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Tiere und Pflanzen

Agrarpolitische Beschlüsse der Landwirtschaftsminister in Brüssel bringen Bauernhöfe in Franken und Bayern auf die rote Liste

Bund Naturschutz und Bund Deutscher Milchviehhalter fordern echte Hilfe für Milchbauern und Kulturlandschaft

24.11.2008

Der Bund Naturschutz bewertet die Beschlüsse der europäischen Agrarministerkonferenz als verpasste Chance für einen Wandel in der EU-Agrarpolitik. „Statt endlich Fördermittel von agrarindustriellen Großbetrieben zu bäuerliche Betrieben umzuschichten treiben die Beschlüsse das „Wachsen und Weichen“ in der Landwirtschaft und das Preisdumping im Milchsektor voran“, so BN-Landesvorsitzender Hubert Weiger. Der Bund Naturschutz  befürchtet einen weiteren Strukturwandel bei den landwirtschaftlichen Betrieben in Bayern, wenn die Milchmenge jährlich um ein weiteres Prozent erhöht werden soll. „Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner sollten sich massiv für eine Mengenbegrenzung bei der Milchproduktion einsetzen“, so Weiger. Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner sei mit verantwortlich dafür, dass die ungerechte Geldverteilung der EU-Zahlungen nicht gekippt worden sei. So erhalte ein bäuerlicher Betrieb in Bayern je Arbeitskraft weiterhin rund 4.400 Euro im Jahr, in Mecklenburg-Vorpommern dagegen rund 17.000 Euro.

 

Die wenigen neu umgewidmeten Mittel aus der Agrarreform dürften nicht für weitere Stallneubauprogramme ausgegeben werden, mit denen die Tierbestände in Bayern immer größer werden und die Zahl der Bauern zurückgeht. Stattdessen müsse es Anreize für die Qualitätsmilcherzeugung geben, und nach dem Motto „Klasse statt Masse“ die Milcherzeugung auf Basis von Wiesenfutter und von Weidetieren unterstützt werden.

 

Auch der Bund Deutscher Milchviehalter (BDM) kritisiert die Beschlüsse. „Sie gehen völlig an der Realitäten des Marktes vorbei“, so Manfred Gilch, stellvertretender Landesvorsitzender des BDM aus Hilpoltstein, Landkreis Roth.

 

„Der Milchfonds soll als Schweigegeld für die Bauern dienen, in Wirklichkeit profitiert die Milchindustrie von den beschlossenen Maßnahmen: denn Investitionsanreize für Milchbauern ohne Mengenregulierung heizen die  Überproduktion weiter an. Die Milchkonzerne verdienen dann doppelt, da sie bei steigender Milchmenge den Preis weiter drücken können und so billige Rohstoffsicherung haben. Gleichzeitig fordern  die großen Milchkonzerne dann neue Exportsubventionen in der EU, um mit dieser subventionierten Übermilch neue Marktanteile in Drittländern zu erobern. Dieses drückt dann wieder zusätzlich auf den Weltmarktpreis und zerstört Märkte und Erzeugerstrukturen in diesen Entwicklungsländern, was auch seit Jahren aufs schärfste von vielen internationalen Hilfsorganisationen verurteilt wird“. so Manfred Gilch.

 

 

Forderungen für den Erhalt der  milcherzeugenden bäuerlicher Betriebe

 

Bund Naturschutz und der Bund Deutscher Milchviehhalter fordern, dass die Milchquote schnellstmöglich an die Nachfrage der Verbraucher angepasst wird. Damit die Milchbauern ihr Einkommen wieder vom Markt erwirtschaften können, muss ihnen zudem als Marktbeteiligten die Möglichkeit einer europäischen flexiblen Angebotssteuerung, ausgerichtet an die jeweilige Nachfrage, gewährt werden. Nur so können die Folgen unsinniger Überproduktion langfristig vermieden und für die Milchbauern kostendeckende Preise, und somit die Regionalität mit qualitativ hochwertiger Milch sichergestellt  werden.

 

Auch für den Milchmarkt gilt: Wenn die Nahrungsproduktion immer stärker an den  Weltmärkten ausgerichtet wird, werden die multinationalen Unternehmen immer stärker die Ernährung beherrschen und  Bauern, Bevölkerung und die Politik die Kontrolle darüber verlieren.

 

Der so genannte „Weltmarkt“ für Milch, der etwa 10 Prozent der weltweit erzeugten Milcherzeugnisse erfasst, ist künstlich geschaffen worden. Mit Hilfe von EU-Subventionen für Produktion von Trockenmilchpulver oder Kondensmilch und durch die Billigkonkurrenz der „Milchkonserven“ der EU wurden bereits Märkte in den Exportländern der EU, wie z.B. Indien ruiniert.

 

Eine Mengenbegrenzung bei der Milchproduktion und deren Ausrichtung an den Bedarf in Europa, ist eine berechtigte Forderung der europäischen Milchbauern und deren Verbänden, wie z.B. dem Bund Deutscher Milcherzeuger (BdM) www.bdm-verband.org oder dem European Milk Board (http://www.europeanmilkboard.eu/)

 

Der BN fordert den neuen bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner auf, die freigewordenen Geldmittel für die Unterstützung von Qualitätsmilcherzeugung zu verwenden, in Form einer Grasfütterungsprämie, und für eine Erhöhung der Beweidungsprämie im bayerischen Kulturlandschaftsprogramm.

 

Neuere Untersuchungen belegen klar, dass Milch, die mit Wiesenfutter statt mit Mais und gentechnisch verändertem Soja als Eiweißkomponente erzeugt wird, einen besseren gesundheitlichen Wert durch ernährungsphysiologisch höherwertige Fettsäurenzusammensetzung hat. Die Molkerei Berchtesgadener Land, die ihren konventionell wirtschaftenden  Landwirten bereits 43 Cent / Liter Milch zahlt, hat dies durch Untersuchungen nachgewiesen (http://www.molkerei-bgl.de/zerti_charts.html). Die entsprechenden Untersuchungen wurden in einem Forschungsvorhaben an der Universität in München Weihenstephan ermittelt (www.aktivdrei.de).

 

Hintergrund zu den EU Agrarreformbeschlüssen

 

Die Modulation, d.h. Umwidmung von Agrarzahlungen aus der Marktordnung in Mittel für ländliche Entwicklung  wird ab 2009 von 5% auf 10% in jährlichen Schritten bis 2012 angehoben.

 

Bei Großbetrieben greift erst ab einer Fördersumme von 300.000 € pro Betrieb eine verstärkte Umwidmung von 4%. Ursprünglich hatte die EU 2007 für diese Betriebe eine Umwidmung von 45% ihrer Mittel gefordert. Betriebe zwischen 100.000 und 299.999 € erhalten keine weiteren Abzüge. Es wurden auch keinerlei arbeitskraftbezogenen Komponenten für die Höhe der Zahlungen pro Betrieb eingeführt.

 

Die EU Mitgliedstaten müssen diese zusätzlichen Modulationsmittel in geringeren Umfang kofinanzieren: statt wie jetzt  50% bzw. ermäßigt mit 25% in so genannten strukturschwachen Regionen müssen lediglich  25% normal bzw.  10% in den strukturschwachen Regionen, das betrifft in Deutschland das Gebiet der neuen Bundesländer, bereitgestellt werden.

 

Milchquote: von 2009 bis 2013 ist jeweils eine einprozentige Erhöhung vorgesehen. Im Dezember 2010 und im Dezember 2012 wird auf Grundlage von Kommissionsberichten die Milchmengenerhöhung nochmals kritisch überprüft.

 

Cross Compliance: in Anhang III der Direktzahlungs-Verordnung wird als „optionaler Standard“ Anforderungen an die Fruchtfolgegestaltung, „angemessener Maschineneinsatz“ und Mindestbesatzdichte (!) bei Beweidungen aufgenommen.

 

Für Presserückfragen:

Marion Ruppaner, BN-Agrarreferentin

Tel. 0911/81 87 8-20, Fax 0911/86 95 68
E-Mail: marion.ruppaner@bund-naturschutz.de