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Tiere und Pflanzen

Nein zu Anbau von Amflora in Deutschland

Der Bund Naturschutz (BN) fordert Agrarministerin Ilse Aigner auf, die im letzten Jahr erteilte Genehmigung für die Freisetzung der gentechnisch ver-änderten Kartoffel Amflora in Deutschland auf 20 Hektar auszusetzen und sich für nationale Anbauverbote gentechnisch veränderter Pflanzen auf EU Ebene einzusetzen.

04.03.2010

Der  BN  kritisiert die  EU- Zulassung  der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora zum kommerziellen Anbau für industrielle Zwecke und als Futtermittel auf das Schärfste. „Landwirtschaftsministerin Aigner muss sofort handeln und die als Freisetzungsvorhaben deklarierte Sor-tenvermehrung in Deutschland verhindern“, so der BN Landesvorsit-zende Prof. Dr. Hubert Weiger. Er forderte Landwirtschaftsministerin Aigner auf, „sich auf Grundlage des Schutzes von Natur, Umwelt und der Menschen sich gegen den Anbau von Amflora in Deutschland aus-zusprechen und damit Ihre bisherige Haltung zu revidieren. Antibiotika-resistente Kartoffeln sind nicht akzeptabel, zumal sie als Futtermittel verwendet werden können und zu befürchten ist, dass sie als Kontami-nation in Lebensmitteln auftauchen werden.“

Von der Firma BASF bzw. Landwirten sind nach Presseberichten der Anbau von Amflora auf 20 ha in Mecklenburg Vorpommern sowie der Anbau einiger 100 ha in Schweden und der tschechischen Republik ge-plant. Einem kommerziellen Anbau in Deutschland in 2010 steht entge-gen, dass die dreimonatige Meldefrist für das Standortregister des BVL nicht mehr eingehalten werden kann.

Der BN teilt außerdem die Bedenken der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA gegen die Zulassung der gentechnisch veränderten Stärkekartoffel der BASF in Bezug auf das in der Amflora-Kartoffel enthaltene Antibiotika-Resistenz-Gen, das zur Resistenz gegen Kanamycin und verwandte Antibio-tika führt. Kanamycin dient als Reserveantibiotikum gegen Tuberkulose und Neomycin wird sowohl in der Humanmedizin wie in der Tiermedizin einge-setzt.

Die Übertragung dieses Resistenz-Gens auf Bakterien des Magen-Darm-Trakts ist nicht auszuschließen. In der Vergangenheit kam es in Deutschland bereits zu Vermischungen mit normalen Kartoffeln. So hatte ein die „Amflora“ anbauender Landwirt in Mecklenburg-Vorpommern Aussaatflächen verwech-selt, woraufhin die BASF die Knollen auf 20 Hektar Fläche vernichten musste.

Die im Zulassungsverfahren auf EU Ebene vorgelegten Fütterungsstudien an Ratten und Kühen hält der  BN für nicht geeignet, um die Sicherheit der gen-technisch veränderten Kartoffel Amflora für Mensch und Tier zu belegen. Auch die Umweltstudien werden als unzureichend bewertet.

Außerdem will die deutsche Stärkeindustrie wegen der mehrheitlich ablehnenden Haltung der Verbraucher und Landwirte gegenüber der risikoreichen Agrogentechnik die gentechnisch veränderte Amflora nicht verarbeiten, wie aktuellen Presseäußerungen des größten deut-schen Stärkeverarbeiters, Emslandstärke, zu entnehmen ist. Auch die Südstärkefabrik im Landkreis Neuburg/Schrobenhausen hat sich in der Vergangenheit klar gegen die Verarbeitung gentechnisch veränderter Knollen positioniert. Inzwischen wurden auf konventionellem Weg Kar-toffelsorten gezüchtet, die eine ähnliche Stärkezusammensetzung wie die Amflora-Kartoffel aufweisen.

Für den BN und BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger hat vor allem der neue EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz John Dalli versagt: „Der für den Schutz der Gesundheit und der Verbraucher zuständige EU-Kommissar Dalli hat mit seiner ersten Amtshandlung einen schweren Fehler begangen. Der Weg der Gentech-Kartoffel vom Feld auf die Teller der euro-päischen Verbraucher ist viel zu kurz und die Risiken sind viel zu groß. Ein EU-Kommissar, der den Gesundheit- und Verbraucherschutz ernst nimmt, hätte die Zulassung der Amflora-Kartoffel nicht erlauben dürfen.“

 

Für Rückfragen
Marion Ruppaner
Landwirtschaftsreferentin

Tel. 0911/81 87 8-29
Fax 0911/86 95 68
E-Mail: marion.ruppaner@bund-naturschutz.de

 

Die Ablehnungsgründe des BN zu Amflora im Einzelnen:

Die gentechnisch veränderte Amylopektinkartoffel Event EH92-527-1 wurde von der Firma BASF in der EU zur Marktzulassung nach der Freisetzungs-richtlinie 2001/18 (Anbau und Verarbeitung zu Industriestärke, Antrag 1996 in Schweden) sowie nach der Verordnung 1829/2003 (Futter- und Lebensmittel, Antrag 2005 in Großbritannien) beantragt. Mittels gentechnischer Verände-rung wird die Bildung der geradkettigen Stärke Amylose unterdrückt, dies führt zu überwiegender Bildung der verzweigtkettigen Stärke Amylopektin. Die Transformation erfolgte mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens. Neben der Antisense-Sequenz des granule bound starch synthase (GBSS) Proteins unter der Kontrolle des entsprechenden Promotors wurde zu Selektionszwe-cken das Antibiotikaresistenzgen nptII, das u.a. eine Resistenz gegen das Antibiotikum Kanamycin vermittelt, übertragen. Laut Antragsteller soll die Kar-toffel EH92-527-1 zur Gewinnung von Industriestärke (etwa für die Papierin-dustrie) angebaut werden.
Bei der jetzt von EU Kommissar Dalli erteilten EU Genehmigung ist auch die Verwendung (von Reststoffen) als Futtermittel oder Dünger beinhaltet.
Als nicht gekennzeichnete Verunreinigung könnte Amflora auch in Lebens-mitteln auftauchen.


Risiken der Methode der gentechnischen Veränderung an den Stärke-kartoffeln
Die gentechnische Veränderung von Pflanzen ist kein gezielter Vorgang, bei dem bekannt wäre, welche Effekte sich auf molekularer Ebene ergeben. Der Einbau der Transgene in das pflanzliche Erbgut erfolgt rein zufällig. Auch ist die Stabilität transgener Merkmale in transformierten Pflanzen unter Umwelt-bedingungen nicht gesichert, da eine Vielzahl noch unbekannter Regulati-onsprozesse eine Rolle spielt (vergl. UBA-Studie Nr. 53/02 zur Stabilität transgen-vermittelter Merkmale in gentechnisch veränderten Pflanzen).

Nebeneffekte der gentechnischen Veränderung können auch die Aktivität anderer Gene verändern und beispielsweise den Glykoalkaloid-Stoffwechsel beeinflussen und so möglicherweise zu erhöhten Solaningehalten führen.

Die transgene Amylopektin-Kartoffel zeigt neben der beabsichtigten Erhö-hung des Amylopektin-Gehalts unerwartete Veränderungen: Generell liegen Ertrag und Trockenmasse niedriger, während Rohrzuckergehalt und Vita-minC-Gehalt bis zu 40 % höher sind. Teilweise soll auch der Glykoalkaloid-Gehalt (z.B. Solanin) reduziert sein. Laut EFSA (2006) sind die in Freiset-zungsversuchen in Schweden erhobenen Daten, wie sie der Antragsteller in seiner Risikoanalyse präsentiert, repräsentativ für die meisten EU-Regionen, in denen Stärkekartoffeln angebaut werden. Auch wenn sich in südlichen Regionen unterschiedliche Wechselwirkungen zwischen Amylopektin-Kartoffel und assoziierten Organismen ergeben sollten, ist dies laut EFSA kein Grund für die Annahme, dass die jeweiligen Ökosysteme und Organis-men negativ beeinflusst würden. Eine EU-weite Zulassung auf Basis von Da-ten lediglich eines Landes wird allerdings dem in der EU geltenden step-by-step-Verfahren bei der Marktzulassung gentechnisch veränderter Organis-men (GVO) nicht gerecht. Zudem ist ein so genanntes fallspezifisches Moni-toring der Amylopektin-Kartoffel nicht vorgesehen. Unerwartete Effekte eines Anbaus der Amylopektin-Kartoffel EH92¬527-1 sollen durch die allgemeine Überwachung erfasst werden, wobei unklar bleibt, wieweit die Übernahme der Kosten durch den Antragsteller gesichert ist.

Risiken durch Weiterverbreitung der genmanipulierten Kartoffeln
Eine Übertragung gentechnisch eingebauter Eigenschaften auf andere Kar-toffelpflanzen und eine Weiterverbreitung kann nicht ausgeschlossen werden.
Die Pollen von Kartoffeln, deren Bestäubung u. a. durch Insekten erfolgt, können durch Insekten über größere Distanzen verbreitet werden. In Frei-landuntersuchungen wurden zahlreiche Insektenarten auf Kartoffelblüten be-obachtet. Nach einer von Neuroth (1997) zitierten Arbeit wurden bei einer Kartoffel-Wildart im Abstand von 10 m noch Auskreuzungsraten von 5,1 % erreicht und bei 20 m und 40 m betrug die Auskreuzungsrate 1,1 % bzw. 0,5 %. In 80 m Entfernung trugen immerhin noch 0,2 % der Samen die entspre-chende Markierung. Insektenbestäubung schien dabei eine große Rolle zu spielen. Die Blüten wurden vor allem von Schwebfliegen, aber auch Hum-meln, Honigbienen, Wespen, Schmeißfliegen, Libellen, Schmetterlingen und Nachtfaltern besucht. Weitere Besucher von Kartoffelblüten sind vermutlich Rapsglanzkäfer, Schimmelkäfer, Tangfliegen und Goldfliegen.


Weitere Risiken ergeben sich durch die mögliche Überdauerung der Knol-len in milden Wintern (Durchwuchs) oder durch Wechselwirkungen mit Nichtzielorganismen. Nach der Ernte verbleiben bis zu 30 000 Kartoffelknol-len pro Hektar im Boden, die 4 – 5 Jahre im Boden überleben und, wenn sie 10 – 15 cm unter der Bodenoberfläche liegen, auch harte Winter überstehen können. Gebildete Samen bleiben bis zu 13 Jahre lang keimfähig (Neuroth 1997). Die Verschleppung transgener Kartoffelbeeren durch Tiere, wie
etwa Vögel, ist nicht ausgeschlossen. Entsprechende Sicherheitsvorkehrun-gen fehlen, auch gibt es keinen Schutz vor Kaninchen oder Wildschweinen,
die die Kartoffeln weiterverbreiten könnten. Damit wird das Argument, dass die Verbreitung der genmanipulierten Kartoffeln wegen ihrer Knollenvermeh-rung nicht zu befürchten ist, als falsch widerlegt.

 

Neuroth, B. 1997. Kompendium der für Freisetzungen relevanten Pflanzen; hier: Solanaceae, Poaceae, Leguminosae. Umweltbundesamt Berlin, Texte 62/97.