Dezentralität fehlt im Energiekonzept Deutschland. Versorgungssicherheit mit Windstrom, Sonnenstrom und Kraft-Wärme-Kopplung.
"Dezentralität ist ein Kernelement der Energiewende und sowohl für den Atomausstieg als auch für den Klimaschutz von großer Bedeutung. Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und bringt tiefgreifende Veränderungen für unsere Gesellschaft mit sich", so Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern. "Um diese historische Aufgabe zu stemmen sind folgende Elemente wesentlich: eine möglichst breite Akzeptanz, die Finanzierbarkeit, eine weiterhin hohe Versorgungsqualität sowie die politische und wirtschaftliche Teilhabe - möglichst vor Ort", fordert Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender der N-ERGIE Aktiengesellschaft Nürnberg.
Das aktuelle Energiekonzept der Bundesregierung inklusive der aktuellen Netzentwicklungspläne und der bekannten HGÜ-Leitungen scheint jedoch weiterhin auf zentralistische Großstrukturen zu setzen und positioniert Deutschland als Kernstück eines großen transeuropäischen Stromverteilnetzes. Dieses Konzept führt langfristig direkt zu einer Gefahr für die Energiewende weil es die Zukunft der Refinanzierbarkeit von Wind- und Sonnenstrom aber auch dezentrale Optionen, z.B. zur Flexibilität durch Kundenlastmanagement oder Speicherlösungen, in Frage stellt.
Die Wirkung von dezentralen Lösungsoptionen gegenüber den großen transeuropäischen Ansätzen wurde bislang weder im deutschen Energiekonzept noch in der europäischen Planung zur angestrebten Energieunion hinreichend untersucht. "Wir fordern daher eine Überprüfung der HGÜ-Leitungen, der aktuellen Netzplanung und des deutschen Energiekonzepts auf Fragen der Dezentralität. Daran anknüpfend erwarten wir, dass das deutsche Energiekonzept von 2010 / 2011 überarbeitet und einer öffentlichen strategischen Umweltprüfung nach EU-Richtlinien unterzogen wird", so Richard Mergner, Landesbeauftragter des BUND Naturschutz in Bayern. Diese muss eine Alternativenprüfung beinhalten, die im Detail und transparent analysiert, welchen Beitrag Energiesparen, Energieeffizienz, dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung und ein dynamischer Ausbau der erneuerbaren Energien auch in Süddeutschland zur Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme beitragen kann. Diese Analyse fehlt bisher.
Erforderlich ist eine volkswirtschaftliche Abwägung, die mögliche Risiken für den dezentralen Ausbau von Wind- und Sonnenstrom erfasst und alle Teilaspekte prüft, unter anderem auch Fragen der Refinanzierbarkeit. Außerdem ist zu überprüfen, welche Risiken von den HGÜ-Leitungen auf die lokale und regionale Wirtschaftlichkeit von Windenergie und Sonnenstrom ausgehen. Und es ist zu prüfen wie hierbei auch vor Ort an den jeweiligen Last- und Verbrauchsschwerpunkten Flexibilitätsoptionen, Speicher- und Residualkapazitätsbereitstellungen genutzt werden könnten.
Dezentralität muss als Ansatz untersucht werden, der Lasten und Leistungen, also Bedarfe der Verbraucher und Angebote der Produzenten und Händler regional für die Güter Strom und Wärme erfasst, gegenüberstellt und ausgleicht. Dezentralität wird daher für urbane Zentren wie Nürnberg anders beschrieben als für Landkommunen und für industrielle Produktionen anders als für lokales Gewerbe oder Wohnsiedlungen.
Das Energiewirtschaftsgesetz in Deutschland definiert dezentrale Energieanlagen als an das Verteilernetz angeschlossene Verbrauchs- und Last-nahe Erzeugung. Die dezentrale Energiewende hat also sowohl eine politische und gesetzliche Basis als auch - mit Sonnenstrom, Windenergie und dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung - eine solide technische Basis.
Der gemeinnützige Verband BUND Naturschutz in Bayern e.V. und das kommunale Unternehmen N-ERGIE fordern gemeinsam das Bundeswirtschaftsministerium auf, im Jahr 2015 die dezentrale Energiewende fortzuführen und hierfür das Strommarktdesign in Deutschland neu auszurichten. Die Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes im Jahr 2015 und die Novellierung des Energiewirtschafts-Gesetzes müssen zum Ziel haben, die Weichen für eine zukunftsfähige Wirtschaftlichkeit der dezentralen erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung zu stellen.
Die Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes muss Energieeffizienz im Gesamtsystem zum Ziel haben. Bei der Stromproduktion für die Versorgungssicherheit dürfen nicht mehr wie bislang zum Teil über die Hälfte der Energie im Brennstoff als Abwärme in Flüssen oder in der Luft vergeudet werden. Die Abwärme sollte stattdessen in Zukunft für Heizung und Prozesswärme genutzt werden. Das novellierte Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz muss den Ausbau der Wärmenutzung aus der Kraft-Wärme-Kopplung deutlich unterstützen. Nur unter Einbeziehung dieser Nutzungsoption und deren Ausbaupotenzial ist eine effiziente Energiewende auch im Wärmemarkt sozialverträglich darstellbar.
Auch die Novellierung des Energiewirtschafts-Gesetzes für das künftige Energiemarktdesign muss darauf abzielen, die effiziente Kraft-Wärme-Kopplung dezentral zur Versorgungssicherheit zu nutzen. Das ist technisch möglich, wie dies das kommunale Unternehmen N-ERGIE vor Ort zeigt. Aber die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung darf kein wirtschaftliches Abenteuer sein, sondern benötigt Anreize und klare unterstützende Rahmenbedingungen. Die heutigen Marktstrukturen lassen diesen Zukunftstechnologien keinen Zugang zu den langfristigen Märkten, aber nur in diesen ist eine Refinanzierung von Neuanlagen der Stromproduktion möglich. Das zukunftsfähige Modell sind regionale Strom- und Wärmemärkte, in denen die Akteure vor Ort ihre Produkte Energie und Leistung von Wärme und Strom vermarkten. Akteure in diesem Markt sind kommunale Stadtwerke, regionale Bürgerenergiegesellschaften und auch überregionale Unternehmen.
BUND Naturschutz und die N-ERGIE lehnen einen von der Bundesnetzagentur regulierten zentralen Kapazitätsmarkt ab. Ein solcher Kapazitätsmarkt würde Großkonzerne mit ineffizienten Kohlekraftwerken genauso bevorteilen, ähnlich wie heute schon die Übertragungsnetzbetreiber durch ihre Oligopol-Position bevorteilt werden.
Für Rückfragen:
Richard Mergner, Landesbeauftragter
Tel: 0011-8187815
Mobil: 0171 6394 370
Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie und Klimaschutz
Tel: 0911-8187817
Mobil: 0151 5038 9963