Die Alpenkonvention tritt in Kraft - eine große Chance für die Alpen
Anlässlich des Inkrafttretens der Alpenkonvention (dem Übereinkommen zum Schutz der Alpen) haben der Vorsitzende des Bund Naturschutzes in Bayern, Prof. Dr. Hubert Weiger, und der Präsident der deutschen Vertretung der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA, Dr. Stefan Köhler, umfassende Forderungen zur Implementierung der Konvention in Programme und Pläne der staatlichen Instanzen und zur Umsetzung vor Ort über entsprechend geeignete Maßnahmen und Projekte gestellt.
Nachdem seitens Deutschland, Österreichs und dem Fürstentum Liechtenstein drei der insgesamt 8 Vertragsstaaten zur Alpenkonvention in diesem Jahr die Durchführungsprotokolle ratifiziert hätten, erhält die Alpenkonvention ab dem 18.12.2002 im Sinne eines völkerrechtlichen Vertragswerkes Rechtskraft. Mit der Alpenkonvention und ihren einzelnen Durchführungsprotokolle zu den Themenbereichen Raumplanung, Verkehr, Berglandwirtschaft, Bergwald, Bodenschutz, Energie und Naturschutz liege nun, so Hubert Weiger vom Bund Naturschutz in Bayern und Stefan Köhler von CIPRA-Deutschland erstmalig für eine europäische Großregion eine integrierte Konzeption zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung vor. Dies eröffne den Alpen und ihren Bewohnern die Chance einer an den Prinzipien der Agenda 21 von Rio und der Nachhaltigkeit ausgerichteten Entwicklung.
Kritisiert wurde von Weiger und Köhler die zögerliche Haltung von Italien, Schweiz und Frankreich, was die noch ausstehende Ratifizierung der Durchführungsprotokolle anbetrifft. Auch die EU, die sich bislang noch nicht zur Ratifizierung als Vertragspartner durchgerungen habe, müsse sich hier endlich bewegen. Es kann nicht angehen, dass die EU ein Interreg-Programm zur Förderung des Alpenraums initiiert, selbst aber die im Sinne des Subsidiaritätsprinzips von den Alpenstaaten erarbeitete Alpenkonvention nicht akzeptiert. Die Vergabe von EU-Fördermitteln muss an die Zielaussagen der jeweiligen Protokolle gebunden werden. Ein solches Vorgehen erhöhe zugleich den Druck, dass die anderen Alpenstaaten die noch ausstehende Ratifizierung vornehmen. BN und CIPRA fordern das Vorsitzland Deutschland wie auch alle anderen Alpenstaaten auf, die Arbeiten zu einem 9. Fachprotokoll
"Bevölkerung und Kultur" ernsthaft voranzutreiben und das Protokoll "Tourismus" in seinen Aussagen so zu präzisieren, dass das derzeit festzustellende ruinöse Wettrüsten im Wintertourismus mit dem Ausbau von über 100 Skigebieten im Alpenraum und einer zunehmenden künstlichen Beschneiung endlich unterbunden wird.
Die Aussagen und Inhalte der Durchführungsprotokolle müssen nun auch in den Plänen des Bundes, wie z.B. dem Bundesverkehrswegeplan, und des Landes, wie z.B. dem Landesentwicklungsprogramm Bayern, ihren Niederschlag finden. Insbesondere über den Bundesverkehrswegeplan, der sich derzeit in der Fortschreibung befindet, sei sicher zu stellen, dass die vorgenommenen Kahlschläge im Personenfernverkehr, wie z.B. durch den Wegfall von Interregio-Verbindungen, und im Güterverkehr, wie vor allem durch die Stillegung von Terminals wieder rückgängig gemacht werden. Die Schiene ist nach Köhler und Weiger über entsprechende Investitionen in Infrastruktur so zu verbessern, dass sie zur Straße eine konkurrenzfähige bzw. überlegene Alternative darstellt. Nicht über den Ausbau oder gar Neubau hochrangiger Transitrouten für den Straßenverkehr, sondern nur über die Schiene - wie von der Schweiz erfolgreich vorgemacht - lasse sich der anhaltend wachsende Verkehrsdruck im Alpentransit sowie die damit verbundenen Umweltbelastungen reduzieren. Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans setzt des weiteren Ziele des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention wie Verkehrsvermeidung und -verlagerung sowie Einführung einer Kostenwahrheit im Verkehr völlig unzureichend um. Bund Naturschutz und CIPRA fordern die Bundes- und Staatsregierung auf, keine Projekte mehr voranzutreiben, die zu immer noch mehr Straßenverkehr in den Alpen führen.
Auch andere Fachplanungen oder Gesetze, wie z.B. zu Naturschutz, zur Berglandwirtschaft oder zum Schutz des Bergwaldes müssen mit den Protokollen der Alpenkonvention konform gehen und sind deshalb zu überprüfen und zu überarbeiten.
Auch auf kommunaler Ebene, insbesondere im bayerischen Alpenraum, sei noch viel zu tun. Bislang seien lediglich 6 bayerische Gemeinden im alpenweiten Gemeindenetzwerk "Allianz in den Alpen" vertreten. Hier ist Deutschland mit Ausnahme der kleinen und von daher nicht vergleichbaren Alpenstaaten Liechtenstein und Monaco Schlusslicht. Im Gemeindenetzwerk würde über einen Erfahrungsaustausch und über konkrete Zusammenarbeit die nachhaltige Entwicklung von Städten und Gemeinden im Alpenraum vorangetrieben. Die kommunale Ebene sei für einen Schutz sensibler Bereiche wie auch eine Weiterentwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit immens wichtig, da hier die konkrete Umsetzung vor Ort erfolge. Um die Kommunen in der Umsetzung der Alpenkonvention zu unterstützen, sollte sich neben der EU auch die staatliche Förderpolitik des Bundes wie auch des Landes Bayern hieran entsprechend ausrichten. Wenn auch mit einigen "Best-Practice-Projekten" bereits der Anfang gemacht sei, so können nur mit einer breiten, möglichst flächendeckenden Umsetzung entsprechende Veränderungen bewirkt werden. Um die Umsetzung von Maßnahmen voranzubringen, ist eine bessere Mittelausstattung von Kommunen und Verbänden erforderlich. BN und CIPRA regen an, dazu einen Fond zu gründen.
Großer Nachholbedarf besteht in Deutschland bei der Öffentlichkeitsarbeit zur Alpenkonvention. Diese sei in weiten Teilen der Bevölkerung und selbst zum Teil in der Politik nicht ausreichend bekannt. BN und CIPRA Deutschland fordern die Bundes- und Landesregierungen auf, insbesondere in den Alpen eine breit angelegte Kampagne zur Alpenkonvention zu starten oder aber die NGOs hier in ihrer Arbeit entsprechend zu unterstützen.
Abschließend wiesen die Verbandsvertreter darauf hin, das mit Ablauf des Internationalen Jahrs der Berge die Aufmerksamkeit für die Berge nicht verloren gehen dürfe. Die Klimaerwärmung sende mit den damit verbundenen Auswirkungen, was vor allem die Zunahme von Extremereignissen wie Hochwässer, Lawinen- oder Murenabgänge anbetrifft, eindeutige Botschaften, den Alpen ein noch höheres politisches und über den Tourismus hinausgehendes öffentliches Interesse zu widmen.
Für weitere Informationen:
Bund Naturschutz, Fachabteilung München, Pettenkoferstr. 10 a/ I, 80336 München, Tel.: 089/ 54 82 98 63, fa@bund-naturschutz.de
CIPRA Deutschland, Heinrichgasse 8, 87435 Kempten, Tel.: 0831/ 52 09 501, info@cipra.de
Download der Texte der Alpenkonvention sowie Übersichten zum Verfahrensstand in allen Alpenländern unter www.cipra.org.