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Neues Energieprogramm für Bayern

Chance oder Gefahr für die Energiewende in Bürgerhand?

27.10.2015

"Wir begrüßen, dass nun eine Fortschreibung des Energieprogramms Bayern aus dem Jahr 2011 stattfindet. Wir sehen positiv, dass mit dem Energiedialog Bayern neue Formen der Kommunikation im Wirtschaftsministerium Einzug halten. Das Wirtschaftsministerium sieht sich heute nicht mehr nur als Ansprechpartner für die Bayerische Wirtschaft, sondern auch als Energieministerium und damit Ansprechpartner für alle Bürgerinnen und Bürger in Bayern. Dies ist sicherlich ein erster richtiger Schritt in Richtung Bürgerenergiewende, in Richtung dezentrale Energiewende", so Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern.
"Dieses Energieprogramm hat zugleich schwerwiegende Mängel. Energiepolitik erfordert Zahlen. Energieverbrauch und Energieverbrauchsreduktion müssen mit klaren Zahlen zur elektrischen Energie in Milliarden Kilowattstunden heute und in 2025 beschrieben werden. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss klar definiert werden mit Zahlen zur Energie und zur installierten elektrischen Leistung in Gigawattstunden, heute und in 2025. Relative Prozentzahlen mögen der Veranschaulichung dienen, haben sicherlich eine wichtige pädagogische Funktion. Aber die Energiepolitik in Bayern muss mit Fakten gesteuert und bewertet werden. Und hier verwirrt das neue Programm mehr, als es denn erläutert", kritisiert Weiger.

"Die Bürgerenergie fühlt sich von der Bayerischen Staatsregierung im Stich gelassen. Zwar gibt es in Bayern aufmunternde Worte zur Dezentralität der Energiewende. Aber in Berlin unterstützt die Bayerische Staatsregierung die Aushöhlung des EEG und fordert die Einführung bürokratischer Hürden wie Ausschreibungen. Die Bayerischen Bürgerenergiegesellschaften und Energiegenossenschaften geben sich mit geringen Renditen ihres Kapitaleinsatzes zufrieden. Sie sind damit wettbewerbsfähig im Preis und können zur erfolgreichen Energiewende beitragen. Aber den Hürden der Bürokratie der Ausschreibungen sind kleine Bürgerenergiegesellschaften nicht gewachsen. Das kann für die Bürgerenergie das Ende bedeuten. Aus den Wirtschaftsministerien kommen verschiedenste Aussagen, wie die "Akteursvielfalt" denn zu erhalten wäre. Widersprüchlich und komplex. Unsere Forderung heute ist klar: wenn uns die Bayerische Staatsregierung tatsächlich unterstützen will - dann sollte sie sich für uns in Berlin für die Aussetzung der Ausschreibungen im EEG einsetzen, und die EEG-Umlage auf selbst produzierten und genutzten Strom streichen", fordert Markus Käser, Vorsitzender von Bürgerenergie Bayern e.V.
"Bürgerenergie Bayern e.V." ist ein landesweiter Zusammenschluss der bayerischen Bürgerenergiegesellschaften mit Sitz in Pfaffenhofen. Er bündelt die gemeinsamen wirtschaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Interessen aller Bürgerenergie-Akteure in Bayern. Dazu zählen in erster Linie rund 250 bayerische Bürgerenergiegenossenschaften - rund ein Viertel der deutschen - und Stadtwerke, welche sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, aber auch andere Gesellschaften, die dezentrale und regenerative Bürgerenergieprojekte betreiben. www.buergerenergie-bayern.org

"Bayern wollte Vorreiter im Klimaschutz werden. Aber dieses Energieprogramm lässt uns daran massiv zweifeln. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid von 1990 bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren, also in 15 Jahre-Schritten zu je mindestens 20 Prozent. Wenn Bayern sich vornimmt in den 15 Jahren von 2010 bis 2025 den Primärenergieverbrauch um 10 Prozent zu reduzieren, dann müssen bis 2025 auch mindestens 10 Prozent der Energie in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr aus Erneuerbaren Energien kommen. Globaler Klimaschutz mit einem Ziel Erderwärmung kleiner 2 Grad Celsius erfordert eine pro Kopf-Emission von unter 2 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Eine Diskussion um 6,1 oder 5,5 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr, heute vor der Klimakonferenz 2015 in Paris, verfehlt den Schutz des Klimas", kritisiert Dr. Herbert Barthel, BUND Naturschutz in Bayern, Referent für Energie und Klimaschutz.

Aus Sicht des BUND Naturschutz erscheint eine Diskussion von Stromerzeugung neben der Diskussion von Stromverbräuchen tatsächlich als sinnvoll. Was wird in Bayern an Energie verbraucht, wie kann dieser Energieverbrauch reduziert werden und was wurde am Ende erreicht, oder nicht und warum? Was wurde in Bayern an Wind- und Sonnenstrom produziert, und wie wurde der Zubau an Erneuerbaren Energien und Kraftwärmekopplung vorangebracht und erhöht? Welche elektrische Leistung und Wärmeleistung aus Biomasse steht in Bayern zur Verfügung? Wie kann der Anteil an Energie und Leistung aus Abfällen und Reststoffen erhöht werden? Wie kann Biomasse zur Versorgungssicherheit Strom beitragen? Fragen und Ziele, die mit klaren Zahlen in Terrawattstunden und Gigawatt beschrieben werden müssen.

Aber wenn im März 2011 das AKW Isar 1 abgeschaltet wurde und im Juni 2015 das AKW Grafenrheinfeld abgeschaltet wurde, dann sinkt erfreulicherweise die Stromerzeugung aus Atomenergie. Aber zugleich steigt dann automatisch der Anteil der Stromproduktion in Bayern aus Erneuerbaren Energien - aber eben leider ohne dass irgendwo neue Anlagen für Erneuerbare Energien installiert wurden. Dies ist ein rein rechnerischer Effekt gemäß Dreisatz. Energiepolitik und Energiewende aber erfordern technische und politische Angaben, was tatsächlich gemacht wurde und gemacht werden solle. Aber solche unerlässlichen Angaben fehlen weitgehend im neuen Energieprogramm der Staatsregierung.


Für Rückfragen:

Richard Mergner, Landesbeauftragter
mobil: 0171-6394370

Dr. Herbert Barthel, Referat Energie und Klimaschutz
mobil: 0151-5048 9963

Anlage:

9 Forderungen des BUND Naturschutz an ein Energieprogramm Bayern.

1) Energie-Programm in Zahlen

Beschreibung aller Statusberichte, Maßnahmen und Ziele in Zahlen für Energie, also in Milliarden Kilowattstunden, und in Leistung, also in Gigawatt. Veranschaulichung in Prozentzahlen und relativen Anteilen ist erwünscht, darf aber nicht die alleinige Basis sein. Die mühsame Rückrechnung verschiedener "versteckter Daten" im Energieprogramm liefert eine Bruttostromproduktion für Bayern in 2014 von 88,2 Milliarden Kilowattstunden, davon Windstrom je 1,9, Fotovoltaik je 10,2, Biomasse je 8,2 und Wasser je 11,2 Milliarden Kilowattstunden.

2) Klimaschutz auch in Bayern

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, die Emission des Treibhausgases Kohlendioxid von 1990 bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Für einen Zeitraum von 15 Jahren bedeutet dies mindestens eine Reduktion um 20 Prozent. Energieverbrauch ist der wesentliche Grund für die menschliche Kohlendioxidemission. Für einen 15 Jahre Zeitraum von 2010 bis 2025 muss auch Bayern mindestens seine Kohlendioxidemission um 20 Prozent reduzieren. Wenn sich Bayern daher vornimmt, in 15 Jahren seinen Primärenergieverbrauch um 10 Prozent zu reduzieren, dann muss Bayern zugleich festschreiben, mindestens 10 Prozent seines gesamten Energieverbrauchs mit Erneuerbaren Energie zu erzeugen - und das für alle Sektoren, also nicht nur für Strom, sondern auch für Wärme und im Verkehr - dieses Ziel findet sich noch nicht im Energieprogramm.
Globaler Klimaschutz erfordert langfristig pro Kopf-Emissionen von unter 2 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Eine Diskussion um 6,1 oder 5,5 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr darf nicht als erfolgreicher Klimaschutz "verkauft" werden.

3) Energieeffizienz und Energiesparen

Der BUND Naturschutz begrüßt die EnergieEffizienzOffensive der Bayerischen Staatsregierung und die vielfältigen Programme hierzu in Bayern. Hinter Vorhaben müssen aber auch belastbare Zahlen und Ziele stehen. Bayern muss Energieverbräuche mit einem Monitoring verfolgen, und bei Zielabweichungen mit Korrekturen eingreifen. Wenn Bayern Ordnungsrecht bei Energieeffizienz ablehnt und auf Freiwilligkeit und Anreize setzt, dann müssen Energie-Zahlen gesetzt und verfolgt werden, mit Aussagen, welche Anreize erfolgreich sind, und welche nicht. Bayern benötigt eine Informationskampagne Energiesparen: eine Initiale Energiesparberatung in allen Kommunen, vorgewerblich, unabhängig, vor Ort und am Objekt. Um die Klimaschutzziele nicht zu verfehlen, muss in Bayern die Rate der energetischen Sanierung von heute unter einem Prozent pro Jahr auf über drei Prozent erhöht werden. Dies würde ein Anreizprogramm von ca. 3 bis 5 Milliarden Euro pro Jahr erfordern. Staatliche Anreize, die aber durch die Steuern auf angereizte Wirtschaftsleistungen wieder an die öffentliche Hand zurückfließen. Bayern fordert, dass ein Teil der Anreize durch steuerliche Abschreibungen erfolgen soll. Dies ist bislang an Unklarheiten bei der Verteilung der Steuerausfälle zwischen Bund, Ländern und Kommunen gescheitert. Hier muss Bayern vorangehen, und nicht nur fordern, sondern auch konstruktive Vorschläge zur Lösung der steuerlichen Fragen machen.

4) Verkehr

Der BUND Naturschutz begrüßt den Einsatz der Bayerischen Staatsregierung für die Elektromobilität - Elektromotoren sparen viel Energie. Energiesparen und Energieeffizienz im Sektor Verkehr bedeutet aber auch eine Änderung der Verkehrspolitik. Mehr Bahn und Schiene, mehr ÖPNV, weniger Individualverkehr. Bayern hat für Straßenneubauprojekte im neuen Bundesverkehrswegeplan 10 Milliarden Euro beantragt. Dies ist aus Sicht BUND Naturschutz in Gänze kontraproduktiv zu Energiesparen im Verkehr. Der BUND Naturschutz fordert, dass regionale Flughäfen auf den Prüfstand müssen. 10 Prozent des Bayern zuordenbaren Energieverbrauchs im Verkehr entsteht durch Flüge von und zum Flughafen München. Das Ziel Klimaschutz muss eine Dritte Startbahn am Flughafen München untersagen.

5) Kommunale Energiewende

Der BUND Naturschutz begrüßt, dass das Wirtschaftsministerium die wichtige Rolle der Kommunen hervorhebt und kommunale Beispiele würdigt. Kommunen spielen eine herausragende Rolle in einer dezentralen Energiewende. Der BUND Naturschutz fordert, dass die Praxis guter Beispiele nicht auf einzelne "Leuchttürme" beschränkt bleibt, sondern auf alle 95 Gebietskörperschaften und alle 2600 Kommunen übertragen wird.

6) Zubau Windenergie in Bayern

Das Energiekonzept Bayern hatte in 2011 noch ca. 17 Milliarden Kilowattstunden Windstrom als Potential in Bayern genannt. Im Energieprogramm Bayern 2015 werden nur noch 1,7 Milliarden Kilowattstunden genannt.
Für einen dynamischen Ausbau der Windenergie in Bayern muss die Staatsregierung zum einen die systematische Benachteiligung Bayerns im EEG2014 durch Ausschreibungen verhindern. Ausschreibungen für Fotovoltaik und Windenergie stellen eine fast unüberwindbare bürokratische Hürde für die Bürgerenergie in Bayern dar und stellen deren wirtschaftliches Überleben in Frage.
Zum anderen muss Bayern entweder die 10 Mal der Höhe Abstandsregelung für Windräder in der Bayerischen Bauordnung streichen oder die Kommunen in Bayern ermuntern und begleiten, in Bauleitplänen große Windräder auch innerhalb der 10-H Abstandsflächen zu genehmigen.

7) Dezentrale Kraftwärmekopplung

Der BUND Naturschutz begrüßt die Bedeutung, die die Bayerische Staatsregierung im Energiedialog und nun Energieprogramm grundsätzlich der Kraftwärmekopplung zuweist. Ein 10.000 Häuser Programm ist aber für ca. 5.000.000 Haushalte in Bayern zu wenig. Einzelne Innovationsbeispiele sind nicht ausreichend, um mit dezentraler Kraftwärmekopplung Versorgungssicherheit mit Strom und effizient Primärenergienutzung in der Fläche umzusetzen. Der aktuelle Schlüssel ist die anstehende Novellierung des Kraftwärmekopplungs-Gesetzes. Hier muss Bayern den Restriktionen durch das Bundeswirtschaftsministerium gegenhalten. Im Energieprogramm fällt die Bayerische Staatsregierung leider weit hinter die Vorschläge des BUND Naturschutz im Energiedialog zurück.

8) Regionales Strommanagement

Der BUND Naturschutz begrüßt die Förderung des Konzepts Quartierspeicher. BN begrüßt die Unterstützung des Ausbaus der Verteilnetze - denn diese dienen direkt der dezentralen Energiewende und dem Ausbau der Erneuerbaren Energie. Aber der Ausbau und Umbau der Verteilnetze müssen zum Rückgrat eines regionalen Strommanagements werden. Hierzu muss Bayern Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz fordern. Der Ausgleich der elektrischen Leistung der Produzenten und der Last der Verbraucher muss vorwiegend regional und auf Verteilnetzebene erfolgen. Die heutige Zuordnung der Verantwortung bei den Übertragungsnetzbetreibern dient nicht der Energiewende. Regionales Strommanagement muss angereizt werden.
Bayern Digital ist ein motivierendes Schlagwort. Die dezentrale Energiewende aber benötigt klare und umsetzbare Regelungen zur Netzdienlichkeit der Stromproduktion und des Stromverbrauchs. Wichtiger als eine Vielfalt neuer Geräte, die die Energiewende verteuern, wären klare Regeln für das Verhalten an unseren Steckdosen, für Produzenten und Verbraucher!

9) Positive Werbung und Aktionen pro Erneuerbare Energien

Der BUND Naturschutz fordert, dass die Bayerische Staatsregierung den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Bayern positiv in der Öffentlichkeit bewirbt. Erneuerbare Energien stellen Innovationen dar, die radikal neue Möglichkeiten eröffnen, den Gefahren von Klimawandel und Atomenergie zu begegnen, gerade auch im Industrieland Bayern. Abbildung 4.1 des Energieprogramms legt die Daten zu Stromkosten anschaulich offen: Im Zeitraum nach der Liberalisierung des Strommarkts von 2000 bis 2008 haben sich die Stromkosten für die Industrie nahezu verdoppelt. Ab 2009 sind die Stromproduktionskosten für die Industrie gesunken. Mit dem Wechsel der Berechnung der EEG-Umlage von "Wälzung" auf "Differenzkostenrechnung" durch das Bundeswirtschaftsministerium stieg dann die EEG-Umlage für die privaten Verbraucher und das Gewerbe deutlich an.
Auch mit den dramatischen Änderungen des EEG2014 zu Lasten der Bürgerenergie steigt die EEG-Umlage weiter an, bis 2016 um ca. 0,3 Ct/KWh. Grund ist der Zubau von off-shore Wind - dieser ist mit bis zu 18 ct/kWh deutlich teurer als Windenergie in Bayern mit ca. 9 Ct/kWh.