50 Jahre Bürgerbewegung, 50 Jahre Reichswaldfest: Ein halbes Jahrhundert Einsatz für den Reichswald hat sich gelohnt
Wie in den vergangenen Jahrzehnten veranstalten der BUND Naturschutz und der Forstbetrieb Nürnberg zusammen mit vielen befreundeten Organisationen am 15. und 16. Juli 2023 das Reichswaldfest am Nürnberger Schmausenbuck als Kundgebung für den Walderhalt. Heuer jährt sich das erste Reichswaldfest zum 50. Mal. 1973 war die damalige Kundgebung der Auftakt einer der ersten großen Umwelt-Bürgerbewegungen Deutschlands unter dem Kampfruf „Rettet den Reichswald“.
Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BN und Initiator des ersten Reichswaldfestes: „Das erste Reichswaldfest vor 50 Jahren war der Auftakt einer bis dahin beispiellosen Aktion für die Rettung des größten großstadtnahen Waldgebietes Deutschlands, des Nürnberger Reichswaldes. Grundlage war das erste Reichswaldprogramm des BN von 1972. Der Reichswald war damals mit jährlich 300 ha Waldflächenverlust das gefährdetste Waldgebiet Deutschlands. Durch das Engagement der Bevölkerung des Ballungsraums wurde er durch Beschlüsse des Bayerischen Landtages 1972 vor der endgültigen Zerstörung gerettet und 1979 durch Rechtsverordnung zum ersten Bannwald Bayerns erklärt. Mit dem zweiten Reichswaldprogramm von 1980 wurde die Grundlage für den erfolgreichen Waldumbau vom „Steckerleswald“ zum heutigen Mischwald gelegt. Der Reichswald ist damit auch heute Beispiel erfolgreichen Bürgerengagements für die Natur in einer Demokratie.
„Die Erfolge des ökologischen Waldumbaus im Reichswald haben bayernweit Modellcharakter und sind nun bayernweit Standard im Staatswald “, so Johannes Wurm, Leiter des Forstbetriebes Nürnberg. „Das ist auch essentiell, wenn wir die Klimakrise und ihre Auswirkungen auf den Wald begrenzen wollen. Am konsequenten Klimaschutz führt aber kein Weg vorbei.“
Richard Mergner, Landesvorsitzender des BN: „Der Kampf um den Reichswald war auch ein Ringen gegen Eingriffe in den Waldbestand. Erst die Ausweisung des Sebalder, des Lorenzer und des Südlichen Reichswaldes als Bannwald hat die Planungen für Gewerbe- und Wohngebiete, für Straßenbau und Sandgruben reduziert. Und trotzdem brauchte es immer wieder mutige und engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich vor den Wald stellten, zuletzt erfolgreich beim geplanten ICE-Werk im Reichswald. Tausende Menschen haben in den letzten 50 Jahren Freizeit geopfert, ihnen ist die gesamte Region zu Dank verpflichtet.“
Die Verhinderung eines riesigen Rangierbahnhofes bei Schwanstetten im Reichswald, eines Panzerübungsplatzes bei Feucht oder des Nürnberger Ostzubringers mit Autobahnkreuz am Tiergarten sind große Erfolge der Bürgerbewegung Rettet den Reichswald. Auch die Rettung der Wälder südlich der Wiener Straße („Hafenindustriegebiet-Süd“), östlich Erlangen („Südumfahrung Buckenhof-Uttenreuth-Weiher“), bei Altdorf („Sandabbau Vogelherd“) oder bei Feucht und Harrlach („ICE-Werk“) gehören zu den großen Erfolgen. Zum Fest werden 70 Schilder für 70 Erfolge im Reichswaldschutz in den Farben der 1970er Jahre präsentiert.
Leider ist der Reichswald trotz Bannwaldausweisung, Ausweisung als europäisches Vogelschutzgebiet und Festlegungen im Waldfunktionsplan noch immer nicht vor Eingriffen bewahrt. Hier versagt die verantwortliche Politik, die auch den Vollzugsbehörden zu wenig Durchsetzungsfähigkeit gibt. Sie muss anerkennen, dass Bannwaldschutz heißt: Der Walderhalt hat Vorrang vor allen anderen Interessen. Viel höhere Schutzinstrumente haben wir für Wald eigentlich gar nicht.
„Der Reichswald wird für Nürnberg zur Überlebensgarantie. Trotz intensivster Anstrengungen beim Klimaschutz werden die bereits eingetretenen Klimaänderungen zu deutlich höheren Temperaturen und mehr gesundheitsgefährdenden Tropennächten führen. Ohne den Kühlschrank Reichswald wären wir schlimm dran“, so Klaus-Peter Murawski, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Nürnberg-Stadt.
Der BN fordert deshalb im Rahmen des Landtagswahlkampfes klare Aussagen der Parteien zur Stärkung des Bannwaldschutzes. Beim diesjährigen Reichswaldfest gibt es dazu am Sonntag eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion mit Vertretern der demokratischen Parteien im Landtag.
Aktuell kämpft der BN im Reichswald:
- für die Ausweisung der Ziegellach in Nürnberg am Flughafen als Naturschutzgebiet.
- zusammen mit dem Aktionsbündnis der Trassengegner gegen den Neubau der Juraleitung P53 quer durch den Reichswald mit Neubau Umspannwerk Ludersheim. Hier drohen Rodungen von 70 Hektar Wald.
- ganz aktuell gegen die Rodung von Reichswald im Erlanger Südgelände. Das Landschaftsschutzgebiet muss bleiben!
- gegen das geplante Gewerbegebiet Lauf-Süd.
- gegen etliche Sandabbauvorhaben.
- mit dem Bündnis Nein zur Nordanbindung gegen die geplante Nordspange zum Flughafen. Sie muss endlich raus aus dem Bundesverkehrswegeplan, nachdem die Stadt Nürnberg sie auch nicht mehr befürwortet.
- mit der BI Moosbach zum geplanten LKW-Parkplatz bei Moosbach an der A6. Hier ist Zeit gewonnen, da die Planung zurückgestellt wurde.
Programm / Angebote Reichswaldfest:
- Traditionell neben Bio-Bier und Bio-Limo auch Öko-Bratwurst, vegane Kost und Bio-Kuchen
- Zwei politische Reden, ein Reichswaldgespräch (Talk-Runde)
- Bayerische Kabarett-Kombo, Hans Well und die Wellbappn
- Führungen zum Leben im Reichswald
- Infoständen von etwa 20 Initiativen und Gruppen
- Geführte Radtouren aus Lauf, Röthenbach, Schwaig, Altdorf, Winkelhaid, Röthenbach b.St.W. und Feucht
- Geführte Wanderung mit MdB Tessa Ganserer (FAV)
Kinderprogramm:
- Wieder einmal gelang es dem BN, gerettete junge Biber für das Reichswaldfest zu bekommen. Einer wurde „Fuffi“ getauft als Maskottchen für fünfzig Jahre Bürgerbewegung für den Reichswald.
- Klettern auf riesigen Eichen unter fachkundiger Betreuung mit Helm und Seilen.
- Spannendes Wildbienenprogramm der BN-Jugendorganisation
- Märchenzelt
- Beim Imker kann man lebenden Bienen im Bienenstock bei ihrer Arbeit zugucken.
- Es gibt Terrarien mit Pflanzen und Tieren aus dem Reichswald.