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Bayerische Staatsforste auf dem Holzweg

Wald Bündnis zieht kritische Bilanz nach 1 Jahr Forstreform

26.06.2006

In den Erklärungen der Staatsregierung zur Forstreform wurde immer festgestellt, dass es nur darum gehe die Verwaltung zu reformieren und nicht den Wald und dass die Qualitätsstandards gleich blieben. Im neuen Waldgesetz wurde etliche Ziele zur ökologischen Verbesserung der Waldbewirtschaftung und sogar der Grundsatz "Wald vor Wild" aufgegriffen. Bei der Bilanz nach 1 Jahr Forstreform zeigen sich nun auf der einen Seite Verbesserungen, wie die erfreulich gestiegenen Investitionen für Pflanzungen, verstärkte Waldpflegemaßnahmen oder der Entwurf eines innovativen Artenschutzkonzeptes. Auf der anderen Seite zeichnet sich aber gleichzeitig ab, dass die Defizite und Fehlentwicklungen in vielen Bereichen eher zu- denn abnehmen. Deswegen fordert die Verbände im Wald Bündnis, dass die Gemeinwohlziele aus dem Waldgesetz vorbildhaft umgesetzt werden und dass keine Gewinnmaximierung, sondern eine "Schwarze - angestrebt wird, so wie es die Staatsregierung vorgegeben hat.

Flächige Abnutzungen bis hin zum Kahlschlag, verbreitete Verbissschäden und durch Großmaschinen zerfahrene Waldwege beginnen vielerorts schon heute die Waldbilder zu bestimmen. Das für die Waldqualität unverzichtbare Personal soll massiv abgebaut und statt dessen der Maschineneinsatz erheblich ausgeweitet werden, was zu erheblichen Schäden am Wald und Waldboden führt. Verantwortlich sind hierfür nicht die Förster vor Ort, die schon heute wegen der großen Arbeitsbelastung und der Vorgaben des Vorstandes vielfach ihr Forstrevier nicht mehr ausreichend kontrollieren können. Wegen der bevorstehenden Revier-Neuorganisation wagen es die Revierleiter verständlicherweise auch nicht, dagegen zu protestieren, weil sie ihre berufliche Zukunft nicht aufs Spiel setzen wollen. Verantwortlich für diese Fehlentwicklung sind die überzogenen Vorgaben des Vorstandes zu Gewinn und Maschineneinsatz, die dazu führen, dass das Holz möglichst billig und konzentriert mit Großmaschinen geerntet wird, was neben den Bodenschäden auch zu großen flächigen Abnutzungen führt. Das Wald Bündnis wird diese Fehlentwicklungen mit einem Schwarzbuch dokumentieren. Außerdem wird im Internet ein Forum für alle Bürgerinnen und Bürger geschaffen, in dem sie Positives wie Kritisches über ihren Staatswald berichten können. Das Wald Bündnis Bayern fordert, dass die Staatsregierung ihre Verantwortung wahrnimmt und korrigierend eingreift, damit die Ziele des bayerischen Waldgesetzes auch umgesetzt werden. Es darf nicht sein, dass der Finanzminister der eigentlich Forstminister wird und im Staatswald bestimmt, wo es lang geht. Kurzfristig erzielbare Gewinne können sich langfristig als hohe finanzielle Last für künftige Generationen erweisen, wenn sie aus unsachgemäßer Waldwirtschaft stammen. Die vom Vorstand der BaySF beschlossenen Konzepte und Ziele führen zwangsläufig langfristig zu weiteren Verschlechterungen bei der Erfüllung der Interessen aller Bürger. Die Negativbeispiele Waldmaut, Jagdverpachtung, Gewinnziele und Abbau der Forstreviere belegen dies, überdies stehen sie im Widerspruch zu den Vorgaben der Staatsregierung.
i.A. Dr. Ralf Straußberger, Geschäftsführer Wald Bündnis Bayern
Tel. 0911/81 87 8-21, Handy 0171/7381724

Hintergrundinformationen

Gewinnvorgabe: Schwarze oder Maximierung der Rendite?
Die Verbände im Wald Bündnis Bayern kritisieren, dass die Ziele der BaySF offensichtlich immer mehr von den Vorgaben und Versprechen der Staatsregierung abweichen. Die Staatsregierung gab in der Forstreformdebatte als Ziel für den Staatsforst eine schwarze vor (Erwin Huber, Deggendorfer Zeitung, 02.10.04: Gerade beim Forst ... strebe er eine schwarze an). Dieses Ziel ist nach in den letzten Jahren verstärktem Personalabbau bereits erreicht. Ein Gewinn von gut 4 Mio. € wird für das 1. Geschäftsjahr angestrebt und wegen der guten Holzpreise deutlich überschritten. Doch dies ist für die Vorstände der BaySF offensichtlich zu wenig: die aktuelle Umsatzrendite soll aufgrund Vorstandsbeschluss von derzeit 1,7 % nahezu verzehnfacht werden. Das Wald Bündnis Bayern fordert deshalb die Staatsregierung auf, dafür zu sorgen, dass ihre Zusagen und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Naturnahe Waldwirtschaft darf nicht durch organisatorische Vorgaben unmöglich gemacht werden, Die Aussage von Josef Miller in den Fürther Nachrichten (16.11.04) muß gelten: "Wir wollen nicht das Maximale an Gewinn herausholen, sondern den Gesamtnutzen optimieren."

ÖBF und skandinavische Forstbetriebe sind falsche Vorbilder!
Als "Vorbilder" für Bayern werden vom Vorstand der BaySF Forstbetriebe in Skandinavien und Österreich genannt, die hohe Umsatzrenditen erzielen. Wenn man diese hohen Gewinne einfahren will, dann muss man aber auch ehrlicherweise sagen, wie die Forstwirtschaft in Skandinavien oder bei den Österreichischen Bundesforsten (ÖBF) abläuft und mit welchen Folgen man hier rechnen muß. In Skandinavien bestimmen Wälder mit wenigen Baumarten und Großkahlschläge weithin die Landschaft, die Holzernte erfolgt fast ausschließlich mit Großerntemaschinen nach dem Motto: Intensivstforstwirtschaft auf der ganzen Waldfläche und kleinflächig unberührte oder naturnahe bewirtschaftete Wälder. Die Holzproduktion pro Flächeneinheit ist nämlich in den Nadelwäldern Skandinaviens viel geringer, aber durch die maschinelle Holzernte in ausgedehnten Kahlschlägen entstehen geringere Kosten. Daraus resultiert eine höhere Umsatzrendite, aber nicht notwendig ein höherer Ertrag pro Flächeneinheit, der eine sinnvollere Kennziffer wäre. Ähnliches versuchen die Österreichischen Bundesforste AG, die über 60 % ihrer Wälder im Kahlschlag oder mit flächigen Räumungen nutzen, sogar Schutzwälder werden kahl geschlagen. Die Jagden sind vielfach teuer verpachtet und hohe Wildbestände werden gehalten. Dementsprechend katastrophal ist der Verbiss durch Reh, Hirsch und Gams an den nachwachsenden Bäumchen, Nachhaltigkeit und Verjüngung naturnaher Wälder werden der kurzfristigen Rendite geopfert. Hochglanz-Broschüren und publikumswirksame Internet-Auftritte können daran nichts ändern.

Staatswaldförster sollen nicht auf die Rote-Liste
Im Rahmen der Forstreform haben die Staatsregierung und der Bayerische Landtag eine Einsparung der Revierförster von maximal 20 % in 15 Jahren und die Beibehaltung des Revierprinzips beschlossen. Davon ist nun keine Rede mehr. Im Rahmen des sogenannten "Nachhaltigkeitskonzeptes" soll die Zahl der Staatswaldreviere von derzeit 558 auf 330 radikal verringert werden, nachdem erst im Vorjahr die Forstämter als übergeordnete Einheit abgeschafft worden waren. Diese massive Streichung von 40 % der Revieranzahl bedeutet eine Vergrößerung der Reviere um etwa 70 % von durchschnittlich 1300 ha Waldfläche auf 2200 ha und übertrifft damit die schlimmsten Befürchtungen des Wald Bündnisses. Eine verantwortungsvolle forstliche Betreuung ist damit nicht mehr möglich, wichtige Aufgaben müssen an Kräfte ohne Orts- und womöglich geringer Sachkenntnis verlagert werden oder unterbleiben. Die Folgekosten werden enorm sein, sie sind nicht zu verantworten. So kostet den Freistaat Bayern z.B. die technische Sanierung geschädigter Schutzwälder im Gebirge bis zu 500.000 € pro Hektar. Die jährlichen Kosten für einen Förster und einige ständig beschäftigte und erfahrene Waldarbeiter, die den Bergwald pflegen, Wildbestände kontrollieren und ggfs. Holz ernten, liegen dagegen unter 100 € pro Hektar.

Entgegen der Vorgabe von Forstminister Miller werden sensible Gebiete verpachtet
Ohne das neue Jagdkonzept abzuwarten und ohne die bisherigen qualitativen Defizite in den verpachteten Staatsjagden abzuschaffen, haben die BaySF etwa 20.000 ha an Staatswald neu verpachtet. Das Wald Bündnis Bayern kritisiert, dass darunter auch eine Reihe sensibler Gebiete sind wie z.B. Moore, hochrangige Schutzgebiete, Rotwildgebiete, Waldumbauflächen, Hochgebirgswälder. Forstminister Josef Miller hat im Rahmen der Debatte zum Volksbegehren aber zugesichert, dass sensible Gebiete nicht verpachtet werden. Um den Grundsatz "Wald vor Wild" einzuhalten, sollten diese Bereiche in Eigenregie der Staatsförster bejagt werden. Aufgrund des Protestes wurde die ursprüngliche Verpachtungsfläche von fast 23.000 ha etwas reduziert und die Jagd auf Wasservögel ausgenommen. Von der Verpachtung sensibler Bergwälder und Hochlagen wollen die Staatsforste aus finanziellen Gründen nicht abrücken, obwohl hier der waldschädliche Verbiss vorprogrammiert und unabsehbare Folgeschäden unausweichlich sind.

Waldmaut verhagelt Start der BaySF
Die Staatsregierung hatte noch während des Volksbegehrens "Aus Liebe zum Wald" vehement abgestritten, dass es zu einer Waldmaut kommt. Doch die Forstreform war noch kein halbes Jahr alt, da wurden Sportvereine, Verbände, Rettungshundestaffeln, u.a.m. abkassiert, genauso wie es während des Volksbegehrens befürchtet wurde. Anstatt einzuschreiten ließ der Vorstand den Betrieben freie Hand, landesweit griff die Presse die örtlichen Proteste auf. Nur aus diesem Grunde griff Landwirtschaftsminister Josef Miller als Vorsitzender des Aufsichtsrates ein, der neue Vorstand mußte einen Rückzieher machen. Damit wird auch ersichtlich, dass nur öffentliche Proteste und die Presse die BaySF auf ihre Aufgaben und Ziele als Anstalt des Öffentlichen Rechts verpflichten und radikalen neoliberalen Auswüchsen vorbeugen können.

Bedenkliche Entwicklungen im Privatwald
Im Privatwald mehren sich die Meldungen über unpflegliche Waldwirtschaft, zerfahrene Waldwege und Kahlschläge. Manche Waldbesitzervereinigungen sind mit zusätzlichen Aufgaben in Holzeinschlag und -vermarktung offensichtlich überfordert. Es kommt zu massiven Bodenschäden, Waldbestände werden flächig befahren, Planung und Kontrolle sind nicht vorhanden bzw. wirkungslos. Einzelne Waldbesitzervereinigungen raten ihren Waldbauern sogar zum Kahlschlag, weil sich dann der Maschineneinsatz besser rentiere. Anderswo finden starke Lichtungshiebe ohne gesicherte Vorausverjüngung statt, um die Kosten für die Pflanzung wie nach Kahlschlag vorgeschrieben einzusparen. Das neue Konzept mit an die Waldbesitzervereinigungen abgestellten Beratern, Reduzierung der staatlichen Beratung auf Gemeinwohlorientierung, gesonderter Qualitätskontrolle hat offensichtlich zu weitreichenden Effizienzverlusten geführt, von der Demotivierung vieler Mitarbeiter ganz abgesehen. Die politisch gewollte Eingliederung in die Agrarverwaltung hat die Unabhängigkeit der früheren Forstämter von Bauernverband und Agrarlobby beendet, ohne relevante Fördermittel für die Forstwirtschaft bereitzustellen. Damit ist die über 3 Jahrzehnte außerordentlich erfolgreiche "hofgerechte" Beratung und forstliche Förderung des Privat- und Körperschaftswaldes in eine tiefe Sinnkrise geraten. Die Waldbesitzervereinigungen kennen bislang ausschließlich am Holzaufkommen orientierte Finanzierungsmodelle. Damit werden letztlich Großsägewerke gefördert, die Interessen der kleineren Waldbesitzer und der Allgemeinheit bleiben auf der Strecke.

Entwicklung im Körperschaftswald ungewiß
Für den Körperschaftswald, der in Unterfranken größere Bedeutung hat, ist noch nicht absehbar, wie künftig Betriebsleitung und Betriebsausführung durch die Forstverwaltung gestaltet wird und wie sich das auf die konkrete Waldbewirtschaftung auswirken wird.