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Neu als Naturwaldreservat ausgewiesene BN-Fläche verbindet Naturwälder in Bayern und Österreich

Das schon bestehende Naturwaldreservat Rohrachschlucht wird um 5,2 Hektar erweitert. Es grenzt künftig an die Vorarlberger Naturwaldflächen an und wird so zum grenzüberschreitenden Naturwald.

10.04.2024

Im Jahr 2018 wurde der erste Teil des Naturwaldreservats auf 10,6 Hektar Eigentumsflächen des BUND Naturschutz in der Rohrachschlucht ausgewiesen.  Jetzt kommen noch mal 5,2 Hektar BN-Eigentumsfläche dazu, teilweise angrenzend an das bestehende Naturwaldreservat, teilweise angrenzend an die Vorarlberger Naturwaldflächen.

„Naturschutz kennt keine Landesgrenzen“, freut sich der BN-Landesvorsitzende Richard Mergner. „Durch das von der Europäischen Union ausgewiesene Fauna-Flora-Habitat-Gebiet in der Rohrachschlucht auf bayerischer und vorarlberger Seite wurde die Basis für eine naturnahe Entwicklung der Wälder geschaffen. Das nun grenzüberschreitende Naturwaldgebiet stellt die Krönung des Naturschutzes für diesen einzigartigen Naturraum dar.“

Simon Östreicher, Bereichsleiter Forsten am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kempten, unterstützt die Erweiterung des Naturwaldreservats auf bayerischer Seite: „Damit ist der länderübergreifende Waldnaturschutz auf über 60 ha langfristig gesichert und die Zusammenarbeit in Forschungsprojekten grenzüberschreitend möglich.“

Der BN konnte in den letzten Jahren noch mal eine weitere Fläche mit Förderung des bayerischen Naturschutzfonds erwerben. Eine andere an Vorarlberg angrenzende Teilfläche war schon länger im Besitz des BN.

„Hier darf sich ein Urwald vor unserer Haustüre entwickeln“, so Maximilian Schuff, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Lindau. „Eine Waldwildnis zum Schutz der Artenvielfalt in den Wäldern“. In Naturwaldreservaten ruht die forstliche Holznutzung und die Bäume dürfen in diesen Naturwäldern richtig alt werden, ohne dass der Mensch eingreift.“

Das Naturwaldreservat liegt im 177 ha großen Naturschutzgebiet und Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Gebiet „Rohrachschlucht“, das als landesweit bedeutsam eingestuft wird. „Die sehr naturnahen Schluchtwälder sind durch vielfältige Standortbedingungen geprägt und weisen viele Waldgesellschaften und eine hohe Vielfalt an Tier-, Pilz- und Pflanzenarten auf. Sie sind ein Juwel des Naturschutzes“, erläutert Isolde Miller, bis vor kurzem Gebietsbetreuerin für die Allgäuer Tobel beim BN. Und ihr Nachfolger, Gebietsbetreuer Daniel Schwarz, hebt den Wert der alten Bäume hervor: „Bei der Kartierung der Eiben in der Rohrachschlucht im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit konnte ich viele besonders große und alte Exemplare dieser seltenen Baumart finden.“

Unter den Baumarten dominieren ansonsten Tannen, Buchen und Fichten. In dem Gebiet sind allein sieben Spechtarten anzutreffen, darunter der sehr seltene Weißrückenspecht und der Dreizehenspecht. Eine Erfassung holzbewohnender Käferarten in den Allgäuer Tobelwäldern erbrachte für das Naturschutzgebiet Rohrachschlucht die meisten Individuen, Arten und gefährdeten Arten. Insgesamt wurden 111 Käferarten nachgewiesen, darunter zwei vom Aussterben bedrohte Urwaldreliktarten und eine bisher unbeschriebene Art der Gattung Rindenkäfer. Der BUND Naturschutz mit der Gebietsbetreuung wird in den nächsten Jahren unter Federführung der Regierung von Schwaben und – so das Ziel – grenzüberschreitend mit Vorarlberg weitere Artengruppen erforschen.

Hintergrund:
Naturwaldreservate gelten als Perlen für die Waldartenvielfalt. Hier können im Laufe der Jahrzehnte so viel Totholz und so viele Strukturen entstehen, wie es sogenannte Urwaldarten zum Überleben benötigen. Diese Waldarten sind sehr selten, weil sie sehr hohe Ansprüche an ihren Waldlebensraum stellen. Wer solche Arten erhalten will, muss auf großen Waldflächen 50 bis 100 Festmeter Totholz pro Hektar zur Verfügung stellen. Dies kann aber im Wirtschaftswald, auch wenn er naturnah bewirtschaftet wird, wegen der Holznutzung nicht gelingen. Im bestehenden Naturwaldreservat wurden bereits deutlich über 70 m³ Totholz pro Hektar festgestellt. In den Tobelwäldern kommt noch die ständige Veränderung durch Hangrutsche hinzu, die auch Erstbesiedelungsflächen mit besonderem Mikroklima schafft. Dadurch werden vom Trockenbiotop bis zum Feuchtbiotop verschiedenste Lebensräume geschaffen. Diese Vielfalt zu erhalten, zu beobachten und zu dokumentieren, ist das Ziel der Ausweisung von Naturwaldreservaten.