Gigantische Waldrodung am Moorgebiet durch „Giga-Factory“?
Mit Befremdung und Skepsis hat der BUND Naturschutz die bisherigen Pläne der Stadt Tirschenreuth zu dem Industriegebiet aufgenommen, dem auch ein beträchtlicher Teil ihres Stadtwalds zum Opfer fallen würde. So plant die Stadt derzeit die Gewerbeansiedlung eines großen Holzverarbeitungsbetriebs auf 35 Hektar („Giga-Factory“) südlich von Tirschenreuth, davon ca. 25 Hektar (ca. 35 Fußballfelder) im Waldgebiet.
Doch dieser Wald ist nicht nur ein Naherholungsgebiet vor den Toren der Stadt, sondern dient auch als Kohlenstoffspeicher dem Klimaschutz. Genauso wie das unmittelbar angrenzende Moor, für das schon vor 20 Jahren ein gefördertes Naturschutzprojekt durchgeführt wurde.
„So sehr wir es begrüßen, dass mit dem Vorhaben beabsichtigt ist, das vorhandene Angebot an Holzhäusern zu erweitern, so falsch halten wir den bislang dafür vorgesehenen Standort“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz. „Im Jahr 2021 sollte eigentlich allen Verantwortlichen klar sein, dass ein „ökologisch orientiertes Industrieprojekt“ nicht mit der großflächigen Rodung von Wald zusammenpasst, sondern ihm die Glaubwürdigkeit raubt. Der BUND Naturschutz sieht eine falsche Richtung der Stadtentwicklung, wenn die Gewerbeansiedlung in das Waldgebiet hinein geplant wird. Dies wäre ein bayernweites Negativbeispiel für die fortschreitende Naturzerstörung.
Daher appellieren der Landesvorsitzende des BUND Naturschutz (BN) Richard Mergner und BN-Kreisvorsitzender Josef Siller an Oberbürgermeister Franz Stahl und den Tirschenreuther Stadtrat, diese Pläne zu überdenken und andere Lösungsmöglichkeiten zu finden.
„Der BUND Naturschutz begrüßt, dass die Stadt Tirschenreuth nach eigener Aussage zum Dialog über das Projekt bereit ist. Angesichts der Schwere der an diesem Standort erforderlichen Eingriffe muss aber ein ergebnisoffenes Verfahren möglich sein. In jedem Fall fordert der BN für die Planung eine Alternativenprüfung, in der der Wald gemäß seiner Bedeutung für Klimaschutz, Wasserhaushalt und Artenvielfalt in vollem Umfang Berücksichtigung findet“, so Josef Siller. „Außerdem fragt sich, inwieweit durch die Planung Verkehrsprobleme mit entsprechender Lärm- und Abgasbelastung entstehen würden“.
Waldschutz ist Klimaschutz
„Zudem dient der Wald als wichtiger Speicher für das Treibhausgas Kohlendioxid, das sich andernfalls in der Atmosphäre noch weiter anreichern würde. In Zeiten der Klimakrise brauchen wir jeden gesunden Waldbestand, um CO2 dauerhaft zu binden. Nur so können wir unseren Beitrag leisten, um die schlimmsten Folgen der Erderhitzung abzumildern. Es wäre ein Unding, heutzutage noch großflächig intakten Wald zu roden“, erläutert Reinhard Scheuerlein, BN-Regionalreferent für die Oberpfalz.
Auch im „Klimaschutzoffensive - Maßnahmenpaket“ der Bayerischen Staatsregierung heißt es: „Die Auswirkungen des Klimawandels werden in unseren Wäldern für jedermann sicht- und greifbar. Es ist unsere Aufgabe und Verpflichtung zugleich, den Wald zu erhalten und unseren nachfolgenden Generationen einen zukunftsfähigen Wald zu übergeben. … Die Wälder sind der wichtigste Klimaspeicher, den wir haben.“
„Zudem ist der nach wie vor viel zu hohe Flächenverbrauch für Baugebiete und Straßenprojekte eines der größten Umweltprobleme in Bayern. Gemäß Beschluss der Bayerischen Staatsregierung besteht das Ziel, den Flächenverbrauch auf 5 Hektar pro Tag in Bayern mehr als zu halbieren. Doch anstelle einer Problemlösung erleben wir vielerorts in Bayern eine dramatische Verschärfung der damit zusammenhängenden Naturzerstörung. Daher müssen interkommunale und landschaftsschonende Planungen staatlich mehr gefördert werden“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern. „Der Freistaat muss aktiv dazu beitragen, dass Kommunen aufhören, ohne Rücksicht auf Naturverluste nur in ihren eigenen Grenzen zu denken, vor allem im Hinblick auf erhoffte Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Es darf nicht sein, dass zum Beispiel mögliche Flächenpotenziale in einem Landkreis ungenutzt bleiben, wenn gleichzeitig ein neues Gewerbegebiet auf Kosten wertvoller Waldbestände geplant wird.“
Wasserhaushalt und Moorschutz
Nach den bisherigen Plänen sollen über 25 Hektar Wald im Besitz der Stadt Tirschenreuth, vergleichbar mit über 35 Fußballfeldern, dem neuen Gewerbegebiet weichen. Die betreffende Fläche ist Teil eines stadtnahen Waldgebiets, das auch Bedeutung für die Naherholung der Bevölkerung, für den Wasserhaushalt und für die Artenvielfalt hat.
Die hier vorkommenden, gefährdeten Tierarten, wie z. B. Moorfrosch, Waldwasserläufer und Bekassine, reagieren sensibel auf Veränderungen in ihrem Umfeld. Ein Industriebetrieb würde sich nicht mit einem benachbarten hochwertigen Naturraum vertragen.
Hinzu kommt die große Sorge, inwieweit der angrenzende, überregional bedeutsame und bislang intakte Moorstandort bei einer Umsetzung der Gewerbepläne überhaupt dauerhaft erhalten werden könnte. Genauso wie Wald spielt der Schutz der Moore für den Klimaschutz eine herausragende Rolle. Dabei ist davon auszugehen, dass sich seine Ausläufer zum Teil bis in das Planungsgebiet der Gewerbefläche erstrecken.
Gleichzeitig heißt es im „Klimaschutzoffensive - Maßnahmenpaket“ der Bayerischen Staatsregierung: „Moorschutz ist Klimaschutz. Moore speichern mehr Kohlendioxid als alle anderen Ökosysteme der Erde. Intakte Moore bremsen den Klimawandel. Dabei sind sie wahre Multitalente – sie speichern große Mengen CO2, verzögern bei Hochwasser den Abfluss, sind Hotspots der Artenvielfalt und Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen. Bayern will diese kostbaren Lebensräume noch besser schützen.“
Bei einer derartig großflächigen Gewerbeansiedlung wäre mit Sicherheit von einer gravierenden Veränderung des Wasserhaushalts im betreffenden Gebiet auszugehen. Diese kann auch das dauerhafte Fortbestehen des angrenzenden Moores in Frage stellen.
Für Rückfragen:
Reinhard Scheuerlein
BN-Regionalreferent für die Oberpfalz
Telefon 0175-462 55 98