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Bund Naturschutz und Bürgerinitiative reichen Klage gegen zweitgrößte Müllverbrennungsanlage Bayerns in Ettringen ein

26.11.2010

Trotz Überkapazitäten in der Müllverbrennung genehmigte das Landratsamt Unterallgäu kürzlich den von der Firma Gebr. Lang in Ettringen beantragten Bau der zweitgrößten Müllverbrennungsanlage Bayerns. Diese soll unter anderem mit Gewerbemüll, sog. Ersatzbrennstoffen (EBS) und Klärschlamm betrieben werden, die über weite Strecken nach Ettringen transportiert werden müssen. „Die Genehmigung ist ein massiver Rückschritt in der bayerischen Abfallwirtschaft, da in dem Gewerbemüll noch viele recyclebare Wertstoffe enthalten sind.“ klagt Prof. Dr. Hubert Weiger, der BN-Landesvorsitzende. „Auch die Verbrennung von Klärschlämmen ist im Sinne eines ökologischen Stoffkreislaufes unverantwortlich.“

Zudem entspricht die Abgasreinigung nicht dem aktuellen Stand der Technik. „So wird die umliegende Bevölkerung mit unnötigen Risiken konfrontiert“, ergänzt Karlheinz Hiesinger, Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative Gesundes Wertachtal.

Der Bund Naturschutz kämpft jetzt schon seit fast 3 Jahren Seite an Seite mit der Bürgerinitiative „Gesundes Wertachtal e. V.“ gegen dieses unsinnige Projekt. Höhepunkt war dabei sicherlich der Erörterungstermin im Mai und Juli letzten Jahres, in dem knapp 11.000 Einwendungen gegen das Vorhaben behandelt wurden. Nun hat das Landratsamt Unterallgäu die Genehmigung für das Kraftwerk erteilt. „Da die vielen berechtigten Einwände und Befürchtungen hinsichtlich gesundheitlicher Gefahren , die von der Anlage ausgehen, als „unbegründet“ abgelehnt wurden, halten wir es für unerlässlich den Genehmigungsbescheid vor Gericht anzufechten“, erklärt Reiner Krieg, Vorsitzender der BN-Kreisgruppen Memmingen-Unterallgäu die Motivation für die Klage. Der Prozess wird vom Bund Naturschutz Landesverband in Kooperation mit der Bürgerinitiative „Gesundes Wertachtal“ und den BN-Kreisgruppen Unterallgäu, Ostallgäu und Augsburg geführt. Desweiteren reichen vier betroffene Privatpersonen mit Unterstützung der BI Klage ein.


Der Bund Naturschutz in Bayern e. V. setzt sich seit Jahrzehnten für Abfallvermeidung und Abfallverwertung ein. Durch intensive Aufklärung der Bevölkerung und neue gesetzliche Rahmenbedingungen, wie die Verpackungsverordnung, konnte die Recycling-Quote in Bayern von 30 % im Jahr 1988 auf mittlerweile über 70 % gesteigert werden. Tausende Arbeitsplätze sind dadurch in Bayern entstanden. Auch in Sachen Müllvermeidung wurden große Fortschritte erzielt, die ursprünglich prognostizierten Steigerungsraten bei den Müllmengen wurden nie erreicht.

Doch die Verfechter einer ökologische orientierten Abfallwirtschaft stehen aktuell vor einer neuen Herausforderung.
Statt kommunaler Müllverbrennungen werden deutschlandweit in großem Umfang von der Industrie Ersatzbrennstoff-Kraftwerke geplant und gebaut. Bei Ersatzbrennstoffen (EBS) handelt es sich um aufbereiteten, heizwertreichen Haus- und Gewerbemüll. Aussagen der Kraftwerksbetreiber, die Ersatzbrennstoffe seien durch die Vorbehandlung weitgehend von Schadstoffen befreit, sind so nicht korrekt. Zwar sorgt die Vorsortierung weitgehend dafür, dass beispielsweise keine Batterien oder Arzneimittel im EBS enthalten sind. Der oft sehr hohe Anteil an Chlor und Kupfer - in Ettringen dürfen in einem Kilogramm EBS z. B. 15 g Chlor und 2,5 g Kupfer enthalten sein – zeigt aber, dass es sich keinesfalls um einen „sauberen“, zur Energieerzeugung geeigneten Brennstoff handelt.
Außerdem sind vor allem die enthaltenen Kunststoffe zum Verbrennen viel zu schade. Es handelt sich um Wertstoffe, die unbedingt durch Recycling wieder dem Stoffkreislauf zugeführt werden müssen. „Auf Grund des Preisdrucks von Gewerbemüllverbrennungs-anlagen mussten bereits Gewerbemüllsortieranlagen, die dem Recycling dienen, schließen“, bedauert der Vorsitzende des BN-Arbeitkreises Abfall Gernot Hartwig.

Der Bund Naturschutz kritisiert vor allem auch die vom Landratsamt Unterallgäu genehmigte „billigst“-Rauchgasreinigung (SNCR, Trockensorption mit Gewebefilter), die nicht dem aktuellen Stand der Technik entspricht.
In den kommunalen Müllverbrennungsanlagen wurden aufgrund der kritischen Haltung der Bevölkerung zu Müllverbrennungsanlagen seit 1990 aufwendige und teure Filteranlagen installiert, die in der Lage sind die Grenzwerte der 17. BImSchV deutlich zu unterschreiten. „Es ist ein Skandal, dass dem stofflichen Recycling und den kommunalen Anlagen mit deutlich besserer Filtertechnik nun durch die Konkurrenz der industriellen EBS Kraftwerke  der heizwertreiche Brennstoffanteil im Müll entzogen wird, was bei letzteren zu einer geringeren Stromerzeugung und evtl. sogar zur Notwendigkeit der Zufeuerung mit Öl oder Gas führen kann“, kritisiert Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter die Ettringer Planungen.
Die Entsorgungskosten in kommunalen Müllverbrennungen werden sich dadurch erhöhen – zahlen müssen dies die Bürger dann durch höhere Müllgebühren. Den Profit streichen aber die Betreiber der EBS Kraftwerke ein.
Genauso kritisch wie der Verbrennung von Ersatzbrennstoffen in der Industrie steht der Bund Naturschutz der Verbrennung von Klärschlamm gegenüber. Ziel muss die Verwertung des Klärschlammes im Sinne eines geschlossenen Stoffkreislaufes sein. Es gibt ernstzunehmende Prognosen, nach denen wir ab Mitte des 21. Jahrhunderts weltweit mit einem massivem Phosphatmangel in den Böden zu rechnen haben. Die Nährstoffe (u.a. Phosphat) müssen dem Boden wieder zurückgegeben werden. Dazu muss die Schadstoffbelastung der Klärschlämme weiter reduziert werden.
Die Firma Lang beantragt in Ettringen die Verbrennung von 40.000 t kommunalem Klärschlamm pro Jahr und wirbt dabei damit, dass dieser Klärschlamm die strengen Grenzwerte der Klärschlammvorordnung für die Ausbringung auf die Felder noch deutlich unterschreiten muss. Das bedeutet, dass für die Landwirtschaftliche Nutzung geeigneter Klärschlamm der notwendigen Kreislaufwirtschaft entzogen wird.
Die ökologisch absolut unsinnige Verbrennung von Klärschlamm ist für die Firma Lang äußerst lukrativ.

Der Bund Naturschutz sieht sich durch die Einreichung der Klage als Anwalt für die 11.000 Bürger, deren Einwendungen im Genehmigungsbescheid völlig unzureichend berücksichtigt wurden. „Als anerkannter Naturschutzverband ist der Bund Naturschutz berechtigt, die Interessen der Bevölkerung vor Gericht zu vertreten“ erläutert Peter Rottner, BN-Landesgeschäftsführer die Rechtsposition des BN in diesem Verfahren.
Insbesondere muss die von der Anlage ausgehende Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch die immensen Schadstoffemissionen in Luft, Boden und Wasser gerichtlich überprüft werden. Außerdem muss durch eine sorgfältige und neutral ausgearbeitete Umweltverträglichkeitsprüfung die Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Produktion sowie der Tier- und Pflanzenwelt geprüft werden.
Auch wurde die Vorbelastung des geplanten Standortes nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Untersuchung ist unerlässlich um eine genaue Belastungsprognose für die Anlage zu erstellen.


Chronologie Müllverbrennung Ettringen :

  • 3.1.2008 Fa. Lang beantragt Genehmigung für ein neues Kraftwerk bestehend aus einem Gaskraftwerk und einem sog. EBS-Reststoffkessel
  • Jan/Feb 2008– Auslegung der Antragsunterlagen
  • 4.3.2008 – 3500 Einwendungen gegen das Projekt werden im Landratsamt eingereicht
  • 4.4.2008 Gründung der BI Gesundes Wertachtal als Zusammenschluss der lokalen Bürgerinitiativen
  • 8.5.2008 Kurz vor dem geplanten Erörterungstermin im Juli 2010 zieht Lang den Antrag zurück und gibt bekannt, dass das Kraftwerk neu an einem anderen Standort auf dem Firmengelände geplant wird. Die Feuerungswärmeleistung des Reststoffkessels wird von 80 MW auf 55 MW reduziert
  • 6.2.-5-3.2009 Neuer Genehmigungsantrag der Fa. Lang wird öffentlich ausgelegt.
  • Insgesamt fast 11.000 Einwendungen werden eingereicht
  • 7.6.2009 Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gegen das Kraftwerk. Nach der massiven Mobilisierung aller Mitarbeiter durch die Fa. Lang fällt der Bürgerentscheid „pro Lang“ aus.
  • 25.-29.5.2009 Anhörungsverfahren in Mindelheim – aufgrund der vielen Einwendungen muss ein zweiter 3-tägiger Termin im Juli 2009 angesetzt werden (7.7.-9.7.2009).
  • Auf insgesamt 4 Großdemonstrationen zeigt die Bevölkerung ihren massiven Widerstand gegen das Projekt, die letzte Demo fand am 13.11.2010 in Ettringen statt
  • Oktober 2010 – es erfolgt die Genehmigung durch das Landratsamt Unterallgäu


Weitere Informationen finden sie unter www.gesundes-wertachtal.de

Für Rückfragen
Thomas Frey
BN-Regionalreferent für Schwaben
Tel: 089-548298-64 oder 0160-95501313
thomas.frey@bund-naturschutz.de

Karlheinz Hiesinger
Vorstandsmitglied Bürgerinitiative „Gesundes Wertachtal“
Tel: 0176-52509543