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Klima- und Strompreisdebatte mit unwahren Behauptungen

Atommüllzwischenlager Niederaichbach vor dem Aus?

05.08.2005

Bayerische Minister behaupten ebenso wie führende Politiker von CDU und FDP, Atomstrom sei im Kampf gegen den sich abzeichnenden Klimawandel unverzichtbar. Der von der damaligen Umweltministerin Angela Merkel eingesetzte Chef des Umweltbundesamtes, CDU-Mitglied Andreas Troge widerspricht dem vehement.
Den Slogan von der klimaschützenden Atomkraft hat die Atomindustrie nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl aufgebracht. Mit kostspieligem Werbeaufwand wurde er vielfach (und leider nicht erfolglos) in Umlauf gebracht.

Wie der Energiereferent des Bundes Naturschutz, der Atomphysiker Dr. Ludwig Trautmann-Popp in Landshut ausführte, hat dieser Slogan aber mit der Realität wenig zu tun, wenn man die Daten der Stromwirtschaft und der EU genauer betrachtet.

● Beim klimaschädlichen Kohlendioxid-(CO2)-Ausstoß unterscheiden sich Staaten mit und ohne Atomstrom kaum.
● Trotz Ausbau der Atomkraft stieg der CO2-Ausstoß weltweit und in der EU gravierend an.
● Der Stromsektor ist der mit Abstand größte CO2-Emittent geblieben (weit vor Haushalten, Verkehr und Industrie)
● Auch in Zukunft kann Atomkraft nicht helfen, da die Uranreserven nicht einmal 3% der fossilen Reserven (Kohle, Öl, Gas) umfassen.
Die "Waffe" Atomkraft, so Trautmann-Popp, sei ist also zu klein und zu stumpf, um in der Klimafrage eingesetzt zu werden.

"Die Strompreiserhöhung für Haushaltskunden in den letzten Jahren diente der Gewinnsteigerung der Stromkonzerne aber nicht der Markteinführung der Erneuerbaren Energien, führte der BN Kreisvorsitzende Paul Riederer aus. Denn die Erhöhung der Umlage für Erneuerbare (0,25 Ct/kWh) und für Kraftwärmekopplung (0,29 Ct/kWh) seit 2000 ist kein Grund für die Strom-preiserhöhung.

Das Atommüllzwischenlager Niederaichbach für den demnächst in den AKWs Isar I und II produzierten Atommüll wird nach dem Atomausstieg vollends überflüssig. Der Rechtsanwalt der Kläger gegen den Betrieb dieses Lagers, Dr. Ulrich Kaltenegger, verwies auf die immensen Gefahren, die von dieser Ballung hochradioaktiver Stoffe ausgingen, insbesondere bei terroristischen Angriffen.
Der erforderliche Sicherheitsnachweis werde durch die Betreiber und die Behörden nicht geführt. Studien über die Auswirkungen terroristischer Angriffe würden nach wie vor im wesentlichen Teilen geheimgehalten.

Würden die Sicherheitsbedenken - auch im Zusammenhang mit der geplanten 3. Startbahn des Münchener Flughafens und dem damit erhöhten Flugaufkommen über Landshut - nicht ausgeräumt, wäre dies das endgültige Aus für das Atommülllager Niederaichbach.

Atomstrom in der EU - bisher gegen CO2 unwirksam

In den 15 alten EU-Ländern trägt der Atomstrom 6% zur (End-)Energieversorgung der Bürger bei (von 0% in vielen EU-Ländern bis 13% in Frankreich). Weltweit sind es 2,7%. (Weltenergiereport RWE)
Die atomstromfreien Länder Österreich und Italien liegen beim CO2-Ausstoß pro Kopf mit dem Atomland Frankreich nahezu gleichauf. Die nahezu atomstromfreien Niederlande (Atomanteil 0,7%) schneiden in dieser Bilanz besser ab als der Atom-Nachbarstaat Belgien mit einem 14mal so hohen Atomanteil. (Daten der EU / Kyoto-Protokoll)
Ein Zusammenhang "je mehr Atomstrom desto weniger Kohlendioxid" ist also im Ländervergleich beim besten Willen nicht festzustellen.
Im Gegenteil: der CO2-Ausstoß ging bezeichnenderweise nur dort spürbar zurück, wo AKWs stillgelegt und Maßnahmen zur Energieeinsparung etc. ergriffen wurden (z.B. ehem. DDR).

Der vermeintliche Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Atomkraft fußt lediglich auf der Beobachtung, dass ein AKW kein CO2 freisetzt. Da die Stromkonzerne ihre AKWs aber nicht als Ersatz für fossile Kraftwerke sondern zur Ausweitung der Stromverschwendung nutzten, machte sich diese Eigenschaft in der Realität nicht bemerkbar. Die damalige Umweltministerin Angela Merkel musste als Ergebnis der Studie "Nachhaltiges Deutschland" 1997 zugestehen: "Zur Erreichung des Klimaschutzziels ist die Kernenergie nicht notwendig".


CO2 steigt trotz Ausbau der Atomkraft.

Mit der Atomkraft wurde auch die Kohlekraft ausgebaut. Während sich die Leistung der Atomkraftwerke zwischen 1980 und 2000 mehr als verdoppelte, wuchs die der Steinkohlekraftwerke um 25 %. Die bereits zitierte UBA-Studie "Nachhaltiges Deutschland" kritisierte dies als "die angebotsorientierten Strukturen unserer Energiewirtschaft.
Die Enquete-Kommission "Zukünftige Kernenergiepolitik" hatte 1980 auch andere Wege aufgezeigt. Demnach hätte Deutschland (alte Bundesländer) den CO2-Ausstoß bis 2000 um 15% reduzieren können, wenn es die Atomkraft beendet und stattdessen Energieeffizienz und Erneuerbare Energien ausgebaut hätte. (Diese Technologien stellen nachweislich viel mehr Arbeitsplätze bereit als Großinvestitionen wie Flughäfen oder Transrapid.)
In Wirklichkeit stagnierte der CO2-Ausstoß mit rd. 700 Mio. t auf hohem Niveau und wäre sogar gewachsen, wenn sich das hohe Wirtschaftswachstum eingestellt hätte, das die Enquete-Kommission unterstellte.
Die Handlungsanweisungen der 1980er Enquete-Kommission sind heute noch so aktuell wie vor 25 Jahren.

Wer den Anstieg der Temperatur noch begrenzen will, muss daher die Energieeffizienz und die Erneuerbaren Energien ausbauen und den Betrieb von Atomkraftwerken beenden. Der Nachholbedarf an klimafreundlichen Techniken (Wärmesanierung im Gebäudebestand, BHKWs, moderne Antriebstechnik, stromsparende Geräte) ist insbesondere in Bayern noch sehr hoch. Angesichts hoher Energiepreise sind die meisten klimafreundlichen Techniken schon jetzt, manche in naher Zukunft wirtschaftlich.


Atomausstieg = Ende der Klimapolitik?

Atomkraftbefürworter behaupten, die Stilllegung der Atomanlagen führe zu einem Zuwachs von 170 Mio. t CO2 in Deutschland. Aber auch diese Behauptung fußt auf der falschen Alternative Atomkraft/Kohlekraft und ist daher unrealistisch. Bau und Betrieb kraftwärmegekoppelter Kraftwerke erhöhen den CO2-Ausstoß nur geringfügig, im Gebäudebestand und im Verkehrsbereich sind gleichzeitig große Einsparungen möglich. Nach dem Atomausstieg könnte somit all das nachgeholt werden, was die Bundestags-Enquete-Kommissionen seit 1980 erfolglos empfohlen hatten.


Erneuerbare Energien Grund für drastische Preissteigerungen" Atomstrom billig?

Die Stromkonzerne machen die Markteinführung der Erneuerbaren Energien dafür verantwortlich, dass der Strompreis für private Haushalte (von 1995 bis 2000 rückläufig) inzwischen über das bisherige Spitzenniveau von 1995 gestiegen ist.
Aber die Umlagefinanzierung nach dem "Erneuerbare Energien-Gesetz" (EEG) hat sich seit 2000 nur um 0,25 Ct/kWh erhöht und liegt derzeit insgesamt unter einem halben Ct pro Kilowattstunde.

Viel teuerer war dagegen die Markteinführung der Atomkraft und der zugehörigen Infrastruktur in den 70er Jahren. Der Strompreis erhöhte sich von 6,3 (1970) auf 11,6 Ct/kWh (1985), wie in den Statistiken der Elektrizitätswirtschaft nachzulesen ist. Das war eine Größenordnung mehr als die gegenwärtige Markteinführung von Sonnen-, Wind- und Biomasseenergie kostet.

Atomstrom aus neuen Kraftwerken (d.h. unter Berücksichtigung von Investitions- und Betriebskosten) ist nicht konkurrenzfähig, wie sogar das Branchenblatt "atomwirtschaft" einräumt. Gas, Kohle und Wind produzieren billiger.


Nur wer - wie bei abgeschriebenen Atomkraftwerken üblich - Investitionskosten, Markteinführungskosten und staatliche Forschungsmilliarden vernachlässigt, kommt zu "billigem Atomstrom". Die Befreiung von einer angemessenen Haftpflichtversicherung (Atomgesetz) und die ungeklärten Entsorgungskosten sind weitere hohe Zusatzkosten, die dem Atomstrompreis hinzugerechnet werden müssen.


Forderungen des BN:

Der Bund Naturschutz fordert Stromkonzerne und Politiker auf, Werbeslogans durch seriöse Argumente zu ersetzen.

Der Bund Naturschutz fordert den sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft und die Förderung effizienter Energienutzung.

Der Bund Naturschutz fordert die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft auf, endlich klimaschützende Techniken flächendeckend einzuführen.

Der Bund Naturschutz fordert das Bundesamt für Strahlenschutz auf, endlich die Gutachten zur Terrorsicherheit der Zwischenlager zu veröffentlichen.


gez. Dr. Ludwig Trautmann-Popp
Energiereferent des Bundes Naturschutz in Bayern e.V.

gez. Paul Riederer,
Vorsitzender der Kreisgruppe Landshut des Bundes Naturschutz in Bayern

gez. Dr. Ulrich Kaltenegger,
stellv. Vorsitzender der Kreisgruppe Landshut des Bundes Naturschutz