BN kritisiert Anlage in Straubing und fordert bayernweites Moratorium
Der BUND Naturschutz in Bayern (BN) fordert die bayerische Staatsregierung auf, durch geeignete Maßnahmen ein sofortiges Moratorium, also den Stopp aller derzeitigen Planungen und Genehmigungsverfahren zur Schaffung weiterer Klärschlammverbrennungsanlagen, zu erreichen. Anlass ist die geplante Klärschlammverbrennungsanlage in Straubing. Der BN hat hier im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens umfangreiche Einwendungen vorgebracht und diese am vergangenen Mittwoch vor Ort mit der Regierung von Niederbayern erörtert.
„Wir brauchen in Bayern nachhaltige Lösungen für die Behandlung und Verwertung von Klärschlamm – mit geschlossenen Stoffkreisläufen, einer Minimierung der Schadstoffbelastung für Anwohner und Umwelt sowie echter Klimaneutralität“, erklärt der Landesbeauftragte des BUND Naturschutz Martin Geilhufe. „Mit dem Bau von Klärschlammverbrennungsanlagen in ganz Bayern können diese Ziele nicht erreicht werden. Und wenn die Verbrennungsanlagen einmal genehmigt und gebaut sind, ist es zu spät, um auf nachhaltigere Verfahren umzustellen“, ergänzt Waltraud Galaske, Sprecherin des BN-Landesarbeitskreises Abfall. „Durch die zahlreichen aktuellen Planungen in Bayern drohen sogar Überkapazitäten.“
Deutliche Überkapazitäten drohen auch mit der jetzt geplanten Klärschlammverbrennungsanlage in Straubing. Dort soll mit einer Kapazität von 40.000 Tonnen Trockensubstanz kommunaler und kommunalähnlicher Klärschlamm pro Jahr verbrannt werden. Dies ist mehr als der Bedarf von ganz Niederbayern (laut schriftlicher Anfrage: 25.000 t pro Jahr, siehe Anhang). Der BN geht davon aus, dass die Anlage entsprechend ein sehr großes Einzugsgebiet plant, das über Niederbayern weit hinausgehen dürfte. Zugleich beginnt derzeit der Bau einer weiteren Anlage in Breitenhart bei Mallersdorf (Landkreis Straubing-Bogen). Andreas Molz, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Straubing-Bogen fordert die Regierung von Niederbayern auf, die strittige Klärschlammverbrennungsanlage Straubing vorerst nicht zu genehmigen „Es sind viel zu viele Fragen ungeklärt.“
Hintergrund für die hohe Antrags- und Bauaktivität bei Klärschlammverbrennungsanlagen ist die Pflicht für die Betreiber von Kläranlagen ab 2029 (Großanlagen) und ab 2032 (mittlere Anlagen) Phosphor rückzugewinnen. Das Verfahren, Phosphor aus der Asche rückzugewinnen, wird derzeit als einfachste Lösung propagiert. „Dabei wird bei der Verbrennung von Klärschlamm eine Vielzahl von Schadstoffen in die Umwelt abgegeben. Gewässer können belastet werden. Außerdem kann es zu einer Anreicherung von umweltschädlichen Stoffen in Böden, Pflanzen oder Tieren kommen“, unterstreicht Peter Hirmer, Sprecher des BN-Landesarbeitskreises Wasser.
Folgende zentrale Aspekte haben zu der Bewertung des BN geführt:
- Klärschlammverbrennung ist nicht schadstoffneutral. Über Stäube und Abgase gelangen Schadstoffe in die Luft.
- Klärschlammverbrennung ist klimaschädlich, sie setzt Klimagase frei. Zudem ist die CO2-Bilanz für den Gesamtprozess negativ.
- Klärschlammverbrennung verhindert die Rückführung wertvoller Rohstoffe wie Stickstoff, Kalium, Magnesium und Huminstoffe in den Nährstoffkreislauf.
- Klärschlammverbrennung ist nicht dezentral umsetzbar und erzeugt deswegen zusätzlichen CO2-Ausstoß und zusätzliche Verkehrsbelastung in den Regionen, in denen die Anlagen gebaut werden.
- Für das Phosphor-Recycling aus Klärschlammasche ist noch kein wirtschaftlich konkurrenzfähiges Verfahren nachgewiesen.
- Die Pflanzenverfügbarkeit des Phosphors aus der Asche ist noch nicht einschätzbar.
Deshalb fordert der BN die bayerische Staatsregierung auf:
- Stellen Sie eine landesweite Planung zur Verwertung von Klärschlämmen unter Beteiligung der Öffentlichkeit auf. Berücksichtigen Sie dabei auch Faktoren wie Herkunft der Klärschlämme, Transportkonzept, Klimawirksamkeit, Umweltverträglichkeit, usw.
- Legen Sie ein Programm für die Entwicklung und Förderung von innovativen Abwassersystemen auf.
- Setzen Sie sich für die konsequente Vermeidung von Schadstoffeinträgen in den Abwasserstrom ein.
- Durch Separierung oder Reinigung am Ort des Abwasseranfalls.
- Durch verschärfte Zulassungsverfahren für neue Stoffverbindungen und ein Einleitungsverbot von nicht abbaubaren Stoffen.
- Durch Regelungen zur Medikamentenrücknahme oder zur Rezeptpflicht für bisher rezeptfreie, umweltschädliche Arzneimittel (z. B. Diclofenac).
- Durch Beteiligung der Hersteller an den Beseitigungskosten von Schadstoffen und schadstoffbelasteten Klärschlämmen.
- Setzen Sie sich aktiv und intensiv für eine durchgängige Ökologisierung der Landbewirtschaftung, des Einkaufs- und Konsumverhaltens ein. Dazu soll die gesamte „öffentliche Hand“, inklusive der mittelbaren Staatsverwaltung, zu einer durchgängig umfassenden vorbildhaft ökologischen und fairen Praxis bei Einkauf, Beschaffung und Vergabe verpflichtet werden.
- Setzen Sie sich für die landwirtschaftliche Verwertung von unbedenklichen Klärschlämmen ein.
- Prüfen und fördern Sie innovative Verwertungsmöglichkeiten für Klärschlämme, die nicht mehr für die landwirtschaftliche Verwertung geeignet sind.
- Fordern Sie für bestehende Anlagen zur Klärschlammverbrennung oder zur Mitverbrennung von Klärschlamm bis zur Realisierung von Kreislauflösungen jeweils die „best verfügbare Technik“ zur Verminderung von Schadstoffausträgen.
- Setzen Sie sich dafür ein, dass die Planung und der Betrieb der Klärschlamm-Entsorgung in öffentlicher Hand bleibt.
Dem BN sind derzeit Planungen für Klärschlammverbrennungsanlagen an folgenden Standorten bekannt: Gersthofen (Lkr. Augsburg), Straubing, Breitenhart (Lkr. Straubing-Bogen), Schweinfurt, München, Ingolstadt, Großheirath (Lkr. Coburg), Zolling (Lkr. Freising).