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Tiere und Pflanzen

Bayernweit steigende Wildschäden in Millionenhöhe

BN und ÖJV fordern von Behörden und Jägern höhere Abschüsse

06.11.2006

Das aktuelle Vegetationsgutachten der Forstverwaltung belegt, dass die Verbissschäden an jungen Waldbäumen durch Rehe und Hirsche auf ein erschreckend hohes Niveau gestiegen sind. In über 70 % der Hegegemeinschaften Bayerns ist die Verbissbelastung nicht tragbar, überhöhte Wildbestände fressen immer mehr die nachwachsenden Bäumchen auf. Dies zeigt, dass es in weiten Teilen Bayerns nicht gelingt, die gesetzlichen Vorgaben "Wald vor Wild" umzusetzen. Die Waldwirtschaft wird nach wie vor untragbar beeinträchtigt. Der Bund Naturschutz (BN) und der Ökologische Jagdverband (ÖJV) fordern deshalb von den Jagdbehörden höhere Abschüsse festzusetzen und von Jägern dies auch zum Wohle des Waldes umzusetzen.

Millionenschwere Schäden für Waldbesitzer
Durch die immensen Verbissschäden werden Naturverjüngungen und hohe Investitionen in nachwachsende Mischwälder zunichte gemacht. Nach einer vorsichtigen Schätzung müssen die Waldbesitzer in Bayern Jahr für Jahr Schäden und Mehrkosten durch Schalenwild in zweistelliger Millionenhöhe hinnehmen, deutschlandweit sind dies etwa ¼ Milliarde Euro. Daraus errechnen sich für jeden Hektar Wald Schäden, Kosten und Mehraufwendungen von 25 Euro pro Jahr. Dadurch wird die Forstwirtschaft ganz erheblich belastet, wie Vergleichszahlen aus dem Testbetriebsnetz Bayern für 2004 zeigen. Danach verursachen überhöhte Schalenwildbestände finanzielle Einbußen, die etwa die Hälfte des Gewinns privater Forstbetriebe bzw. sogar das 2,5-fachen des Gewinns in Körperschaftswäldern ausmachen. Statt Mischwälder wachsen oft nur Nadelholzmonokulturen nach, weil Fichte bzw. Kiefer weniger verbissen werden. Die Artenvielfalt und Stabilität der Wälder sind dadurch gefährdet. Aufgrund der aktuellen Borkenkäferkatastrophe und der verbreiteten Kiefernreinbestände wären in Mittelfranken geringere Rehbestände eine zwingende Voraussetzung, damit Mischwälder aufwachsen können. Gerade hier ist die Verbissbelastung aber besonders hoch.

Grundsatz Wald vor Wild muss erst noch Wirklichkeit werden
Die massiven Schäden durch den Verbiss von jungen Waldbäumen durch Rehe und Hirsche sind für die Zukunft der Wälder alarmierend und zeigen, dass der Grundsatz Wald vor Wild nur auf dem Papier steht. Der Grundsatz Wald vor Wild besagt, dass alle heimischen Baumarten im wesentlichen ohne besondere Schutzmaßnahmen aufwachsen können müssen.

Erhalt und Stärkung des Gutachtens notwendig
Der BN und der ÖJV fordern, das Vegetationsgutachten zu stärken und dessen Ergebnisse konsequent bei der Abschussplanung umzusetzen. "Wir brauchen zumindest in den Problemzonen mit nicht tragbarer Verbissbelastung eine höhere Stichprobendichte, damit wir Ergebnisse zum Verbiss in den einzelnen Jagdrevieren bekommen," fordert Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN. Dies würde auch die Akzeptanz des Gutachtens bei den Jägern und den Waldbesitzern erhöhen. Da vielerorts z.B. die Weißtanne schon aufgefressen wird, bevor sie überhaupt erfasst wird, sind ebenfalls in den o.g. Problemzonen kleine Weiserzäune zu errichten. Anhand dieser bis etwa 10 m x 10 m großen Zäune kann z.B. bei gemeinsamen Waldbegängen von Waldbesitzern und Jägern sehr gut beobachtet werden, welche Baumarten wie schnell ohne Verbiss hoch wachsen können. Für den Staatswald sind die Ergebnisse des zusätzlichen Verbissaufnahmeverfahrens (sog. Traktverfahren) der Bayerischen Staatsforsten detailliert zu veröffentlichen und den zuständigen Ämtern zur Verfügung zu stellen.

Spitze des Bayerischen Landesjagdverbandes will Gutachten abschaffen
Anstatt die Mißstände überhöhter Wildbestände anzugehen und an die BJV-Mitglieder zu appellieren, die überhöhten Rehwildbestände abzubauen, forderte der Vorsitzende des Bayerischen Landesjagdverbandes (BJV) Jürgen Vocke das Gutachten abzuschaffen. Übertragen auf die Schule erfolgt dies offensichtlich getreu dem Motto: wenn die Versetzung gefährdet ist, lösen die betroffenen Schüler das Problem, indem sie die Abschaffung der Benotung fordern. Die Vorschläge des Vorsitzenden des Landesjagdverbandes Jürgen Vocke, das Verbissgutachten abzuschaffen, sind aber vor dem Hintergrund der immensen Schäden völlig abwegig. "Wir brauchen ein objektives Gutachten, das die Stellung der Waldbesitzer stärkt und uns Jägern klar zeigt, wo wir uns mehr engagieren müssen", so Hans Webersberger, stellvertretender Vorsitzender des ÖJV Mittelfranken. "Auch wenn die Spitze des bayerischen Landesjagdverbandes nicht müde wird, das Vegetationsgutachten schlecht zu reden, bleibt es ohne Alternative", so Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN. "Auf staatlich angeordnete Trophäenschauen, auf denen alle Jäger Bayerns per Gesetz verpflichtet sind jährlich ihre Trophäen auszustellen, können wir dagegen gut verzichten, weil diese dem Wald und den Waldbesitzern nicht helfen, sondern schaden."

BN und ÖJV fordert effektivere Bejagung
Der BN und der ÖJV fordern als Konsequenz aus diesen alarmierenden Ergebnissen effektivere Jagdmethoden, damit nicht nur die Abschüsse auf dem Papier erhöht, sondern auch tatsächlich realisiert werden. Die Jagdzeiten auf Rehböcke sind endlich den Jagdzeiten des weiblichen Rehs anzugleichen, damit Drückjagden auch erfolgreich durchgeführt werden können. "Als sehr effektiv haben sich auch Bewegungsjagden mit Hunden erwiesen," berichtet Hundeführer Hans Webersberger. Da die Jagd im Januar oftmals sehr erfolgversprechend sein kann, sollte die erst vor wenigen Jahren verkürzte Jagdzeit wieder bis Ende Januar ausgedehnt werden. Dafür könnte die Jagd in Zeiten ruhen, in denen kaum Rehe erlegt werden können. Damit die Abschusspläne flexibel gehandhabt werden können, sind sie als Mindestabschusspläne festzusetzen. So können die Abschusszahlen auch unbürokratisch erhöht werden. Statt mehr Jagdbürokratie muss wieder mehr Wald- und Jagdsachverstand zum Tragen kommen.