Naturschutz und Landwirte setzen sich gemeinsam für ein Kiebitz-Projekt in Dingolfing-Landau ein
„Am leichtesten schützen wir die Kiebitze da, wo die Kiebitze bereits vorkommen. Der Landkreis Dingolfing-Landau trägt bayernweit eine große Verantwortung für diesen Bodenbrüter des Offenlandes. Wenn wir ihn hier verlieren, wird es für die Art in ganz Bayern schwierig“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz Bayern, bei seinem Besuch im Wallersdorfer Moos. „Nötig ist daher ein besserer Flächenschutz, die Renaturierung der Moore und eine Ökologisierung der Agrarzahlungen. Als Sofortmaßnahme schlagen wir konkrete Schutzmaßnahmen vor, die in einem Forschungsprojekt begleitet werden sollen.“
„Dass wir hier so genau über den Kiebitz Bescheid wissen, ist das Ergebnis mehrerer Jahre intensiver ehrenamtlicher Arbeit der Naturschützer. Mit unseren Partnern haben wir gute Vorarbeit geleistet. Jetzt aber muss sich der Freistaat Bayern einbringen. Wir haben deswegen Vorschläge für ein mehrjähriges Forschungsprojekt ausgearbeitet“, sagt Franz Meindl, Vorstand der BN-Ortsgruppe Landau und Initiator des Kiebitzschutz-Projektes.
Die Brutsaison der Kiebitze hat bereits begonnen. Die Bewirtschaftung der Flächen allerdings auch. Etwa 90 % der ersten Brut gingen dabei in früheren Jahren verloren – im Landkreis sind das etwa 500 Nester und 2000 Küken.
Dieses Jahr werden aber hoffentlich rund 250 Eier mehr erhalten werden als in den Vorjahren, denn die BN-Kreisgruppe hat im Vorfeld des erhofften staatlichen Forschungsprojekts in diesem Jahr schon eigene Bemühungen gestartet:
- 16 Landwirte mit 70 ha Fläche beteiligen sich an einem kleinen Vorprojekt. Sie bewirtschaften ihre Felder erst ab 1. Mai oder später, so dass die Vögel in Ruhe brüten und ihre Küken großziehen können.
- Mit anderen Landwirten wurde letzte Woche ein Feldversuch zur Direkteinsaat durchgeführt und nachgewiesen, dass diese schonende Ansaatmethode nicht nur dem Boden guttut, sondern auch einen Teil der Nester schont.
- Mit Jägern werden zurzeit Infrarotkameras zum Auffinden von brütenden Kiebitzen, Eiern und Küken getestet.
- Auch laufen derzeit Gespräche mit einem örtlichen Maschinenhersteller und einer Software-Entwicklungsfirma wegen technischer Möglichkeiten zum Nest- und Kükenschutz. Kameras mit künstlicher Intelligenz auf der Motorhaube des Traktors sollen künftig die Nester im Feld erkennen und den Landwirt warnen oder die Maschine automatisch anheben. Derzeit ist man dabei möglichst viele Fotos von Kiebitznestern und Küken zu sammeln, um das künstliche Gehirn damit zu füllen. Wenn autonomes Autofahren heutzutage keine großen Schwierigkeiten mehr bereitet, ist das Erkennen von Nestern und Küken bestimmt auch kein unlösbares Problem.
„Mit staatlicher Unterstützung könnten wir hier beim Schutz des Kiebitz und der anderen Offenlandarten wie Brachvogel, Rebhuhn oder Schafstelze deutlich vorankommen. Diese Chance müssen wir nutzen“, so Franz Meindl weiter, der als Naturschutzwächter der Unteren Naturschutzbehörde und als Wiesenbrüterbetreuer des Landesamtes für Umweltschutz ausgebildet ist.
Alle Kooperationspartner – der BBV Kreisverband, der Landesbund für Vogelschutz, der Landschaftspflegeverband, und der BUND Naturschutz – versuchen nun in enger Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde ein großes, mehrjähriges Forschungsprojekt für den Landkreis zu initiieren und haben sich dafür schon an die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) gewandt.
Es sind sehr viele Fragen offen: Können die ersten positiven Erfahrungen, die es mit einer Bewirtschaftungsruhe gibt, bestätigt werden? Mit welchen Fruchtarten könnte eine spätere Ansaat durchgeführt werden? Wie hoch müsste eine finanzielle Entschädigung für die Bauern ausfallen, um eventuelle Ertragseinbußen auszugleichen? Könnten die Maschinen mit Sensoren ausgestattet werden, die die Kiebitzgelege automatisiert aussparen?
Neben der fachlichen Unterstützung fordern die Kooperationspartner auch mehr Geld für den Kiebitzschutz im Landkreis. Wegen der bayernweiten Bedeutung sollte der Freistaat die Kosten übernehmen, der Landkreis und Gemeinden deutlich entlastet werden. Es müssten Gelder bereitgestellt werden für eine sinnvolle wissenschaftliche Begleitung des Projekts, für Kartierungen, Monitoring und nicht zuletzt für eine gute Beratung und für Ausgleichszahlungen für die Landwirte.
Hintergrund
Die Zahlen sprechen für sich: In ganz Bayern geht man von 2500 Kiebitz-Brutpaaren aus (Erfassung 2015). Die Bestände der Wiesenbrüter sind stark rückläufig. Deutschlandweit und bayernweit nahmen die Bestände in den letzten zwei Jahrzehnten um 80 % ab. Der Kiebitz steht deswegen auf der bayerischen Roten Liste in der Kategorie 2 – stark gefährdet. Anderen Wiesenbrütern geht es genauso.
Dingolfing-Landau ist der einzige Landkreis mit einer kompletten Erfassung aller Kiebitz-Brutplätze – und das bereits in der zweiten Runde. Nach 2018 hat der BUND Naturschutz auch 2020 die Bevölkerung dazu aufgerufen, Sichtungen zu melden. Diese jeweils über 80 Sichtungen wurden dann von den Spezialisten vor Ort kontrolliert, die Zahl der Eier und des erfolgreichen Nachwuchses erfasst. Die Ergebnisse sind alarmierend: 2018 zählte der BN noch 774 Brutreviere, im Frühling 2020 nur noch 676 – was einem Rückgang von 12 % von innerhalb nur zwei Jahren entspricht. Ein Drittel aller bayerischen Kiebitze nutzt das Königsauer Moos, das Wallersdorfer Moos und die umliegenden Gebiete als Brut- und Rastgebiet.
Eine weitere Erkenntnis aus den Kartierungen bestätigt eine Entwicklung auch in anderen Kiebitz-Gebieten: Die Kiebitze brüten – mangels Lebensraum infolge des immensen Verlustes an Grünland – inzwischen vor allem in den Äckern zwischen den Ackerschollen oder in den Winterbrachen. Hier kommt es zum Konflikt mit der Bodenbearbeitung, mit der anstehenden Düngung und Aussaat. Die Küken flüchten bei Gefahr nicht, sondern ducken sich. Die gute Tarnung sorgt dafür, dass Landwirte die meisten Nester schlicht nicht sehen können.
Zweitbruten sind bei Kiebitzen nur eine Art Notfallprogramm, wenn die erste Brut ausfällt. Sind bei weitem nicht so vital, ihre Überlebenschancen deutlich niedriger.
„Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass die Erstbruten durchkommen“, so Franz Meindl. „Wir müssen die Nester für die 30 Tage Brutzeit schützen und dann die geschlüpften Küken für die nächsten zwei bis drei Wochen.“