldern bzw. 17 Hektar nach wie vor trauriger Spitzenreiter unter den Bundesländern beim Flächenverbrauch. „Besonders im Alpenvorland und hier wiederum besonders entlang der Autobahn-Achsen ist derzeit ein besonders ruinöser Wettbewerb festzustellen.“ kritisiert Werner Fees, stellv. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Miesbach. Beispiele finden sich im Landkreis von Irschenberg über Weyarn bis Holzkirchen.
Der BN fordert ein Ende dieses ruinösen Wettbewerbes, bei dem letztlich alle nur verlieren können. Hierzu hält der BN zahlreiche Maßnahmen auf der Ebene der Kommunen, der Landkreise, der Bezirksregierungen, der Landes-, Bundes- und EU-Politik für nötig. Insbesondere fordert der BN verpflichtende Flächenkataster für Recyclingpotentiale und deren Ausnutzung vor der Ausweisung weiterer neuer Gewerbegebiete sowie den Stop der Subventionierung von Gewerbegebietsausweisungen und die Einführung einer Versiegelungsabgabe.
„Gerade die Entwicklung der Alpengemeinden muss besonders sensibel erfolgen, denn Natur und Landschaft sind das zentrale Kapital dieser Region“ fordert Dr. Christine Margraf, Regionalreferentin des BN. „Dies fordert auch die Alpenkonvention“. In den derzeitigen Genehmigungsverfahren spielen die gesetzlich verbindlichen Vorgaben der Alpenkonvention jedoch noch keine Rolle, kritisieren die Naturschützer.
Studie des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN)
Die ökologischen und ökonomischen Folgen des sinnlosen kommunalen Wettbewerbs auf Kosten von Heimat, Landschaft und intakten Innenstädten werden nach Ansicht des BN immer deutlicher. Mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze werden Schutzbemühungen beiseite gewischt. Dabei zeigt eine Auswertung des BN, dass praktisch in allen untersuchten Fällen die im Vorfeld der Gewerbegebietsausweisungen zunächst genannten Zahlen zu neuen Arbeitsplätzen wesentlich zu hoch angesetzt waren. Und oft gibt es Alternativen durch Nutzung von leer stehender Bausubstanz oder von Brachflächen. Um den Flächenverbrauch durch Gewerbegebiete und den Verlust von Landschaft und Heimat exemplarisch drastisch vor Augen zu führen, hat der BN im Jahr 2005 eine neue Studie vorgelegt (siehe Anlage).
Fehlentwicklungen im nördlichen Landkreis Miesbach
Derzeit ist überall im Alpenvorland ein im wahrsten Sinn des Wortes bodenloser Umgang mit dem Boden festzustellen. Gerade entlang der A8 konkurrierenden die Gemeinden mittlerweile sogar grenzüberschreitend mit Österreich (Region Salzburg). Auch im nördlichen Landkreis Miesbach zerstört der maßlose Flächenverbrauch an allen Ecken und Enden gerade das, was diese Region so reizvoll macht. Nach einer aktuellen Übersicht im internet (www.sisby.de) werden derzeit im Landkreis Miesbach mehr als 17 ha freie Gewerbeflächen als Standort angeboten, beispielsweise allein 5,6 ha im Technologiepark Weyarn.
Besonders vom BN kritisiert werden die Entwicklungen an der Autobahn-Ausfahrt Irschenberg, neue Tankstellen am Irschenberg, südlich der Autobahn und in Weyarn und neue Gewerbegebiete bei Weyarn. Am Beispiel Holzkirchen hat der BN auch den Flächenverbrauch durch neue Verkehrsplanungen kritisiert.
Der Markt Holzkirchen hat gerade das Bauleitverfahren für die „Kommunale Entlastungsstraße Holzkirchen-Nord“ eingeleitet. Diese Straße soll die Ortsstraßen vom Durchgangsverkehr entlasten. Die 3,3 Kilometer lange, autobahnparallele Straße zerstört die freie Landschaft und durchschneidet wertvollen Naherholungsraum für die Holzkirchner. Sie beeinträchtigt die natürlichen Wechselbeziehungen zwischen Biotopen und der freien Landschaft, wie auch das Landschaftsbild an sich. Auch auf die Lebensgrundlagen des Menschen, Wasser, Boden und Luft hat sie negative Auswirkungen. Dabei wird die gewünschte Entlastungswirkung für die Anwohner der Durchgangsstraßen ausbleiben. Ein Verkehrsgutachten bestätigt dieses Mehr an Verkehr. Eine wirkliche Erschließungsfunktion ist für diese Straße derzeit nicht auszumachen. Eine Raumentwicklung für diese Straße und der Fläche zwischen Ortsrand und Straße fand nie statt. Sogar eine Diskussion hierüber im laufenden Ortsentwicklungsprozess mit Bürgerbeteiligung wurde explizit verbeten. Das jahrelange Beharren auf die Umgehungsstraßen von Holzkirchen verhinderte die Umsetzung eines alternativen Maßnahmenbündels, wie sie immer wieder vom BN, ADFC und sogar vom Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum aufgezeigt wurden. Die Umgehungsstraßen werden die Holzkirchner auch weitere Jahrzehnte beschäftigen, denn mit der Verwirklichung des aktuell geplanten Bauabschnittes werden Sachzwänge geschaffen. Preissteigerungen und Verzögerungen sind vorprogrammiert. Von 5,5 Mio. Euro auf nun 8,3 Mio. Euro; hierzu genügt der Hinweis, dass z.B. zwei Bahnunterführungen zu erstellen sind. Die Straße wird lange Zeit keinen LKW-Verkehr aufnehmen können. Finanzielle Mittel werden für Jahre gebunden, für nachhaltige Maßnahmen innerorts und für die Steigerung der Lebensqualität in Holzkirchen wird das Geld fehlen.
Die wunderschöne Erholungslandschaft mit Alpen-Panorama und die optimale Autobahn-anbindung sind ein wesentlicher Grund für diese Entwicklungen. Das Bild dieser Landschaft ist geprägt von zahlreichen Mooren und Feuchtgebieten, die teilweise sogar europäischen Schutz genießen. Die Gewerbe-ansiedlungen und neue Straßen mit zunehmendem Verkehr zerstören nicht nur das Bild dieser Landschaft, sondern auch ihren Wert für Natur und Mensch.
BN fordert Beachtung der Alpenkonvention
Die Alpenlandkreise gehören zum Geltungsbereich der Alpenkonvention, deren Protokolle seit 2002 geltendes Recht in Bayern sind. Im Protokoll „Raumplanung“ ist eine nachhaltige und abgestimmte Entwicklung gefordert. Der BN fordert daher dringend eine Einschränkung des ruinösen Wettbewerbes im Flächenverbrauch und eine Beachtung der Vorgaben in den Genehmigungsverfahren. Der BN appelliert aber auch an die Bevölkerung, sich stärkere in diese Entwicklungen einzumischen. Sowohl durch das eigene Kaufverhalten als auch durch politische Abstimmungen können die BürgerInnen sich schützend vor ihre Heimat stellen. Ein großer Erfolg des BN und der Bevölkerung von Bad Aibling war beispielsweise die Verhinderung des geplanten Logistikzentrums der Firma „Kathrein“ im Willinger Weitmoos durch den Bürgerentscheid im Jahr 2000.
gez. Dr. Christine Margraf
Regionalreferentin des BN
gez. Werner Fees
stellv. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Miesbach
Für Rückfragen: Dr. Christine Margraf: 089/548298-89
christine.margraf@bund-naturschutz.de
Anlage 1:
Bund Naturschutz Forschung Nr. 9: Gewerbeflächenausweisung und Flächenverbrauch. Beitrag zur naturverträglichen Siedlungsentwicklung
Teil I: Auswertung, Teil II: Fallbeispiele
Dezember 2004
Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Die Studie steht auf der homepage des Bund Naturschutz zum download zur Verfügung unter:
www.bund-naturschutz.de/projekte/flaechenaktion/schwarzbuch_siedlungsentwicklung.html
Die vom Bund Naturschutz vorgelegte und vom Bundesamt für Naturschutz geförderte Studie „Gewerbeflächenausweisung und Flächenverbrauch – Beitrag zu einer naturverträglichen Siedlungsentwicklung“ dokumentiert eindrucksvoll die aktuellen Fehlentwickungen im Flächenverbrauch in Bayern. Darin werden mit bislang unveröffentlichten Luftbildern 40 exemplarische Negativbeispiele aus allen Regierungsbezirken Bayerns sowie aus Thüringen und Baden-Württemberg dokumentiert. Ein Beispiel hierfür ist die Ansiedlung der Infineon-Zentrale in einer für die Luftqualität der Landeshauptstadt bedeutsamen Frischluftschneise in München-Neubiberg. Die Studie zeigt aber auch anhand von 11 Positivbeispielen, dass Gemeindeentwicklung, Gewerbeflächenbereitstellung und die Befriedigung des Wohnraumbedarfes in den Gemeinden auch auf flächenschonende Weise möglich sind, durch Innenentwicklung, Baulückenschließung, Flächenrecycling und intelligente Nutzungsmodelle.
Anlass für die Studie ist, dass trotz gegenteiliger Zielaussagen auf höchster politischer Ebene Bayern mit einem täglichen Verlust von über 24 Fußballfeldern bzw. 17 Hektar nach wie vor trauriger Spitzenreiter unter den Bundesländern beim Flächenverbrauch ist. Vor allem durch die Ausweisung neuer Gewerbegebiete im Außenbereich trotz vorhandener, voll erschlossener Flächen von rund 13.000 Hektar, verliert Bayern Stück um Stück sein Gesicht. Die ökologischen und ökonomischen Folgen des ruinösen kommunalen Wettbewerbs auf Kosten von Heimat, Landschaft und intakten Innenstädten werden immer deutlicher. Obwohl viele Städte und Gemeinden unter der Zins- und Tilgungslast für die Erschließungskosten ihrer leer stehenden Gewerbegebiete leiden, werden nach wie vor neue Gebiete ausgewiesen. Immer noch wird auch aufgrund der völlig unzureichenden Steuerung der Regional- und Landesplanung gegen gesetzliche Ziele des Bundes und des Landes eine schleichende Zerstörung von Heimatlandschaften gefördert und zugelassen.
Die Auswirkungen der fortschreitenden Flächeninanspruchnahme sind spätestens seit den 80er-Jahren bekannt. Immer wieder neue Expertengutachten, wie auch des Rates für nachhaltige Entwicklung (2004) machen deutlich, dass eine Verbesserung dringend geboten ist.
Positive Ansätze sind in jüngster Zeit erkennbar, wie die Verankerung des 30 ha-Ziels der Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland, das Modellprojekt „Kommunales Flächenressourcenmanagement“, der Flächenpakt Bayern, Flächensparmodelle in Baden-Württemberg und Bayern, das Projekt „Brachflächenrecycling“ in Thüringen und das Aktionsbündnis „Flächen gewinnen in Bayden-Württemberg“. Doch sie haben noch viel zu wenig Wirkung und die poilitischen und rechtlichen Rahmenbedingungen müssen dem stärker Rechnung tragen.
Der Bund Naturschutz fordert deshalb von der Politik auf Landes- und Bundesebene, insbesondere aber von Städten und Gemeinden eine deutliche Umkehr bei der Wohngebietsausweisung und der Gewerbeflächenpolitik. Ziel muss sein, dass ab 2010 keine neuen Flächen bebaut werden oder in dem Maß des Neubaus an anderer Stelle versiegelte Flächen renaturiert werden. Dies erfordert Vorrang für Flächenrecycling, Nachverdichtung und Umnutzung, Maßnahmen gegen die kommunale Konkurrenz bei Gewerbegebietsausweisungen und ein Ende des Straßenneubaus. Mit der Studie und weiteren Aktionen des Bund Naturschutz zum Flächensparen sollen Öffentlichkeit und Entscheidungsträger für eine andere Planungs- und Baukultur sensibilisiert und Lösungen für einen verantwortlicheren Umgang mit den begrenzten Gütern Landschaft und Boden aufgezeigt werden. Welch enormen Nachholbedarf Bayern hier hat, zeigt ein Test in vier bayerischen Gemeinden, der ergab, dass innerorts 30 % Flächen brach lagen, ohne dass die Bürgermeister davon wussten (Pressemitteilung des bayerischen Umweltministers vom Dezember 2004).
Nach der letzten Statistik über das Jahr 2003 werden in Bayern 17 Hektar oder 170.000 m2 meist landwirtschaftlich genutzter Boden pro Tag in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt - für immer verbraucht. Das sind 118 m2 pro Minute, Tag und Nacht. Die zwischen 1993 und 2004 verbrauchte freie Landschaft beträgt deutlich mehr als die zehnfache Fläche des größten bayerischen Sees, des Chiemsees. Die bayerische Siedlungs- und Verkehrsfläche hat sich damit auf derzeit 10,4 % der Gesamtfläche Bayerns erhöht. Einen großen Anteil daran hat die Ausweisung neuer Gewerbegebiete. Mit der 2003 beschlossenen Änderung des bayerischen Landesentwicklungsprogramms und einer Schwächung der Regionalplanung wurde trotz eines immensen Überangebotes an voll erschlossenen Gewerbeflächen die Ansiedlung von neuen Einkaufszentren und „factory outlets“ auf „der grünen Wiese“ zu Lasten der Innenstädte und Dorfkerne nochmals erleichtertet.
Bereits 2003 hat der Bund Naturschutz fatale Fehlentwicklungen in einem 100-seitigen „Schwarzbuch Gewerbegebiete Bayern“ erstmals exemplarisch dokumentiert und damit eine breite Diskussion über den Flächenverbrauch in Gang gesetzt. Auch wenn zwischenzeitlich die anhaltende Konjunkturflaute beim Flächenverbrauch zu einer leicht rückläufigen Tendenz geführt hat, lässt die längst überfällige Trendwende auf kommunaler Ebene immer noch auf sich warten. Auch die positiven Ansätze des bayerischen Bündnisses zum Flächensparen haben längst noch nicht zu einer veränderten Praxis in der Flächennutzungspolitik von Städten und Gemeinden geführt, auch wenn das Problembewusstsein gewachsen ist.
Das Bodenschutzprogramm der Bayerischen Staatsregierung von 1991 sollte die Inanspruchnahme freier Flächen durch den Einsatz des überfachlichen Instrumentariums von Raumordnung und Landesplanung verringern. Leicht abgebremst wurde der Flächenverbrauch in Bayern und in anderen Bundesländern jedoch nur durch die anhaltende Konjunkturflaute.
Die jetzt vom Bund Naturschutz vorgelegte Studie „Gewerbeflächenausweisung und Flächenverbrauch – Beitrag zu einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung“ (auch im internet www.bund-naturschutz.de unter Projekte+Aktionen) zeigt überdeutlich, dass v.a. auf kommunaler Ebene die längst überfällige Trendwende immer noch auf sich warten lässt. Nach wie vor schießen Gewerbegebiete wie Pilze aus dem Boden. Oftmals sogar dort, wo selbst Naturschützer die Landschaft einigermaßen in Sicherheit wähnten.
Durch die Analyse von 40 Fallbeispielen aus Bayern, Thüringen und Baden Württemberg zeigt diese Studie erstmals, warum in der Praxis das Umwelt- und Planungsrecht häufig nicht greift und eröffnet damit neue Ansatzpunkte und Perspektiven. Die Inhalte und Ergebnisse dieser zweiteiligen Studie mit Fallbeispielen und einer detaillierten Auswertung sind umso wertvoller, als langfristig ein Ausgleich zwischen neuen Flächennutzungsansprüchen und der Rekultivierung oder Renaturierung bisher für Siedlung, Verkehr und Infrastruktureinrichtungen beanspruchter Flächen erreicht werden muss.
Mit den Beispielen in der Studie soll keine Kommune und kein Unternehmen angeprangert werden, die Auswahl ist auch nicht repräsentativ. Die dargestellten Vorgänge können so oder in ähnlicher Form in vielen anderen Kommunen ebenso ablaufen. In Bayern wurden z.B. als Negativbeispiele die Zerstörung bester landwirtschaftlicher Böden in Dettelbach, Landkreis Kitzungen (Unterfranken), das weitgehend leer stehende Gewerbegebiet bei Sindersdorf (Landkreis Roth) oder Gewerbegebiete in Memmingen, Senden, Ingolstadt und Rosenheim ausgewählt. Positivbeispiele z.B. in Marktredwitz, Kulmbach und Bamberg zeigen, wie mit Flächenrecycling die Innenstädte gestärkt werden.
Die Studie belegt, dass der immense Konkurrenzkampf der Gemeinden um Investoren zu den Hauptursachen des Flächenfraßes zählt. Grundstücke werden nicht kostendeckend verkauft oder billigst abgegeben (z.T. für nur 20 Euro/m2), neue Zufahrtsstraßen oder Autobahnausfahrten werden auf Kosten des Steuerzahlers gebaut, Gewerbeflächen in sensiblen Gebieten ausgewiesen und der Sinn des Planungsrecht ausgehebelt, wenn Bebauungspläne und Flächennutzungspläne im Parallelverfahren aufgestellt werden.
Dass auch auf Länderebene Konkurrenzdenken vorhanden ist, zeigen Beispiele aus Wertheim (Factory Outlet Center, FOC) oder der „Magna-Park“ am Dreiländereck in Neu-Eichenberg in Nord-Hessen. Das FOC Wertheim wurde in den äußersten Zipfel des Landesgebietes von Baden-Württemberg gesetzt, auch um Kaufkraft aus den im Einzugsgebiet liegenden bayerischen und hessischen Oberzentren abschöpfen zu können. Viele Gemeinden wollen noch viel zu sehr „ihr eigenes“ Gewerbegebiet ausweisen, auch wenn es die örtlichen Voraussetzungen nicht zulassen. Sie werden unterstützt durch übergeordnete Gremien, wenn Regionalplanänderungen praktisch immer positiv im Sinne des Vorhabens beschlossen werden, wie das in Sindersdorf oder in Neubiberg der Fall war. Für das FOC in Ingolstadt wurde sogar das Landesentwicklungsprogramm Bayern durch die Staatsregierung geändert.
Praktisch in allen Fällen wurden die im Vorfeld der Gewerbegebietsausweisungen zunächst genannten Zahlen zu neuen Arbeitsplätzen wesentlich zu hoch angesetzt. Bei der Zahnradfabrik Passau in Thyrnau (Lkr. Passau) wurden zunächst 400 Arbeitsplätze angekündigt, später wurden 220 neue Arbeitsplätze versprochen. Entstanden sind bis heute 120 Arbeitsplätze. Die gleiche Zahl an Arbeitsplätzen wurde jedoch vom Stammwerk Passau an den neuen Standort verlagert.
Die Positivbeispiele dieser Studie zeigen aber auch, dass es Alternativen zum ungehemmten Flächenverbrauch gibt.
Die wichtigsten Lösungsansätze sind demnach:
- Verpflichtung zur Ausarbeitung von Flächenkatastern für Recyclingpotentiale - vor der Aufstellung von Bauleitplänen in allen Städten und Gemeinden
- Genehmigung von Flächennutzungsplänen durch die Bezirksregierungen; von Bebauungsplänen durch die Landratsämter unter fachlicher Aufsicht der Regierung
- Keine Subventionierung von Gewerbegebietsausweisungen und Flächen verschwendendem Bauen, Bundesratsinitiative für Einführung einer Versiegelungsabgabe
- Entwicklung neuer Nutzungskonzepte für leer stehende Bausubstanz in städtischen und ländlichen Regionen
- Neuregelung der Gewerbesteuer mit kommunalem Interessensausgleich
Anlage 2:
Informationen zur kommunalen Entlastungsstraße Holzkirchen-Nord
Bürgerentscheid:
Die Nordumfahrung ist Teil des von Herrn Bürgermeister Höß vertretenen „Verkehrskonzeptes zur Entlastung von Holzkirchen“. Dieses wurde (nach einem Ratsbegehren) zeitgleich mit der letzten Landtagswahl am 21. September 2003 in einem Bürgerentscheid zur Abstimmung gestellt, in drei Fragen unterteilt. Die Frage zur Nordumfahrung lautete „Sind Sie der Ansicht, daß der Markt Holzkirchen eine nördliche Entlastungs-straße von der B 13 – nördlicher Ortseingang Holzkirchen – zur B 318 – Anschlußstelle Gewerbegebiet – bauen soll “ und wurde von 63,98% der Wähler befürwortet.
Die Nordumfahrung hat keine Entlastungswirkung:
Laut den Verkehrsgutachten von Prof. Dr.-Ing. Harald Kurzak wird die Münchner Straße (B 13) in Holzkirchen im Vergleich zum heutigen Zustand nicht entlastet, sondern im Gegenteil zusätzlich mit Verkehr belastet, und zwar um bis zu 40%
(Quelle: Plan 2b (Querschnittsbelastungen 2003) im Kurzak-Gutachten 2003 (8.1.2004), Plan 3 (Straßenbelastung 2015 mit Nordumfahrung, ohne Südumfahrung) und Plan 4 (mit Südumfahrung) im Kurzak-Gutachten 2002 (13.12.2002)).
Bei der nun geplanten MB 9 handelt es sich also keineswegs um eine Entlastungs-straße, wie sie im Bürgerentscheid gefordert und von Herrn Bürgermeister Höß stets versprochen wurde.
- Die Nordumfahrung ist ohne Südumfahrung sinnlos:
Die Südumfahrung ist im aktuellen Bundsverkehrswegeplan nur im „weiteren Bedarf“ eingestuft.
Zitat aus den Gutachten: „Die Entlastungswirkung am Marktplatz ist jedoch gering,
so daß die Nordumfahrung stets als Ergänzung einer Südumfahrung gesehen werden sollte“ (Kurzak-Gutachten März 1992, S. 55). Im Vergleich zum Ist-Zustand ist tatsächlich auch am Marktplatz eine Zusatzbelastung festzustellen.
- Die Nordumfahrung ist eine Autobahn-Parallele:
Solche Straßen ziehen erfahrungsgemäß Verkehr von der Autobahn ab (der sich in Holzkirchen auf alle verfügbaren Straßen verteilen wird). Otterfing und Sauerlach werden eine deutliche zusätzliche Verkehrsbelastung erfahren.
Der Regionale Planungsverband München hat sich mit aller Deutlichkeit gegen neue Paralleltrassen zur Autobahn ausgesprochen – ein paar Kilometer südlich im nächsten Planungsverband soll eine solche Planung noch möglich sein?
- Die Nordumfahrung verbindet zwei Bundesstraßen (B13 und B318)
Sie soll zur Entlastung der Bundesstraße B13 im Ortsbereich Holzkirchen dienen. Dies ist nicht Aufgabe einer Kreisstraße.
- Die Nordumfahrung hat keinerlei Erschließungsfunktion:
Das Holzkirchner Gewerbegebiet ist über die B318 an die Autobahn A8 ange-schlossen. Das Neu-baugebiet Heignkamer Straße ist ausreichend erschlossen – sonst hätte es nicht ausgewiesen werden können. Die Straße soll durch Felder, Wiesen und Wälder, hauptsächlich entlang von Flurstücksgrenzen verlaufen.
Der Markt Holzkirchen trifft keinerlei Aussagen über die mittel- bis langfristige Nutzung zwischen Straße und Ortsrand.
- Holzkirchen wird hauptsächlich durch Ziel-, Quell- und Binnenverkehr belastet:
Der Anteil des Ziel-, Quell- und Binnenverkehr in Holzkirchen am werktäglichen Kfz-Aufkommen beträgt über 80 Prozent laut Gutachten (Quelle: Kurzak-Gutachten vom 8.1.2004, S. 38; hiernach ist der Anteil 88,03%; am Wochenende wurde der Verkehr nie untersucht). Dem kann durch Ortsumfahrungen auch keine Abhilfe geschaffen werden.
Kfz pro 24 Stunden laut Gutachten:
Binnenverkehr 18.900,
Quell-/Zielverkehr der Einwohner 16.200,
Quell-/Zielverkehr der Auswärtigen 18.600,
Durchgangsverkehr 7.300.
- Die Wirksamkeit der geplanten Umgehungsstraßen wurde bereits 1993 vom Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München bezweifelt:
„Betrachtet man vor diesem Hintergrund die prognostizierten Verkehrsbelastungen im Planfall P5, steht zu befürchten, daß sich die Situation in Holzkirchen eher verschlechtern dürfte“ [...] „das Ortsbild wird durch noch mehr ruhenden Verkehr eher verschlechtert, das Landschaftsbild wird durch die Umgehung-sstraßen beeinträchtigt“ [...] (Planungs-verband Äußerer Wirtschaftsraum München, Markt Holzkirchen, Verkehrskonzept, 1993, S. 8, bezogen auf das Kurzak-Gutachten von 1992).
- Die Nordumfahrung wird für lange Zeit nicht für LKW-Verkehr freigegeben werden können:
Die Straße hat ein Nadelöhr: die Bahnunterführung an der Heignkamer Straße. Hier ist die Straße über 5 to gesperrt; ein LKW-Begegnungsverkehr ist nicht möglich.
Die Gemeinde hofft darauf, daß die Bahn bald eine neue Unterführung bauen muß (die bestehende Unterführung ist gut 100 Jahre alt) und
diese auch weitestgehend finanziert bzw. auf die Gemeinde zukommende Kosten durch Zuschüsse aufgefangen werden können. Dies ist unseres Erachtens eine Fehleinschätzung und ein Verkennen der Regelungen des Eisenbahnkreuzungsgesetzes, so dass für diese neue Unterführung hohe Kosten auf die Gemeinde zukommen werden; mit entsprechenden Auswirkungen auf den Fertigstellungszeitpunkt.
- Die Nordumfahrung verstößt gegen das Bündnis zum Flächensparen:
Der Flächenbedarf der Straße steht in keinem Verhältnis zum erhofften Nutzen.
- Es ist kein Planfeststellungsverfahren vorgesehen, obwohl es sich um eine raumbedeutsame Maßnahme handelt:
Die Nordumfahrung soll als Kreisstraße gebaut werden, ist aber nicht Teil eines regionalen oder überregionalen Verkehrskonzeptes. Alternativen zur geplanten Trasse wurden nicht geprüft. Die Straße soll auf der Grundlage von Bebauungsplänen und einer Änderung des Flächennutzungsplans errichtet werden. Verkehrsgutachten sind unzureichend bzw. nachweislich mangelhaft.